Publikumsmagnet Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden
Kunstvoller Bau voll hochkarätiger Kunst (Teil 1)
Von Hans-Bernd Heier
Endlich war es so weit und das lange Warten hatte ein Ende: Am 23. Juni 2024 öffnete das Museum Reinhard Ernst (kurz: mre) mit zweijähriger, im Wesentlichen Corona-bedingter Verzögerungen seine Pforten. Gleich am Eröffnungstag strömten über 4.000 Besucherinnen und Besucher in das grandiose Kunst- und Architektur-Juwel. In den ersten vier Wochen besuchten 20.000 Kunst- und Architekturbegeisterte das Museum, das sich weltweit als eines der ganz wenigen Museen auf die Präsentation abstrakter Kunst konzentriert.
Stifter Reinhard Ernst am Eröffnungstag vor der Projektion des Maki-Gebäudes, Foto: Petra Kammann
Über den Besucheransturm war nicht nur der Kunstsammler und großzügige Museumsgründer Reinhard Ernst erfreut: „Eine solche große und positive Resonanz auf unser Museum haben meine Frau und ich uns sehr gewünscht. Wir freuen uns über jeden einzelnen der vielen persönlichen Briefe von Besucher:innen, die uns begeistert ihre Eindrücke nach ihrem Museumsbesuch schildern. Jedes Feedback hilft uns auch, unser Angebot besser zu machen“.
Der weiße Kubus mit seinen Einschnitten – Hingucker und Auftakt der Kulturbauten an Wiesbadens Wilhelmstraße, Foto: Petra Kammann
Und Direktor Dr. Oliver Kornhoff ergänzt: „Mein Team und ich sind überwältigt von dem großen Interesse und dem positiven Feedback, das uns seit der Eröffnung des Museums Reinhard Ernst auf allen Kanälen erreicht. Das Museum zeigt nicht nur internationale Meisterwerke der Abstraktion seit 1950, auch das Gebäude ist ein architektonisches Kunstwerk“.
Besucheransturm am Eröffnungstag, Foto: Petra Kammann
Das neue Museum wurde ausschließlich mit Mitteln der Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung gebaut. Die Baukosten beliefen sich auf über 80 Millionen Euro. Die Stiftung trägt darüberhinaus die Kosten für den laufenden Betrieb und den Erhalt des Museums. Das Grundstück an der Wilhelmstraße 1 wurde von der Stadt Wiesbaden für 99 Jahre im Rahmen eines Erbpachtvertrags zur Verfügung gestellt.
Gary K. Kamemoto, Bauleitung Büro Maki and Associates, im Gespräch mit FF-Herausgeberin Petra Kammann, Foto: Uwe Kammann
Das mre ist das zehnte Museum des japanischen Pritzker-Preisträgers Fumihiko Maki und sein einziges in Europa; s. dazu auch den Beitrag von Uwe Kammann vom 23. Juni in FeuilletonFrankfurt: „Ein Festtag für Wiesbaden: Das Museum Reinhard Ernst ist eröffnet – Das noble Kunst-Geschenk an der Wilhelmstraße soll Kreativität anfeuern und beflügeln“. Nach einer dreijährigen Planungsphase und einer fast fünfjährigen Bauzeit ist der renommierte Architekt kurz vor der Eröffnung des Gebäudes im Alter von 95 Jahren verstorben.
Blick in die Maki-Ausstellung, Foto: Petra Kammann
Die erste Sonderausstellung „Fumihiko Maki – Maki and Associates: Für eine menschliche Architektur“ ist dem 1928 geborenen Star-Architekten gewidmet. Sie zeigt Modelle einiger der herausragenden Projekte des Pritzker-Preisträgers, darunter der Tower 4 World Trade Center in New York. Weiterhin werden seine Museumsbauten vorgestellt, zu denen u.a. das Aga Khan Museum in Toronto (Fertigstellung 2014), das Yerba Buena Center for the Arts in Kalifornien (1993) und das National Museum of Modern Art Kyoto (1986) gehören. Das Museum Reinhard Ernst fügt sich als zehnter Museumsbau in diese hochkarätige Premium-Reihe ein. Und es ist Makis einziges Museumsgebäude in Europa. Die ansprechend präsentierte Schau ist bis zum 9. Februar 2025 zu sehen.
Lichtdurchflutetes Foyer, Foto: Petra Kammann
Das grandiose Bauwerk an Wiesbadens Prachtstraße mit der exzellenten Kunstsammlung – direkt neben dem Hessischen Landesmuseum für Kunst und Natur gelegen – ergänzt und bereichert die Kunst- und Kulturmeile der Wilhelmstraße auf herausragende Weise: Es folgen der Nassauer Kunstverein und das Literaturhaus Villa Clementine, das Hessische Staatstheater und das im neoklassizistischen Stil erbaute Kurhaus mit den Kolonnaden, der längsten Säulenhalle Europas.
