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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

20 Jahre Deutscher Buchpreis 2024 – Die Shortlist steht

Sechs Romane im Finale

Wer macht das Rennen um den Deutschen Buchpreis in diesem Herbst?

Es bleibt spannend bis zum Schluss. Kurz vor der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse wird der Deutsche Buchpreis in diesem Jahr am 14. Oktober 2024 zum 20. Mal im Kaisersaal des Frankfurter Römer verliehen. Mit dem Deutschen Buchpreis zeichnet die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels den deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Sieben Jurymitglieder haben seit Ausschreibungsbeginn 197 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2023 und dem 17. September 2024 erschienen sind. Und nun geht es in die Endrunde…

Die Jury des Deutschen Buchpreises 2024; v.l.n.r.: Gerrit Bartels, Klaus Nüchtern, Regina Moths, Natascha Freundel, Torsten Hoffmann, Magda Birkmann, Marianna Lieder, Foto: © Christof Jakob

Die Jury

Die Akademie Deutscher Buchpreis benennt die jährlich wechselnde Jury, um die Unabhägikeit der Entscheidung zu gewährleisten. Zur Jury gehören: Gerrit Bartels (Der Tagesspiegel), Magdalena Birkmann (freie Literaturvermittlerin und Buchhändlerin), Torsten Hoffmann (Universität Stuttgart), Marianna Lieder (freie Kritikerin), Regina Moths (Buchhandlung Literatur Moths), Klaus Nüchtern (Der Falter) und  Natascha Freundel (rbb). Sie ist Sprecherin der Jury.

Und hier kommentiert die Jury die sechs Titel, auf die sich sich erst einmal geeinigt hat. Sie habe „Romane ausgewählt, die auf neue Weise Licht und Dunkel unserer jüngeren Geschichte erkunden, die auch erzählerisch Grenzen überwinden und dabei große literarische Abenteuer sind”, so Jurysprecherin Natascha Freundel über die Auswahl.

Diese 6 Titel kämpfen nun um den ersten Platz, Cover der Verlage

Martina Hefter
Hey guten Morgen, wie geht es dir?
Klett-Cotta Verlag, Juli 2024

Kommentar der Jury:

Die Protagonistin Juno ist nicht mehr jung, als Performancekünstlerin kann sie sich gerade so finanzieren, zudem kümmert sie sich um ihren MS-kranken Mann Jupiter, mit dem sie in Leipzig zusammenlebt. Als sie auf Instagram von einem Lovescammer aus Nigeria umworben wird, der auf die Einsamkeit und das Geld älterer Frauen spekuliert, entspinnt sich ein Austausch – immer unklarer wird, wo das »wahre« Leben stattfindet, woran man »echte« Liebe eigentlich erkennt. Martina Hefter erzählt von Junos Zerrissenheiten auf beeindruckende Weise: alltagsnahund reflektiert, lebensklug und poetisch, zart und unsentimental.

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Maren Kames
Hasenprosa
Suhrkamp Verlag, März 2024

Kommentar der Jury:

Eine Reise beginnt, fantastisch und skurril, mit dabei ist: ein Hase. Ein Begleiter wie bei Alice im Wunderland, und so führt er sich auch auf: eine Mischung aus Anarchist und kleinlichem Buchhalter. Maren Kames hat die Sterneküche Frederike Mayröckers besucht – und sich von ihr emanzipiert. Das beweist ihr virtuoser Umgang mit Wortwürzungen, ihr sämiger Bilderreigen, ihr sprühender Sprachwitz und ihre lakonischen Vollbremsungen. Diese eigensinnige Reise nistet sich ein im Gemüt der Lesenden und lässt einen erheitert, alltagsertüchtigt und beglückt zurück: Sie packt unseren Lachnerv mit beiden Pfoten – und leichtfüßig hüpft sie jedem dumpfen Realismus davon.

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Clemens Meyer
Die Projektoren
S. Fischer Verlag, August 2024

Kommentar der Jury:

Die Projektoren« ist ein Roman, der seine Leser*innen fordert, der gezielt überfordert, der überw.ätigt in seiner Stofffülle. Meyer erzählt von den Kriegen in Jugoslawien in den Neunzigerjahren, vom zweiten Weltkrieg in Städten wie Belgrad oder Novi Sad, von den Karl-May-Filmen, die in Kroatien in den sechziger Jahren gedreht wurden, vom Kino überhaupt — deshalb der Titel. Beeindruckend ist, welche Verbindungen Meyer herstellt, und das mit einer Vielzahl von Figuren, die immer unterwegs zu sein scheinen, und Geschichten, Abenteuergeschichten, Liebesgeschichten. Meyer zieht stilistisch viele Register, von großartigen Dialogen, inneren Monologen und Träumen bis hin zu Brüchen in Zeit und Raum. Kurzum: ein Literaturereignis.

