The Frankfurt Art Experience Frankfurt 24 – 30 Jahre Saisonstart der Galerien – Impressionen
Ausgewählte Lichter auf Landschaften und Menschen
von Petra Kammann
Am Wochenende des 6. bis 8. September luden mehr als 50 Frankfurter Galerien und Off-Spaces zum 30. Saisonstart. Das inzwischen von einer Agentur begleitete Ereignis nennt sich nun „The Frankfurt Art Experience“. Da gab es jede Menge Empfänge anlässlich der Vernissagen, aber auch „Walks“, also Rundgänge auf Deutsch und auf Englisch. Das künstlerische Programm reichte von Malerei, Fotografie und Skulptur bis hin zu Videokunst und Performances. Petra Kammann hat für FeuilletonFrankfurt eine kleine Auswahl getroffen mit dem Schwerpunkt: Malerisches, Fotografisches und Filmisch-Installatives. Unterschiedliche Blicke auf die Welt, aus der Ferne, aus der Nähe und auf die Natur. Bilder des Stillstands, des Innehaltens und Verharrens.
Blick von außen in die prallvolle Galerie-Peter-Sillem in Sachsenhausen, Foto: Petra Kammann
Landschaftsvariationen in schwarz-weiss
Schon immer spielte das Medium Fotografie beim Saisonstart in der „Stadt der Fotografinnen und Fotografen“ eine starke Rolle, wie zuletzt eine große Ausstellung über die weiblichen Vertreterinnen im Historischen Museum eindrucksvoll belegt hat. In Sachsenhausen, in der Galerie-Peter-Sillem, die sich auf zeitgenössische Fotografie spezialisiert hat, wird es in der Regel bei den Ausstellungseröffnungen auch voll. Und wenn es so spätsommerliche Temperaturen wie am vergangenen Freitag gibt, dann geht das Leben auf der Dreieichstraße weiter. Und da trifft man dann den ein oder anderen Bekannten, mit dem oder mit der man sich inspiriert austauschen kann.
Celina Lunsford, Direktorin FotoForumFrankfurt, und Galerist Peter Sillem im Gespräch, Foto: Petra Kammann
Dass die beiden Chefinnen des Fotografie-Forums Celina Lunsford und Sabine Seitz auch zur zweiten Ausstellung von Barbara Klemm kamen, die für sie eher untypisch ist – die erste widmete sich ihren Fotos von Skulpturen – , wen wundert’s, arbeiten sie doch schon lange mit der Frankfurter Reportagefotografin und eben auch mit dem Galeristen Peter Sillem zusammen! Ja, und dann begegnet man dort u.a. auch Klaus Reichert, dem Frankfurter Intellektuellendoyen und einstigen Präsidenten der Darmstädter Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Intensiv schaut er sich im kleinen Kabinett die so differenzierten Silbergelatineabzüge von Barbara Klemms eindrucksvollen Landschaftsporträts mit den weiten Himmeln, den hellen Nebel- und Wolkenstudien an. Wie in seinem kenntnisreichen Wolken-Buch versucht er auch beim Schauen, dem Geheimnis der flüchtigen Gebilde am Himmel auf die Spur zu kommen.
Wie nun lässt sich in Farbabstufungen des Schwarz-Weiß festhalten, was so flüchtig ist wie die vorbeiziehenden Wolken, und das, bevor die Himmelsformationen schon wieder weitergezogen sind und das aktuelle Licht wie ausgeknipst wirkt. Da hilft dann der Kairos, der glückliche Moment, der Barbara Klemm mit ihrer Erfahrung des schnellen Sehens vertraut ist. Sekundenschnell drückt sie dann in abendlicher oder frühmorgendlicher Stimmung auf den Auslöser, oft aber auch wartet sie geduldig auf ihn.
Klaus Reichert beim Betrachten der Landschaften von Barbara Klemm, Foto: Petra Kammann
Später zitiert der Galerist Peter Sillem, der sein nun schon seine zweite Klemm-Ausstellung eröffnet, in seiner Begrüßungsrede den Essayisten und Anglisten Reichert, der die Arbeit der Fotografin mit der hochkarätiger Maler vergleicht: „Barbara Klemm erreicht eine Klarheit der Tonabstufungen, wie man sie aus der Malerei kennt. Ist das schwarz-weiß überhaupt möglich? Rembrandt hat es gekonnt, Stieglitz ebenso. Constable und Turner haben einige ihrer Himmel stechen und so oft die Platten vernichten lassen, bis die feinsten Farbvaleurs in schwarzen Strichen sichtbar waren. Ähnlich haben gerade Klemms Schatten eine ‚infinite variety‘.“ (Aus: Klaus Reichert, Wolken. Figuren des Flüchtigen, Frankfurt am Main 2016).
