home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Kontrovers diskutiert: Gebäudeblock auf dem Paulsplatz

Die Architekten Christoph Mäckler und Till Schneider plädieren für städtebauliche Neuordnung

Von Uwe Kammann

Ist die Bebauung des jetzigen Paulsplatzes – genau dort, wo seit fünfzig Jahren der streng geometrische Platanenhain die Paulskirche von Osten einfasst – ein absolutes Tabu? Das wollen die Frankfurter Architekten Christoph Mäckler und Till Schneider aufbrechen. Folglich präsentieren sie einen Vorschlag, der an der Ostseite den Platz zur Neuen Kräme abschließt, damit diese ehemals dominante Nord-Süd-Verbindung wieder zu einer richtigen Straße mit beidseitigen Häusern wird. Und der damit gleichzeitig die Paulskirche räumlich einschließt, so, wie es bis zur Kriegszerstörung die 1843 nach Plänen von Friedrich August Stüler errichtete Alte Börse tat.

Bettina Wiesmann, Vorsitzende des Bürgervereins Demokratieort Paulskirche, Foto: Petra Kammann

Ihren Vorschlag präsentierten und erläuterten die beiden Architekten jetzt auf einer Veranstaltung des „Bürgervereins Demokratieort Paulskirche“. Der damit, so dessen Vorsitzende Bettina Wiesmann, den mit einem möglichen Haus der Demokratie verbundenen Facetten auch eine zur städtebaulichen Gestaltung anfügen wolle, ganz im Sinne einer „breiten und kontroversen Diskussion“.

Kontrovers wird eine Bebauung des Paulsplatzes schon lange gesehen, ganz informell in Bürgerdiskussionen, formal eingebunden in drei städtischen Anläufen, über Planungen und Gutachten architektonische Lösungen für die Kriegsbrache zu finden. Es begann in der unmittelbaren Nachkriegszeit, es folgten Mitte der 1970er Jahre und schließlich 1983 städtebauliche Wettbewerbe, zuletzt mit Entwürfen renommierter Büros wie denen von Hans Hollein und Oswald Mathias Ungers, die den Platz sehr unterschiedlich be- und umspielten.

Zu einer steinernen Entscheidung kam es nicht. Es blieb bei der Lösung, die 1975 – gleichsam als zukunftsoffenes Provisorium – gewählt wurde: dem Platz mit einem auf strengem Raster gepflanzten Platanenhain ein grünes Gesicht zu geben und der Paulskirche damit viel Luftraum.

Prof. Christoph Mäckler, Architekt und Leiter des Instituts für Stadtbaukunst, Foto: Petra Kammann

Für Christoph Mäckler, wie er temperamentvoll vortrug, ein Unding: „Man kann ein Gebäude nicht durch Bäume ersetzen.“ Es gehe um einen „vernünftig gefassten Platz“ mit einer räumlichen Dimension. Das Nachdenken darüber dürfe nicht durch den (auch von Oberbürgermeister Mike Josef als bindend bezeichneten) Beschluss des Stadtparlaments verstellt werden, den Paulsplatz von einer Bebaung freizuhalten. Auch Till Schneider sieht politische Festlegungen in einem Prozess. „Zumindest überdenken“ müsse man die Paulsplatz-Ansätze: „Es geht auch darum, einen Stadtraum zu reparieren“.

Till Schneider vom internationale Architekturbüro Büro Schneider + Schumacher, Foto: Petra Kammann

Beide Architekten betonten, dass es bei einem Neubau parallel zur Neuen Kräme nicht um das Haus der Demokratie gehe. Es könne zwar auch auf den 10.00 Quadratmetern eines Neubaukomplexes seinen Platz finden, doch gebe es auch andere Optionen, so westlich der Paulskirche in der jetzigen Kämmerei oder nördlich dieses Gebäudes, auf dem jetzt teilweise als Parkplatz genutzten kleinen Park entlang der Berliner Straße; dabei könne die dort stehende Eiche zu Ehren des ehemaligen OB Walter Kolb durchaus bestehen bleiben.

Wie das Thema Bäume für Mäckler überhaupt keinen Streitpunkt bedeutet, auch nicht aus ökologischer Sicht. Die in Betonringe eingebetteten Platanen könnten ohne weiteres „umgetopft“ werden, um an anderer Stelle – beispielsweise als Alleen-Begleitung an der Berliner Straße – einen neuen Platz zu finden, mit weit besseren Wachstumsbedingungen.

