Starsky Brines: „Luna Park – Shadow of Amusement“ in der Galerie Heike Strelow
Von Erhard Metz
Nach erfrischender Kunst Hungrige werden die renommierte Frankfurter Galerie Heike Strelow in diesen Wochen entweder Ihres Hungers gestillt oder mit einem Kaufvertrag in der Tasche verlassen: der Galeriekünstler Starsky Brines lädt auf eine Reise ein, in seinen Luna Park. Lustig und bunt, hoppig und poppig geht es dort zu, und wir werden jede Menge Spaß haben – doch Vorsicht ist geboten: die gute Laune könnte sich als trügerisch erweisen, bereits im Titel der Ausstellung hat der Künstler einen Schatten auf die fröhliche Szenerie geworfen.
Starsky Brines, 2024:
HIDE AND SEEK, Industrial paint, spray paint, grease pencil, and oil pastel on canvas, 122 x 97 cm
Gleich zur Begrüßung im Luna Park geht es holterdiepolder zu: Dem zwar freundlich anmutenden, aber zähnefletschenden Wächterhund am Einlass hat man ein orangefarbenes Aufsehertrikot übergezogen, im Hintergrund winken Gerüst und Gleise der Achterbahn, von oben ragt ein Wesen aus der Mickey Mouse-Familie ins Bild. Ein paar Schritte weiter grüßt fröhlich schon der Bunny-Hase und bittet mit Mikrofon in der Hand zur Sommer Party, auf der sich bereits seine Freunde tummeln.
MY COMPANION FRIENDS IN HERE, Acrylic paint, crayon, and charcoal on canvas, 183 x 183 cm
Dort wartet ein buntes Völkchen auf weitere Besucher: natürlich Barbara Reschs wundervoller Elefant mit den rosaroten Ohren, ein rundum mit Verband umwickelter, kläglich dreinschauender Teddybär, ein fieses kleines grünes Monster, ein Micky Mäuslein und manch andere comichaft vermenschlichten Tiergestalten, von denen manche uns an Wesen aus der „Sesamstraße“ erinnern. Aber blicken sie alle wirklich fröhlich in unsere Richtung? Wohl kaum.
SUMMER PARTY, Acrylic paint, crayon, and charcoal on canvas, 198 x 198 cm
Luna Park: Der Begriff kommt vom New Yorker Vergnügungspark gleichen Namens auf Coney Island aus dem Jahr 1903 mit seinen damals vielbewunderten verschwenderischen Lichteffekten, Lichterketten und Leuchttafeln in Zeiten sich erst noch ausbreitender Elektrizität und mit atemberaubenden Attraktionen wie Teufelsrad oder Freifallturm. Es folgten europaweit ähnliche Einrichtungen, so 1909 in Berlin der berühmte Lunapark mit beispielsweise Wackeltreppe, Gebirgsbahn oder dem „Drehenden Haus“. Das Publikum war begierig nach stets neuen Sensationen, Illusionen und Abenteuern und nahm dabei auch das Risiko von Unfällen in Kauf. Aber die Zeitläufte führten wenige Jahre später in den Abgrund des Ersten Weltkriegs. Der Berliner Lunapark wurde indes erst 1934 geschlossen: Die Nationalsozialisten betrachteten ihn als Schandfleck.
All diese Vergnügungsstätten gehen auf mittelalterliche, ja spätantike Traditionen zurück. Ein sogenanntes fahrendes Volk aus Gauklern, Spielleuten, Moritatensängern, Seiltänzern und Tierbändigern, Akrobaten aller Art einschließlich Feuer- und Schwertschluckern trieben dort zum Vergnügen der Menge ihr Wesen. Gesellschaftlich ausgegrenzte Menschen, die körperlich auffielen wie Zwerg- oder Riesenwüchsige, mussten sich für ein schäbiges Auskommen zur Schau stellen lassen. Die Fahrenden standen nicht unter dem Schutz einer bürgerlichen Gesetzgebung, ganz zu schweigen von etwaigen Kranken- und Unfallversicherungen. Rücksichtslos war gleichermaßen der Umgang mit Tieren, die nach Qualdressuren zum Gaudi des Publikums Kunststückchen vorführen mußten; besonders schlimm erging es den über Jahrhunderte hinweg beliebten „Tanzbären“.
Heute gibt es allein in Deutschland über 100 Freizeitparks, hinzu kommt eine Vielzahl an Kirmes- und Volksfestveranstaltungen. Menschen können dort in der Glitzerwelt der Abenteuer und Belustigungen für einige Stunden ihrem oft tristen und beschwerlichen, nicht selten von körperlicher Arbeit gezeichneten Alltag entfliehen. Ihren Sorgen und Nöten können sie damit nicht entrinnen.
↑ CENTRAL BUNNY, Oil, acrylic and marker on canvas, framed, 81 x 115 cm
↓ SUBIENDO Y BAJANDO, Acrylic and crayon on canvas, framed, 91 x 91 cm
Starsky Brines, ein „Künstler, der sich von Farben, Licht, Formen und tierischen Archetypen inspirieren lässt und mit ihnen den Betrachter seiner Werke verführt“ (so Heike Strelow), begeistert mit seiner unverwechselbaren Mischung aus leuchtenden Farben und phantastischen Figurationen seine wachsende Sammlergemeinde. „Mit seinen Bildern beleuchtet er die Diskrepanz zwischen Schein und Sein und fordert die Besucher auf, über die sozialen Realitäten hinter der bunten Fassade nachzudenken. Dabei vermeidet er den erhobenen Zeigefinger und setzt auf Humor und Ironie.“ Keinesfalls sollte man, so der hiesige Autor, diese äußerst sehenwerte Ausstellung versäumen, sondern der gelben Ente neben der Galerie in der Frankfurter Langen Straße folgen, auch wenn man an dem fröhlichen Entenangeln nach dem blauen Sesamstraße-Elefanten nur virtuell teilhaben kann.
DUCK TO WIN, Acrylic on canvas, framed, 98 x 84 cm
Starsky Brines, Galeriekünstler bei Heike Strelow, wurde 1977 in Maturin, Venezuala geboren. Sein Studium am University Institute of Advanced Studies of Plastic Arts Armando Reverón, Caracas und an der Metropolitan University and Center for Latin American Studies Arturo Uslar Pietri, Caracas, schloss er mit dem Bachelor of Fine Arts Painting und dem Diplom History of Western Art ab.
STARSKY BRINES, LUNA PARK – SHADOW OF AMUSEMENT
Galerie Heike Strelow, bis 26. Oktober 2024
Am 26. September 2024, 19-21 Uhr Führung durch die Ausstellung mit Drinks after Works
Abbildungen/Fotos © der Künstler und Galerie Heike Strelow