Barbara Klemm vor ihrer Aufnahme „Matterhorn“ von 1993 und der „Tragumna Box“, Irland von 2012, Foto: Petra Kammann
Ja, Klemms Landschaften sind so variationsreich, so klar und geheimnisvoll zugleich. In den hier ausgestellten 26 besonderen Schwarzweißfotografien, auf denen Menschen bewusst ausgeklammert sind, überlässt sie sich ganz der Komposition der jeweiligen vorgefundenen geologischen Landschaftsstruktur und arbeitet in ihrem Schwarzweiß-Spektrum „1000 shades of grey“ aus dem Negativ heraus, wie Sillem in seiner Rede betonte. Dann, wenn sie in der Dunkelkammer arbeitet. Ihre Abzüge kann sie da durch Abwedeln von Licht noch einmal beeinflussen, Tiefenschschwärzen herausarbeiten, die Wirkung von Licht und Schatten noch einmal weiter vervollkommnen.
Das verbindet sie auch mit dem ungarischen Dichter und Fotografen Péter Nadás, der die tiefe Schwärze ihrer Arbeiten als strahlend charakterisiert: „Barbara Klemms Schwarztöne fallen über uns her. Aus photographischer Sicht eine haarsträubende Kühnheit, was Barbara Klemm auf ihren Landschaftsbildern mit ihren Schwarztönen vollführt. (…) Aus den stärksten, extremsten photographisch noch möglichen Kontrasten heraus komponierend erreicht sie die äußersten Pole des Sentiments und des Sinns.“ (Aus: Péter Nádas, „Schwarze Strahlung: Barbara Klemm, die Philosophin der Gegebenheiten“). Zwei Jahre lang tauschte Klemm sich mit ihm aus, über „Landschaftsphotographien“, um zu einem gemeinsamen Buch zu kommen. (Barbara Klemm/Péter Nádas. Strahlendes Schwarz. Landschaftsphotographien, Neumarkt 2023). Nádas hat wohl das Wort Photographie wohl bewusst mit ph geschrieben, um an die griechische Bedeutung der „Lichtzeichnung “ (photo-graphein) zu erinnern.
Dramatische Landschaften entstanden im Schwarzwald und beim Rheinfall von Schaffhausen, Foto: Petra Kammann
Genau das ist es, was die ungeheuer leuchtende Tiefe der Klemm-Fotos ausmacht, das Ausreizen von Licht und Schatten ebenso wie das Aussparen von Überflüssigem bis hin zur Abstraktion. Und nicht zuletzt auch ihre punktgenaue Konzentration auf den Moment einfallenden Lichts in der Natur. Mit ihren Bildkompositionen ist die Tochter eines Künstler-Ehepaars Klemm von früh an blickgeschult und schafft es, mit dem Gegensatz von Schwarz und Weiß und den entsprechenden Schattierungen eine ebenso große Stille wie auch eine große Dramatik hervorzurufen. Manche ihrer Bilder erinnern in der Strenge des Aufbaus, die gleichzeitig so etwas wie Sehnsucht heraufbeschwören, an die Gemälde eines Caspar David Friedrich.
Sensationell zum Beispiel die ungeheure Wucht des Igazú Wasserfalls, wie auch ihr Rheinfall von Schaffhausen, oder die tiefhängenden, unheilverkündend-dräuenden Wolken im Schwarzwald. Diese Motive zum Beispiel entstanden, als Klemm für die Ausstellung „Reisenotizen“ 2013 im Museum Sinclair-Haus auf Goethes Spuren fotografierte. Quer durch Europa hatten den Frankfurter Dichter die Wege geführt. Die Eindrücke, die er unterwegs sammelte, hatte auf dieser Reise in Skizzen und Tuschebildern festgehalten. Inspiriert durch seine Zeichnungen machte Klemm sich also auf, den Notaten des Dichters zu folgen und seine Reisedokumentationen mit ihrem Medium der Fotografie nachzuvollziehen und festzuhalten. In der Bad Homburger Ausstellung wurden ihre Fotos dann auch den Zeichnungen Goethes gegenübergestellt, berichtet die immer noch fast mädchenhaft wirkende Barbara Klemm voller Begeisterung über die entstandenen Landschaftsfotos aus dieser Zeit.