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Ronya Othmann
Vierundsiebzig
Rowohlt Verlag, März 2024

Kommentar der Jury:

Vor zehn Jahren verübte die Terrormiliz »Islamischer Staat« an den Jesiden in der nordirakischen Sindschar-Region einen Völkermord. Ronya Othmann folgt den Spuren dieses Massenverbrechens. Sie besucht die Schauplätze der Massaker, die Flüchtlingscamps, die Gedenkstätten. Sie lässt jene, die der Mordlust des IS nur knapp entfliehen konnten, zu Wort kommen. Eindrucksvoll mischt Othmann Gattungen und Erzählformen – Reisereportage, Gerichtsprotokoll, historische Exkurse, Autobiografisches. Immer wieder betreibt sie poetologische Gewissenserforschung: Wie lässt sich das Grauen angemessen schildern, ohne die Opfer erzählerisch auszubeuten? Ein einzigartiger dokumentarischer Roman über einen Genozid der Gegenwart und die Frage, wie man davon erzählen kann.

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Markus Thielemann
Von Norden rollt ein Donner
Verlag C.H.Beck, Juli 2024

Kommentar der Jury:

Der Lebensweg des 19-jährigen Jannes scheint vorgezeichnet: Wie schon sein Vater und sein Großvater es seit Jahrzehnten tun, treibt auch er tagtäglich die Schafherde seiner Familie übers Land. Und damals wie heute stellt der Wolf nicht die einzige Bedrohung für die Lebensweise der Heideschäfer dar. Markus Thielemann hat einen atmosphärisch dichten und sprachlich kraftvollen Anti-Heimatroman geschrieben, in dem Archaik und Moderne aufeinandertreffen und die Geister der Vergangenheit durch das trügerische Idyll der Lüneburger Heide spuken. Er erzählt langsam und behutsam, mit feinen, detaillierten Beobachtungen der Landschaften und Lebensweisen, von den Verstrickungen zwischen Idylle und Ideologien und davon, welche Gefahren in Schweigen, Verdrängung und Verklärung des Alten liegen.

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Iris Wolff
Lichtungen
Klett-Cotta Verlag, Januar 2024

Kommentar der Jury:

In »Lichtungen« gelingt es Iris Wolff, die Biografie ihrer beiden Protagonist* innen tief in der europäischen Geschichte des ausgehenden 20. Jahrhunderts einzubetten. Die beiden, die so wie auch die Autorin selbst aus dem rumänischen Siebenbürgen stammen, treffen sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Zürich. Während sie, Kato, bereits davor in den Westen gegangen ist, durchlebt er, Lev, den Niedergang des Ceausescu- Regimes buchstäblich am eigenen Leib. Mit großer Sensibilität und hoher Raffinesse wird diese Coming-of-Age-Story und Liebesgeschichte im Krebsgang erzählt, werden die Brüche der beiden Lebenswege herausgearbeitet und die Figuren in ganz konkreten Räumen und Landschaften verankert.

Die Finalist*innen medial und live erleben

Neugierig geworden auf die Finalist*innen? – Die Shortlist-Autor*innen stellen sich am 27. September in der Urania Berlin und am 6. Oktober im Schauspiel Frankfurt ab 19:30 Uhr in Lesungen und Gesprächen vor.  Bei dieser gemeinsamen Veranstaltung von Kulturamt Frankfurt am Main und Literaturhaus Frankfurt in Kooperation mit dem Schauspiel Frankfurt ist der Medienpartner hr2 Kultur. Die Moderation übernehmen: hier Sandra Kegel (F.A.Z.), Alf Mentzer (HR) und Christoph Schröder (freier Kritiker). Tickets sind online verfügbar.

Der oder die Preisträger*in erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalist*innen erhalten jeweils 2.500 Euro. Die Preisverleihung findet am 14. Oktober 2024 im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt und wird live übertragen (www.deutscher-buchpreis.de ).

Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur übertragen die Veranstaltung live über den Sonderkanal „Dokumente und Debatten“ im Digitalradio und als Livestream auf:

Dokumente und Debatten | deutschlandradio.de

Der Hashtag zum Deutschen Buchpreis lautet #dbp24.

Der Hashtag zum 20-jährigen Jubiläum lautet #dbp20Jahre.

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