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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Messa da Requiem von Giuseppe Verdi mit dem Staatsballett Berlin – Choreografie und Regie Christian Spuck

Bildgewaltige Szenen von Angst, Zorn und Schmerz. Ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk

von Renate Feyerbacher

Von der „Messa da Requiem“, uraufgeführt  1874 in Mailand, komponiert von Giuseppe Verdi, eines seiner bedeutendsten Werke, war Christian Spuck schon als Jugendlicher fasziniert. Das erzählte er 2016 anlässlich der Uraufführung am 3. Dezember 2016  im Opernhaus Zürich, wo er Ballettdirektor war. Spuck, der auch Opernregisseur ist, inszenierte zum Beispiel am Staatstheater Wiesbaden Verdis „Falstaff“,  an der Deutschen Oper Berlin Berlioz‘ „Faust Verdammnis“, am Staatstheater Stuttgart Glucks „Orphée et Euridice“. Der Tanz spielt immer eine wichtige Rolle in seinen Inszenierungen. Er liebt es, Gesamtkunstwerke zu schaffen. „Messa da Requiem“  von Christian Spuck und seinem neuen Team war nach der Züricher Erfolgsinszenierung nun eine der letzten Ballettabende der Spielzeit 2023/24 in Berlin. Großer Jubel.


 „Messa da Requiem“ – Ensemble,/ Staatsballett Berlin, Foto: Serghei Gherciu

Für Verdis wuchtige Musik von „Messa da Requiem“ hat der Choreograf ein großartiges Gesamtkunstwerk geschaffen. Chor, Gesangssolisten und Tänzerinnen und Tänzer verschmelzen geradezu. Verdis an der katholischen Liturgie orientierte Totenmesse ist eine Auseinandersetzung mit dem Tod, mit dem Jenseits, ein Nachdenken über die Endlichkeit des Menschen. Keine heilige Messe. Es sind drängende Fragen des nicht-gläubigen Kirchenkritikers Verdi, die alle Menschen beschäftigen.

Dunkle Holzwände, eine tiefhängende Decke und schwarze Flocken wie Asche als Tanzboden, ganz hinten Tafeln, auf denen geschrieben wird. Diese Bühne hat sich Christian Schmidt ausgedacht. Spuck hat nicht versucht, Szenen zu bebildern. Er lässt tanzen. Die Musik ist ausschlaggebend. Wie das von den Tänzerinnen und Tänzern umgesetzt wird, ist faszinierend.

Dabei sind die ersten Solotänzerinnen Ksenia Ovsyanick, Iana Salenko, der erste Solotänzer David Soares, Solotänzer Alexei Orlenco, der Demis Solotänzer Mark Geilings und Mitglieder des Corps de ballett des Staatsballetts Berlin. Ihre Beweglichkeit ist eingeschränkt, da die Bühne quasi überquillt von den vielen Chormitgliedern dazwischen die vier Gesangsolisten.

Solotänzerin Ksenia Ovsyanicb und Alexei Orlenco in „Libera me“ der „Messa da Requiem“, Foto: Serghei Gherciu

Primaballerina Ksenia Ovsyanick und Solotänzer Alexei Orlenco sind ein Paar bei “Rex Tremendae”“König, vor dessen Allmacht wir erzittern..“, bei „Agnus Dei“ und bei VII „Libera Me“ –  „Errette mich, Herr vom ewigen Tod, an jenem Tag des Schreckens, befreie mich.“ Die Enge auf der Bühne gibt auch ihnen wenig Tanzraum, wenig Möglichkeit tänzerisch zu variieren. Aber mit „Libera Me“, das ganz vorne am Bühnenrand getanzt wird, schaffen sie eine berührende Verbindung zum Publikum. Wie sie ihren Körper nach hinten bis zum Bühnenboden dehnt, das ist hohe Tanzkunst.

Die in Belarus geborene, dort und in England ausgebildete Ksenia Ovsyanick, die acht Jahre Mitglied des Staatsballetts Berlin war, verlässt die Kompanie auf eigenen Wunsch. Gefeiert wurde sie zuletzt als Bauernmädchen „Giselle“. Sie tanzte in Choreografien großer Choreografen.