Leo Hilbert bei der Erläuterung der Motive, Foto: Petra Kammann
Andere Motive wiederum entstanden auf ihren privaten Reisen mit ihrem Mann Leo Hilbert. Da sei sie völlig entspannt gewesen und habe einfach mit offenem Blick dem Zug der Wolken und dem Himmel nachgespürt oder auch die Stille einer wunderschönen Landschaft mit Bäumen auf sich wirken lassen können, bevor sie den richtigen Lichtmoment festhielt. Die langjährige Bildjournalistin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat, als sie noch für die Zeitung die ganze Welt bereiste und dokumentierte, im Laufe der Jahre sicher unendlich viele Bilder in ihrem Kopf gespeichert. Aber auch damals schon habe sie sich in dieser Zeit in den frei verfügbaren Stunden den fremden Landschaften auf besondere Weise angenähert und diese in sich und bisweilen auch mit der Kamera aufgenommen.
Landschaftsstrukturen herauszuarbeiten, zählt auch zu Klemms Stärke, Foto: Petra Kammann
Dass sie dennoch keine Romantikerin ist und deswegen die Wirklichkeit ausblenden würde, zeigen manche der in Sachsenhausen ausgestellten Motive, die alles andere als idyllisch erscheinen wie zum Beispiel ihr Bild aus dem Jahre 1978, das bei Gorleben an der Elbe, dem Ort für ein atomares Zwischen- oder Endlager im Wendland, entstand oder die Abraumhalde Jänschwalde, dem ehemaligen Braunkohletagebau in der Lausitz im Jahre 1993. Die Bilder von den hohen Birken im Spreewald und ebenso hohen Baumallee in Schweden von 2006 hängen so bestens aufeinander abgestimmt nebeneinander, dass wegen der Zentralperspektive die schwedische Baumallee mit den dunklen Bäumen eine hohe Sogwirkung erzielt.
Barbara Klemm im Gespräch in der Galerie vor ihren „Baumlandschaften“, Foto: Petra Kammann
Einer großen Stille wiederum begegnen wir am intensivsten in einem Bild, das allein und lichtgeschützt in einer Ecke hängt: der fast nächtlichen Landschaft der Normandie aus dem Jahre 2003, auf dem nur eine feine Mondsichel das Dunkel der See zum Leuchten bringt. Barbara Klemms Landschaften sind wirklich von einer unendlichen Variationsbreite und -tiefe .„Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen“, heißt es bei J.W. Goethe, dessen Zeichnungen sie 2013 gefolgt war. So muss es wohl auch mit dem Fotografieren sein.
Auch ist die Sorgfalt der gemeinsam mit dem Galeristen ausgewählten Bilder und individuellen Hängung bemerkenswert. Versammelt und ebenso sorgfältig gedruckt sind Barbara Klemms ausgewählte Bilder, welche die unbekanntere Seite der Frankfurter Fotografin zeigen. Das fein, aber nicht prächtig gebundene Buch der Reihe Resonanzen vom Verlag Thomas Reche ist ebenso in der Galerie zu erwerben wie es die die einmaligen Handabzüge in Gelatin Silverprint sind.
Die Ausstellung Landschaften ist noch bis zum 19. Oktober in der Galerie-Peter-Sillem zu sehen.
Barbara Klemm
Landschaften
Galerie-Peter -Sillem
Dreieichstraße 2
60594 Frankfurt am Main
galerie-peter-sillem.com
Drei Tage in Paris und Akteure anderer Bühnen
Es ist die Fotografie, die im nun zu Ende gehenden RAY-Triennale bestimmten Jahr auch in den Galerien die Akzente setzte – etwa mit Arbeiten Helga Kneidls, mit den 1973 in Paris entstandenen bildschönen Fotoporträts von Romy Schneider, die schon einmal vor einigen Jahren bei Middendorff in der Niddastraße zu sehen waren und die nun, kurz vor dem 85. Geburtstag der Theaterfotografin Kneidl in Frankfurt zu entdecken sind. Ergänzt werden sie diesmal durch ebenso einfühlsame Porträts von Schauspielerinnen und Schauspielern und Theaterakteuren wie u.a. Angela Winkler, Bruno Ganz, Otto Sander, Barbara Sukowa, Rainer Werner Fassbinder.
