Unterwegs im Münsterland und in der Stadt des Westfälischen Friedens
Friede als höchstes Gut
Reisenotizen von Eldad Stobezki
Freunde hatten uns nach Münster eingeladen. Die Stadt, eingebettet in eine überwältigend schöne Landschaft, überraschte uns auch mit ihrer herrlichen Architektur. Der erste Weg führte uns zur Burg Hülshoff. Dort befindet sich das Center for Literature, in dem entsprechende Veranstaltungen stattfinden, denn in Münster gibt es kein Literaturhaus…
Haus Rüschhaus – Landsitz im Stadtteil Nienberge der Familie Droste-Hülshoff im westfälischen Münster, Foto: Eldad Stobezki
Für die Münsteraner, die sich auf ihre Fahrräder schwingen, ist es zu weit, und in der Nacht kommt die weite Fahrt mit dem Fahrrad sowieso nicht in Frage. Das Auto bewegen sie nicht gerne. So sind die Literaturabende draußen in der Burg schlecht besucht. Veranstaltungen mit deutschen Autoren finden oft in englischer Sprache statt, erfuhr ich.
Und wieso heißt es „Center for Literature?“ Soll das Internationalität signalisieren? Oder ist es eine EU-Vorschrift? Schämt man sich der deutschen Sprache? Ein Trost, dass Annette*, das nicht mehr mitbekommt.
Eingebettet in die Münsteraner Landschaft: die Burg Hülshoff, das „Center of Literature“, Foto: Eldad Stobezki
Ein Stück Authentizität erlebten wir in Münster im St. Paulus-Dom, der nach dem Zweiten Weltkrieg, so wie die gesamte Altstadt, Stein für Stein mit Traditionsbewusstsein und westfälischen Fleiß wiederaufgebaut wurde. Die fast 500 Jahre alte astronomische Uhr blieb im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs unbeschadet und wurde sorgfältig restauriert.
Überlebte im Bombenhagel: die astronomische Uhr im St.Paulus-Dom in Münste, Foto: Eldad Stobezki
Nur einmal am Tag treten die Könige aus ihrem Sperrholzobdach heraus. Die Metallfiguren tragen bunte Gewänder, die vermutlich in den 1960-er Jahren erneuert worden sind. Ihre Diener dagegen sind hölzern – durch und durch. Zu fünft umringen sie das Jesuskind, das seit über 450 Jahren dort auf dem Schoße seiner Mutter sitzt.
Der Katholizismus im Norden ist nicht so überfrachtet wie in Bayern, man erstickt nicht in Weihrauchdämpfen. Nach dem Dombesuch schlenderten wir über den Wochenmarkt auf dem Marktplatz. Die Münsteraner essen hier entweder Kartoffelpuffer mit Apfelbrei oder Erbsensuppe. Wir machen das auch.
Friedenssaal des Historischen Rathaus im katholischen Münster mit einer Menora, Foto: Eldad Stobezki
Gemüse, Obst, Fleisch, Fisch – alles frisch und nur halb so teuer wie in Frankfurt. Die Nähe zu den Niederlanden macht sich durch die vielen Käsestände bemerkbar. Die Menschen kennen sich, sie plaudern miteinander. Die Welt scheint noch in Ordnung zu sein.
Mit Gelassenheit führen die Münsteraner ihre Besucher in den Friedenssaal im historischen Rathaus, darunter viele hochrangige Politiker. Ich würde vorschlagen: Alle Kriege dieser Welt sollten in diesem Raum beendet werden.
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ Clemens August,Graf von Galen ,Bischof von Münster (von 1933 bis 1946) , Foto: Eldad Stobezki
Mit einer Gruppe unterwegs zu sein, erfordert stoische Ruhe. Ständig wartet man auf jemanden. Noch einmal zur Toilette, die Sonnenbrille im Zimmer vergessen, und wo ist die Wasserflasche? Endlich bewegt sich die Kolonne. Auf Godot wartet niemand.
*Anm. der Red.: (Annette von Droste-Hülshoff)
Der seit 1979 in Frankfurt lebende
israelische Literaturwissenschaftler und Linguist
Eldad Stobezki vertritt mit seiner
Agentur Mutatis Mutandis
(www.stobezki-literatur.de)
Literatur aus Israel.
Demnächst erscheint sein Buch
„Rutschfeste Badematten und koschere Mangos“
eine Sammlung köstlicher Miniaturen
und Alltagsbeobachtungen im Verlag edition w.
Das Nachwort schrieb Maria Gazzetti, die frühere
Leiterin des Frankfurter Literaturhauses und
spätere Direktorin der Casa di Goethe in Rom.