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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Karola Gramanns Abschied von der Kinothek Asta Nielsen

Die Filmhistorikerin, Entdeckerin und Bewahrerin – die „Jägerin des verborgenen Kinos“

von Renate Feyerbacher

Das Unikino ‚PUPILLE‘ war gut besetzt. Die Kissen für die harten Stühle waren alle im Einsatz. In diesem Kino war Karola Gramann gern. Hier zeigte sie Filme, die in der Kinothek Asta Nielsen archiviert sind. Hier redete sie über alte, über feministische Filme, über Stummfilme, über Filmemacherinnen von damals und heute. Karola ging auf alle, die zu ihrem Abschiedsabend gekommen waren, herzlich zu. Und so manch innige Umarmung gab es.

Karola Grammann, Foto: Renate Feyerbacher

Zusammen mit Helke Misselwitz aus Berlin begrüsste sie die Gäste. Helke Misselwitz ist eine vielfach ausgezeichnete Regisseurin, Mitglied der Berliner Akademie, Professorin für Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. In ihren Lebensdaten steht „Abitur, gleichzeitiger Berufsanschluss als Möbeltischlerin, Ausbildung als Physiotherapeutin.“ Dann begann sie als Regieassistentin und Regisseurin beim Fernsehen der DDR und studierte ab 1978 vier Jahre lang Regie an der HFF.

Zunächst drehte sie Dokumentarfilme, Kurzfilme, die auch in Oberhausen, beim 1954 vom späteren Frankfurter Kulturdezernenten  Hilmar Hoffmann (1925-2018) gegründeten Internationalen Kurzfilm Festival gezeigt wurden. Von 1985 bis 1989 leitete Karola Gramann dieses jährlich wiederkehrende Festival. Sie war zudem für die Programmauswahl von Filmproduktionen aus sozialistischen Ländern verantwortlich und richtete eine Video-Sektion ein. Damals in Oberhausen werden sich wohl auch die beiden Frauen wohl zum ersten Mal begegnet sein.

Helke Misselwitz brachte einen alten Schlips mit, den sie in einem Geschäft nahe Hollywood entdeckt hatte und schenkte ihn Karola, die ihn sofort gekonnt umband.

Karola Gramann, gebürtig im Landkreis Schweinfurt, aufgewachsen in Würzburg, kam in den 60er Jahren nach Frankfurt, wo sie Buchherstellerin werden wollte, arbeitete in den Verlagen Suhrkamp und bei S. Fischer, machte Abitur auf dem Zweiten Bildungsweg und studierte dann in Frankfurt und London Anglistik, Amerikanistik und Neue Deutsche Literatur. In London besuchte sie Filmkurse.

Zurück in Frankfurt, studierte sie unter anderem bei der Philosophin und heute emeritierten Filmwissenschaftlerin Heide Schlüpmann. Beide gründeten zusammen mit Gleichinteressierten im Jahr 2000 die Kinothek Asta Nielsen, von der Karola Gramann nun Abschied nimmt. Die Leitung heute hat Gaby Babic, die lange Jahre das Festival goEast verantwortete.

2017 wurden Gramann und Schlüpmann für ihre Arbeit bei der Kinothek Asta Nielsen mit dem renommierten Binding Kulturpreis ausgezeichnet.Z wei Jahre vorher erhielt Karola Gramann den Tony-Sender Preis der Stadt Frankfurt. Tony Sender (1888-1964) war Politikerin, Reichstagsabgeordnete und Gewerkschafterin und musste 1935 emigrieren.

Karola Grammen auf der Pressekonferenz zum Frauenfimfestival 2018, Foto: Renate Feyebacher

Noch eine wichtige Perosn des Abends muss erwähnt werden: Richard Dyer (*1945), ein international-berühmter Filmwissenschaftler aus London, war ins Studentenkino Pupille der Universität Frankfurt gekommen. Karola Gramann hat in London studiert und Abendkurse bei Dyer besucht, der vielfach mit einem Ehrendoktor in aller Welt und mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde. Am 12. September, dem ersten Abschiedsabend, stellte er den Film „The Way We were“ (1973) vor, den Sydney Pollack (1934-2008) mit Barbara Streisand und Robert Redford gedreht hat – ein Filmwunsch von Karola Gramann.

Karola Gramann mit Richard Dyer, Foto: Renate Feyerbacher

Karola Gramann wird zweifellos weiterhin aktiv sein, so wie sie es immer war. All ihre Tätigkeiten lassen sich in Beiträgen des Kulturportals www.feuilletonfrankfurt.de nachlesen. Was für ein Projekt wird die unermüdlich-tätige Filmekennerin nun noch in Angriff nehmen? Die Hände wird sie sicher nicht in den Schoß legen. Bücher wird sie schreiben, Vorträge halten, wie sie es schon immer tat. Man darf gespannt sein.„Hello Goodbye“ wird im November in Berlin weitergehen.

www.kinothek-asta-nielsen.de

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