Die Künstlerin Franziska Kneidl zwischen den Fotografien ihrer Mutter Helga Kneidl von Romy Schneider und Otto Sander , Foto: Petra Kammann
Im Mai 1973 verbrachte die renommierte Theaterfotografin drei ganze Tage lang mit der damals 34-jährigen Schauspielerin Romy Schneider – nein, nicht in Quiberon – wie der ihr gewidmete Film später heißt, sondern in Paris. Dorthin war die Schauspielerin Romy Schneider nach ihrer Trennung von ihrem ersten Ehemann, dem Schauspieler, Theaterregisseur und Intendant Harry Meyen, gerade erst wieder gezogen und lebte dort mit ihrem Sohn David in einem feinen Appartement im 16. Arrondissement, wo auch die meisten der Aufnahmen entstanden.
Blick in der Galerie Middendorff auf Helga Kneidls Foto von Angela Winkler aus den 79e Jahren, Foto: Petra Kammann
Beide Frauen waren sich wohl von Anfang an nahe und vertraut, da die Schauspielerin und die Fotografin aus der gleichen Welt kamen. Kneidl war eben keine Presse-, sondern eine Theaterfotografin, die bewusst und sparsam mit ihrem Filmmaterial umging und sehr gezielt fotografierte. Hinzukam, dass Kneidl Tag und Nacht nur für die (darstellende) Kunst an der Berliner Schaubühne lebte und brannte, da nicht nur ihr damaliger Mann Karl Kneidl als Bühnenbildner arbeitete, sondern sie auch so eindrucksvollen Schauspielern wie Bruno Ganz, Otto Sander oder Angela Winkler und Barbara Sukowa begegnete, die unter der Regie von Peter Stein spielten. Das muss Romy Schneider wohl imponiert haben, wollte sie doch unbedingt dem Image der Sissi entfliehen und als starke Schauspielerin ernst genommen werden.
Auf Kneidls Negativfilmrollen aus dieser Zeit finden sich nicht, wie üblich, Bildreihen, auf denen sich die Aufnahmen nur in Nuancen unterscheiden. So belichtete die Theaterfotografin während des dreitägigen Paris-Besuchs bei Romy Schneider lediglich sechs Kleinbildfilme. Selbst von den ausdrucksstärksten, damals entstandenen Bildern existiert immer nur eine einzige Aufnahme auf dem Zelluloid. Umso stärker ist das bewusste Fotografieren in ihren intimen Bildern zu spüren, in dem man einen ganzen Romy-Schneider-Kosmos entdecken kann. Mal schlendert Romy mit der Fotografin durch Paris, mal nimmt Kneidl sie beim unbeschwerten Spielen mit ihrem Sohn David wahr.
Dabei entgeht der Fotografin auch nicht, wie sehr Romy sich in ihrer Lebenskrise an einem Glas mit starkem Alkohol oder auch an der Zigarette festhält oder sich schlicht betäuben möchte. Aus ihren Bildern spricht sowohl Kenntnis als auch Vertrautheit mit der Person, die sich der Fotografin gegenüber vertrauensvoll öffnet. Kneidl nimmt die damals legendäre Vedette ganz ohne Stargehabe und Pose wahr und verleiht ihr so ein Stück Frische, innere Freiheit und unbefangene unbestechliche Jugendlichkeit. Man versteht, warum die schöne Romy Schneider so zu einer Legende wurde.
Peter Gatzenmeier von der Dr. Marschner-Stiftung schaut die verschiedenen Romy-Poträts an, Foto: Petra Kammann
Aus dem Schatz der in den 1970er Jahren entstandenen Fotos, auch der anderen Schauspieler und Schauspielerinnen, sind nun mehr als 25, zum Teil noch nie veröffentlichte, in vielem anrührende Aufnahmen erstmals in der Frankfurter Galerie zu sehen. Sie vermitteln ein Stück der freien Atmosphäre, die damals von Bühnenarbeit ausgegangen sein muss. Rainer Werner Fassbender wirkt auf den Porträts ebenso authentisch „bei sich“ wie Angela Winkler, die bis heute nichts von ihrem ernsthaft unbestechlichen und doch auch emphatischen Blick ihrer jungen Tage eingebüßt hat.
Die Künstlerin Inge Kersting zwischen Rainer Werner Fassbender und Angela Winkler, Foto: Petra Kammann
Auch diese Bilder offenbaren spürbar das Vertrauen, das zwischen ihnen und der Fotografin geherrscht hat, wie es beim heutigen Starkult kaum mehr möglich scheint. Damit zählen Kneidls Fotoporträts unbestritten zu den am wenigsten geschönten, aber schönen und geheimnisvollen Aufnahmen des Mythos Romy Schneider und anderer Theaterlegenden.
