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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“ beim Festival d’Aix-en-Provence

Kraniche unterm Sternenhimmel von Aix

Simone Hamm über Andrea Breths grandiose Inszenierung

Unterm Sternhimmel im großen Freilichttheater Theâtre de L’Archevéché wird Giacomo Puccinis Madama Butterfly gezeigt. Die sechzehnjährige Cio-Cio San, gennant Butterfly hält sich für die glücklichste Frau Japans, weil der amerikanische Marineoffizier Pinkerton sie heiratet. Für ihn ist es ein Spiel, er weiß, dass diese Hochzeit in Amerika nicht anerkannt werden wird und will nach seiner Rückkehr aus Nagasaki ohnehin eine Amerikanerin heiraten…

„Madama Butterfly“ Festival d’Aix-en-Provence 2024 © Ruth Walz

Allen ist klar, dass diese Geschichte nicht gut enden wird, nur Cio-Cio San nicht.

Andrea Breth interpretiert die Oper nicht neu. Die Personen bleiben dieselben, die Puccini geschaffen hat. Breth hat diese Geschichte von Imperialismus und Frauenverachtung wie ein Kammerspiel inszeniert.

Gerade weil ihre „Butterfly“ nicht bunt und exotisch ist, gerade, weil sie sich auf kleine Details konzentriert, wirkt die Grausamkeit der amerikanischen Männer noch schrecklicher, noch unbarmherziger.

Ganz langsam erscheint Ciao-Ciao San auf einem sich bewegenden Laufband. Da singt sie fast reglos. Schwarzgekleidete japanische Tänzer und Tänzerinnen tragen Lampions herein oder führen hölzerne Kraniche an langen Stäben. Das sind – so wie auch die stilisierten, exakten Bewegungen –  japanische Motive, aber es ist alles andere als Japonismus, als „Aneignung“.

Masken lugen durch die Fenster. Sie symbolisieren Butterflys Familie. Die dazugehörenden Stimmen kommen aus der Dunkelheit, die Sänger sind fast nicht zu sehen (Licht: Alexander Koppelmann). Die Farben der Kostüme sind gebrochen, Ciao-Ciao San trägt einen verblichenen weißbraunen Kimono – das weist auf etwas längst Vergangenes hin. (Kostümbild: Ursula Renzenbrink). Es ist eine magische, leise, verschlossene Welt. Eine Welt, in der alle sich ganz langsam bewegen und oft innehalten. Auch der kleine Raum, in dem Butterfly mit ihrer Dienerin Suzuki vor einem goldenen Paravant sitzt, wirkt manchmal wie ein Tableau (Bühnenbild: Raimund Orfeo Voigt).

„Madama Butterfly“ Festival d’Aix-en-Provence 2024 © Ruth Walz

Demgegenüber stellt Breth die raue Welt von Pinkerton und den anderen Männern dar: Breitbeinig sitzen sie da und trinken Whiskey. Pinkerton kann seine Gier kaum zügeln, der Konsul gibt sich verständnisvoll, ist aber letztlich ein kalter Bürokrat. Pinkerton läßt sich von Butterflys Dienerin Suzuki die Füße waschen und nimmt sie dabei noch nicht einmal wahr.

Andrea Breth, so steht es im Programmheft, sagt, dass sie sich nicht auskenne in der japanischen Kultur. So stellt sie Butterflys Gefühle in den Mittelpunkt: ihre Träume, ihr Sehnen, ihre Verständnislosigkeit. Butterfly kann Pinkerton nicht verstehen und Pinkerton bleibt Butterfly fremd.

Daniele Rustioni und das Orchester der Oper Lyon unterstreichen diese Blickweise Andrea Breths. Sie spielen langsam, als wollten sie das grausame Ende herauszögern und schaffen so eine dramatische Spannung. Auch Rustioni legt Wert auf jedes Detail.

Die albanische Sopranistin Ermonela Jaho gilt als die Butterfly schlechthin. Sie ist ausdrucksstark in ihrer Stimme, musikalisch sehr präzise. Sie kann sich zurücknehmen und natürlich auch glänzen und, wenn sie im zweiten Akt ihre große Arien „Un bel dì, vedremo“ singt, dann gibt es im Publikum kein Halten mehr, langanhaltender Szenenapplaus.

Mezzosopranistin Mihoko Fujiymura als Suzuki mit ihrer warmen Stimme bringt Ruhe in das dramatische Geschehen, vor allem aber Menschlichkeit und Güte. Sie ist weise und stark, eine sehr bewegende Suzuki.

Tenor Adam Smith als Pinkerton singt energisch und so sonnig und blauäugig, wie er sein soll. Bariton Lionel Lhote bleibt stets ein kühler Konsul.

Andrea Berths Inszenierung, die ganz ins Innere der Personen geht, ist einfach grandios.

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