„Giselle“ Ksenia Ovsyanick und David Soares, Foto: Mariia Kulchytska /Staatsballett Berlin

Die kräftig-leidenschaftliche Musik wird interpretiert vom Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Jonathan Stockhammer. Der viele Mitglieder zählende, preisgekrönte Berliner Rundfunkchor, (Chefdirigent: Gijs Leenaars), zu den besten Chören der Welt gehörend, beherrscht quasi die dunkle Bühne. Er ist auch tänzerisch aktiv – mitreißend. Zusammen mit den vier Gesangssolisten eröffnet er das „Requiem“ gefolgt von „Dies Irae“ – „Der Tag des Zorns“. Mit voller gesanglicher Wucht stimmt er auf den Abend ein.

Die in Russland geborene und ausgebildete Sängerin Olesya  Golovneva, mehrfach zur „Besten Sängerin des Jahres“ gekürt, seit 2015 ständiger Gast am Staatstheater Wiesbaden, hat als Sopranistin eine führende  Rolle – zuletzt zusammen mit dem Chor in „Libera Me“ – „Errette mich Herr vom ewigen Tod“ (Libretto VII). Spuck lässt sie in großer Abendrobe (Kostüme Emma Ryott) von der Bühne schreiten.

Ihre Gesangspartner sind die amerikanische Mezzosopranistin Karis Tucker, der Tenor Andrei Danilov –beide Ensemble der Deutschen Oper Berlin– sowie der Bassist Lawson Anderson (Ensemble der Semperoper Dresden)

Seit Beginn der Saison 2023/24 ist Spuck Intendant des Staatballetts Berlin. Der gebürtige Marburger ist einer der weltweit besten Choreografen. Zehn Jahre war er Ballettdirektor am Opernhaus Zürich. „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ von  Komponist Helmut Lachenmann, wurde 2019 als „Produktion des Jahres“ und „Kompanie des Jahres“ durch die Zeitschrift „tanz“ ausgezeichnet. 2022 wurde das Ballet Zürich von „tanz“ als „Glanzlicht des Jahres“ gewürdigt.

Seine tänzerische Laufbahn begann Spuck bei der Needcompany des belgischen Regisseurs Jan Lauwers und im Ensemble „Rosas“ von Choreografin und Tänzerin Anne Teresa de Keersmaekers in Brüssel. 1994 kam er zum Stuttgarter Ballett.

Es war die letzte Spielzeit der in Brasilien geborenen Ballettdirektorin, Choreografin Marcia Haydée, eine der großen Ballerinen des 20. Jahrhunderts, die mit Rudolf Nurejew, mit Mikhail Baryshnikov und Richard Cragun tanzte und mit dem französischen Choreografen Maurice Béjart (1927-2007) (zuletzt: Béjart Ballett Lausanne) und John Neumaier (seit 1973 Ballettdirektor und Choreograf Ballett Hamburg) zusammenaarbeitete. Sie förderte William Forsythe.

Unvergesslich für mich waren Marcia Haydées Auftritte zusammen mit Cragun bei Gastspielen des Stuttgarter Balletts in der Höchster Jahrhunderthalle.

 “Bovary“ – Ensemble, Foto: Serghei Gherciu / Staatsballett Berlin

In der Spielzeit 2024/25 des Staatsballetts Berlin ist das Tanzstück „Bovary“ nach dem Roman von Gustave Flaubert choreografiert von Christian Spuck weiterhin im Programm. Vier Premieren wird es geben unter anderem Spucks „Winterreise“ mit der Musik von Hans Zender nach der Komposition von Franz Schubert. In Zürich hat Christian Spuck  2018 diese Arbeit schon einmal realisiert. Sie wurde mit dem „Prix  Benois de la Danse“ 2019 ausgezeichnet.

William Forsythe bei der Pressekonferenz am 15.10.2015 im Museum für Moderne Kunst – anlässlich der Eröffnung seiner Ausstellung  „The Factory of Matter“, Foto: Renate Feyerbacher

Mehrfach werden in Berlin in der Spielzeit 2024/25 Choreografien von William Forsythe aufgeführt. Der Spielplan steht online.

Übigens werden William Forsythe und der in der Schweiz geborene, in Brüssel lebende Tänzer und Choreograf Thomas Hauert im nächsten Jahr mit der Dresden Frankfurt Dance Company im Schauspielhaus Frankfurt ein Gastspiel geben.

www.staatsballett-berlin.de

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