KAI MIDDENDORFF GALERIE
Niddastraße 84 . Halle im Hof (Höhe Ottostraße)
60329 Frankfurt am Main
www.kaimiddendorff.de
Perspektivwechsel und neue Gesichter
Mit derGruppenausstellung mit zwölf Künstlerinnen The Female Gaze – Der weibliche Blick wagt DIE GALERIE im Frankfurter Westend einen Perspektivwechsel. Da lenkt sie diesmal den Blick des Betrachters ausschließlich auf weibliche Positionen in der Kunst. Der „Female Gaze“ kann mit als Begriff für eine frauenspezifische Betrachtung sowohl in Bezug auf die Kunstproduktion als auch auf die Repräsentation von Frauen in der Kunst verstanden werden. Die internationale Werkschau präsentiert Skulpturen von Beate Debus und Sonja Edle von Hoeßle, eine herausragende Installation von Monika Linhard, Fotografien von Ann-Christine Woehrl sowie Malereien und Zeichnungen von Rissa, Chunqing Huang, Kim Du Rye, Lita Cabellut, Cathalijn Wouters, Regina Götz, Amy Ernst und Leonor Fini.
Blick auf die Stahlskulptur „Lubie“ von Sonja Edle von Hoeßle, daneben das Ölgemälde der chinesischen Künstlerin Chunquin Huang „From Ocean to Sky I, von 2017, Foto: Petra Kammann
In dieser „Galerie der neuen Gesichter“ treffen in DIE GALERIE im Westend ganz unterschiedliche Stile, Materialien und Techniken aufeinander. Da begegnen sich Abstraktion und Figuration und lassen durch die Gegenüberstellung unterschiedlicher Werke und Genres neue, überraschende künstlerische Synergien entstehen. Thematisch vertreten die beteiligten Künstlerinnen ihre eweils ganz eigenständige Positionen.
Gleich im Eingang empfängt die Besucher Rissas so melancholisch-popige wie anspielungsreiche ,Beatrice‘ von 1969, Foto: Petra Kammann
Das geht um die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, von der Erforschung des weiblichen Körpers in Malerei und Skulptur, von der Beziehung zu Umwelt und Natur über die Untersuchung ferner Kulturkreise und gesellschaftsrelevanter Frauenthemen bis hin zum individuellen Ausdruck in gestischer Abstraktion. Dabei richtet jede der vertretenen Künstlerinnen ihr Augenmerk auf ihre ganz eigenen individuellen Interessengebiete.
Die Künstlerin Monika Linhard vor ihrer Video-Installation Double Square II, Foto: Petra Kammann
Wie etwa die 1974 in Bad Kissingen geborene Künstlerin Monika Linhard. Ihre geheimnisvoll beleuchtete Installation „Double Square II“ im oberen letzten Raum zieht gleich die Aufmerksamkeit auf sich. Geradezu magisch wirkt auf mich die kinetische doppelschichtige Rauminstallation vor der Großaufnahme eines Waldrands, die durch die Überblendung einer Videoprojektion und durch die Bewegung der Betrachter im Raum das jeweilige wahrnehmbare Bild changieren lässt. Hinzu kommen Audio-Elemente, welche die Naturwahrnehmungen wie einen zarten Windhauch im Wald vorspiegeln.
Linhards Video-Installation Double Square II von 2024 und rechts das „Tütenggeflüster“ 2009/2013, Eine Lamda-Belichtung auf Fuji Crystal DPII, kaschiert auf Au Dibond, Foto: Petra Kammann
Denn vor diese Projektion hat die Künstlerin einen an der Decke angebrachten Lamellenvorhang montiert, dessen Aluminiumlamellen sanft klimpern, sobald sich jemand bewegt. Und es ist ein Spiel mit den Schattenrissen der Betrachter, die sich auch zwischen oder hinter der Kulisse abspielen.
Was die Nachfrage zur weiblichen Sicht in der Kunst äußert sich Linhard nur zurückhaltend. Sie vermutet, dass es vielleicht die stärkere Betonung des Atmosphärischen sei, die Frauen in ihrer Kunst adäquater zum Ausdruck brächten. Ein sinnlich-dreidimensionales Vergnügen, ihre Installation akustisch und optisch im Raum zu erleben, ist es allemal.