Blick in den verglasten Innenhof im Erdgeschoss, Foto: Petra Kammann
Das Erdgeschoss des mre ist fast vollständig verglast. Es soll das Publikum zum Betreten einladen und auf diese Weise eine Verbindung mit der Stadtgesellschaft fördern. Dem Wunsch des Stifters entsprechend ist der Zugang zum Erdgeschoss kostenlos. So können Besucher schon beim Schlendern durch das Museumsfoyer vielfältige Kunstwerke entdecken. Fast alle dieser Werke sind als Auftragsarbeiten entstanden. „Die bauliche und die künstlerische Gestaltung des Museums gingen Hand in Hand. Das Ergebnis ist ein Gesamtkunstwerk, bei dem sich Architektur, Malerei, Installation, Glaskunst und Skulptur vereinen, um erlebbar zu machen, dass die abstrakte Kunst heute aktueller ist denn je“, so Kornhoff.
Offene Einblicke in die verschiedenen Etagen, Foto: Petra Kammann
Beim Betreten des Museums fällt der Blick zunächst auf die dreiteilige Skulptur „Buscando la luz III“ von Eduardo Chillida (1924–2002) im lichtdurchfluteten Innenhof. Der ausladende japanische Fächer-Ahornbaum, den das Stifterpaar gemeinsam ausgesucht hat, und die massive Stahl-Skulptur recken sich dem Himmel entgegen. Ihre elegant nach oben geöffneten Formen sind „Auf der Suche nach dem Licht“, so der deutsche Titel des beeindruckenden Kunstwerks. Dem universellen Streben nach der lebensspendenden Sonne verlieh der baskische Bildhauer im Jahr 2000 diese einzigartige künstlerische Form. In meisterhaftem Wechselspiel von gebogenem und geschnittenem Material, von positiven und negativen Raumkörpern, von Leichtigkeit und Schwere strahlen diese neun Tonnen Cortenstahl gleichermaßen plastische Massivität und filigrane Anmut aus. Fumihiko Maki steckte. mit seiner Begeisterung für den baskischen Künstler auch Stifter Reinhard Ernst an, dieses Hauptwerk des weltberühmten Bildhauers zu erwerben.
Frei zugängiges Erdgeschoss mit Farblabor, Foto: Petra Kammann
Im Foyer ist auch Katharina Grosses großflächige Glasmalerei „Ein Glas Wasser, bitte“ und Karl-Martin Hartmanns Installation „The Ladybird, the Innocence and the Cars“ zu bewundern. Das rosé-golden schimmernde Werk – „Der Marienkäfer, die Unschuld und die Autos“ – des Wiesbadener Künstlers kann aus dem Erdgeschoss und dem ersten Obergeschoss betrachtet werden. Im Zentrum dieser aufwendigen Installation steht ein roter Sportwagen, ein Ferrari aus Ernsts Besitz. Laut Hartmann möchte der Stifter mit diesem Auftragswerk junge Menschen für abstrakte Kunst begeistern: „Er wollte ihnen eine Brücke anbieten, ihnen den Einstieg ins Museum erleichtern und sie neugierig machen auf die anderen Kunstwerke im mre“.
Hier geht’s zur Kunst – Eingang zu den Ausstellungsräumen, Foto: Petra Kammann
Ein zentrales Werk aus Ernsts Kunstsammlung ist auch die knallrote Stahlskulptur aus verbogenen Leitplanken „Vertical Highways – Progressions 4“ von Bettina Pousttchi. Das ungewöhnliche Kunstmaterial sind fabrikneue herkömmliche Leitplanken, die die Künstlerin vor dem Lackieren mit hydraulischen Pressen gestaucht, gebogen und verformt hat. „So zerstört Pousttchi gewaltsam den funktionalen Zusammenhang ihres Materials und verleiht ihm eine ästhetische Qualität“, schreibt Kornhoff in dem gut gestalteten Begleitbuch zur Eröffnungsausstellung. „Vertical Highways – Progressions 4“ leitet den (Publikums)Verkehr nicht mehr vorschriftsmäßig horizontal und metallgrau, sondern überraschend durch Vertikalität und bunt direkt in die Ausstellungsräume im ersten und zweiten Obergeschoss – ganz nach dem Motto: Wo bitte geht’s hier zur Kunst? Mitten durch die Kunst! Dafür den Leitplanken folgen.
Blick in einen Ausstellungsraum der ersten Etage, Foto: Petra Kammann
Unter dem Titel „Farbe ist alles!“ zeigt die erste Sammlungspräsentation besondere Höhepunkte in der Geschichte der Abstraktion nach 1950 auf; darüber mehr in rme Teil2.
Öffnungszeiten:
Das mre ist an den Vormittagen ausschließlich für Schulklassen und Bildungsinstitutionen geöffnet. Für das Publikum öffnet das Museum außer montags ab 12:00 Uhr. Am letzten Dienstag des Monats ist der Eintritt von 15:00 bis 18:00 Uhr kostenfrei. Weitere Informationen unter: www.museum-reinhard-ernst.de