Was stellen sich die Architekten als Bauwerk auf dem Paulsplatz (Mäckler widerstrebt schon die Bezeichnung, er will sie auf den früheren, mithin engeren Vorplatz der Kirche begrenzt sehen) vor? Im Kern soll es um Geschäfts- und Wohnhäuser gehen, die zusammen einen Block bilden, einen Komplex mit einer „Körnung“ (Schneider), welche die Maßstäblichkeit der Umgebung bis hin zur Altstadt aufnimmt. Das alles in jeweils eigenständiger, aber „normaler“ Architektur in guter Qualität. Was für beide Architekten auch eine klare Absage an die Forderung nach einer „Signature Architecture“ war, wie sie die Expertenkommission zur Paulskirche für ein Haus der Demokratie aufgestellt hatte.

Schneiders Entwurfsskizze für eine Fassung des Paulsplatzes, Foto: Petra Kammann

Finanziert werden könne das jetzt vorgeschlagene Bauvorhaben mit der Mischung aus Wohnen (gut 120 Einheiten ließen sich unterbringen) ganz ohne öffentliche Gelder: „Investoren würden sich die Finger danach lecken“, so Mäckler, bei enormen Gewinn auch für die Stadt:  Auch Gastronomie – die jetzige Situation unter den Platanen ist offensichtlich kein Liebling der Architekten – könne dort einen Platz finden, so beispielsweise unter Arkaden.

Der Beifall im Sonnemann-Saal des Historischen Museums war geteilt. Es gab hörbar Sympathie für den Vorschlag einer städtebaulichen Neuordnung mit einer stärkeren räumlichen Fassung der Paulskirche und einer städtebaulichen Verdichtung an diesem zentralen Ort. Doch gab es etliche Stimmen, die strikt für den Status Quo des Platze plädierten. So mit dem Argument, Frankfurt brauche auch freie Plätze. Sei es, um im städtischen Raum verweilen und durchatmen zu können, sei es aus ökologischen Gründen (Klimaschutz durch Baumbestand), sei es wegen politischer Perspektiven – gerade der Paulsplatu in der jetzigen Form sei eine wichtige „Freifläche für Demonstrationen“.

Erweiternd wurde – speziell auch mit Blick auf Sinn und Zweck eines möglichen Hauses der Demokratie – gefragt: „Was kann der Platz erzählen?“, mit einer nachgeschobenen Vision: „Er könnte ein Demokratiejuwel werden.“

Hier brachte Bettina Wiesmann nochmals Zielsetzungen zum Demokratieort ein: Die Paulskirche könne nicht alles Demokratieförderliche transportieren. Ein Haus der Demokratie könne eine ergänzende Funktion wahrnehmen, in einer Form der dienenden Botschaft Demokratie auch über „Anschauung und Erleben im Raum“ sichtbar machen und stärken. Zur im Plenum aufgeworfenen kritisch-skeptischen Frage nach Sinn und Zweck des angestrebten Hauses  (grob werden immer die Felder Ausstellung, Werkstatt, Forum und auch Forschung genannt) sagte sie, hier gebe es in der Konzeptionierungsphase Fortschritte, doch müsse das „Handlungsprogamm weiterhin stärker konkretisiert“ werden.

FAZ-Herausgeber Dr. Carsten Knop war der Moderator der Veranstaltung, Foto: Petra Kammann

Zeichnete sich am Schluss ein stärker profilierte Schlussfolgerung aus der Debatte ab? Eher nein. Moderator Carsten Knop (fürs Regionale zuständige Herausgeber der FAZ) hatte versucht, Mäckler und Schneider mit der Feststellung herauszufordern: „Der Platz funktioniert doch“ und dabei unterstützend Leserbriefe ins Feld geführt, die sich gegen eine Bebauung des jetzigen Großplatzes unter der Firmierung „Pauls-„ aussprechen. Die Architekten verteidigten vehement ihre Forderung nach einer städtebaulichen Neuordnung, die sich auch an der Historie der Baugeschichte und an einer klaren Raumbildung „zwischen Enge und Weite orientiert“ (Mäckler). Der „relativen Unschärfe, was der Paulsplatz ist“, solle eine klare Raumbildung entgegengestellt werde, forderte Till Schneider: „Das ist jetzt eine Jahrhundertentscheidung: Wenn man will, dann kann man …“.

Ein Kommentar wird folgen.

Comments are closed.