Blick in den Raum mit den farbigen Gemälden der koreanischen Künstlerin Du Rye Kim, Foto: Petra Kammann
Die Fülle an künstlerischen Medien, in denen die Kreativität der ausstellenden Frauen Ausdruck findet, trägt zweifellos zu einer äußerst differenzierten und facettenreichen Präsentation bei. Die Ausstellung in DIE GALERIE spiegelt somit den Gestaltungsreichtum und die Bandbreite weiblicher Kunst wider. Fragt sich, ob das mit dem „weiblichen“ Blick oder eher mit deren künstlerisch gelungenen Blick zusammenhängt. Positive Beispiele gibt es hier allemal. Und die so unterschiedlichen Arbeiten halten mühelos auch dem Vergleich mit entsprechend starken männlichen Positionen stand.
Noch bis zum 11. September 2024 lassen sich die vielfältigen Kreationen der zwölf internationalen Künstlerinnen in den Ausstellungsräumen entdecken.
The Female Gaze | Der weibliche Blick
DIE GALERIE, Frankfurt am Main
Grüneburgweg 123
60323 Frankfurt am Main
Paare und Passanten – Ein Künstlerdialog
Ebenfalls im Westend in der Galerie Barbara von Stechow präsentiert das polnische Künstlerpaar Leszek Skurski und Joanna Skurska seine malerischen Werke unter dem Titel „moments meets memories“ und stellt seine unterschiedlichen malerischen Visionen – eine Welt aus flüchtigen Momenten, in der man die Erinnerungen festhalten möchte – so gegenüber, dass eine Gesamtschau daraus wird. Dabei treffen Leszek Skurskis fast monochrome sparsame Kompositionen aus Licht und Bewegungen wie Ausschnitte aus einer Sequenz auf Joanna Skurskas farbige und kräftig-sinnliche Naturstudien.
Blick in die Galerie mit der dialogischen Ausstellung des polnischen Künstlerpaares Leszek Skurski und Joanna Skurska, Foto: Petra Kammann
Wie hingetuscht und etwas entrückt wirken die kurzen Momente der Begegnung verschwindend kleiner schwarzer Gestalten auf der gegenstandslosen sie umgebenden gebrochen weißen Fläche, auf der sich deren Spuren auf Leszeks Bildern zu verlieren scheinen. Man nimmt nur ihre flüchtigen Alltagsbewegungen wahr. Machen sie nur einen schlichte Spaziergang oder huschen sie durch die Gegend? Treffen sie sich zu ein emMeeting? Sind sie einsam? Fühlen sie sich beobachtet? Bleiben sie in ihrer Haltung entspannt? Findet an einer anderen Stelle ein geselliges vertrauensvolles Treffen statt?
Nichts lässt sich mit Bestimmtheit sagen. Die Geschichten, die hinter ihnen stehen, werden lediglich angedeutet, sie bleiben rätselhaft fragmentarisch und überlassen den Betrachtern und Betrachterinnen die Deutung. Die kurzen Momentaufnahmen des Innehaltens lassen uns Raum für eigene Assoziationen.
Die Galeristin Barbara von Stechow (links) im Gespräch mit einer Besucherin, Foto: Petra Kammann
Joanna Skurskas Gemälde mit Ölfarbe und Acryl auf Holz wiederum sind stärker von der Natur inspiriert. Dabei führt sie uns in eine beweglich pflanzliche Welt, in eine aus Laub- und Blattwerk, in eine Welt von Gräsern, Stängeln oder Blütenblättern, die sie locker wie die Monetschen Seerosen auf einem milchigen Hintergrund verteilt. Da lässt sie die zarten und zerbrechlichen Pflanzen ranken und geradezu im Raum der Bildfläche schweben. Neben den erdfarbigen Pastelltönen spielt die Künstlerin aber auch mit kräftigen, intensiven Farben wie mit elektrischem Blau, Mohnblumenrot oder Opalgrün.
Blick in die Doppelausstellung der Galerie Barbara von Stechow, Foto: Petra Kammann
Gemeinsam erzeugen die beiden unterschiedlichen Künstler einen lebendigen Dialog zwischen expressiver Emotion und zurückgenommener Kontemplation, zwischen Vergänglichkeit und Beständigkeit. Zu sehen ist die nachdenklich stimmende Ausstellung moments meet memories noch bis zum 2. Oktober. Bis dahin kann man sich nochmal sein eigenes Bild machen.
Barbara von Stechow
Feldbergstraße 28
60323 Frankfurt am Main
galerie-von-stechow.com/de/