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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Historisches Museum Frankfurt zeigt „Stadt der Fotografinnen – Frankfurt 1844–2024“ (2)

Die Fotografie als emanzipatorisches Medium

Von Hans-Bernd Heier

Frankfurt zieht seit der Erfindung der Fotografie Fotografinnen an, die mit regionalen, nationalen und internationalen Werken Fotogeschichte geschrieben haben. Erstmals werden in der großen Schau „Stadt der Fotografinnen“  im Historischen Museum Frankfurt herausragende Arbeiten von rund 40 Fotografinnen der Mainmetropole präsentiert. „Über den Dialog der gezeigten Werke bilden sich generationenspezifische, aber auch immer wiederkehrende Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Themen und Fotogattungen heraus. Der urbane Raum wird dabei als sozialer, politischer und kultureller Ort ins Bild gesetzt und ist zugleich Motor wie Zielpunkt fotografischer Aktivität und Kreativität“, so Dr. Dorothee Linnemann, Projektleiterin und Kuratorin der Fotografischen Sammlung des Historischen Museums.

Ilse Bing „Selbstporträt der Fotografin Ilse Bing mit Leica im Spiegel“, 1931

Die Entwicklung zur internationalen Großstadt ist seit der Industrialisierung eng verknüpft mit der Entwicklung des Mediums Fotografie, aber ebenso mit der gesellschaftlichen wie künstlerischen Emanzipationsgeschichte von Fotografinnen. Für den scheidenden HFM-Direktor Dr. Jan Gerchow ist die „Fotografie geradezu ein emanzipatorisches Medium“.

Frankfurt als künstlerisches, berufliches und lebensweltliches Schaffenszentrum der Fotografinnen war und ist dabei viel mehr als eine zufällige Koinzidenz des Orts: Hier entstehen bis heute vielfältige Ausbildungs-, Arbeits- und Wirkungsmöglichkeiten für sie.

Die Wirkungsfelder der Fotografinnen und Fotokünstlerinnen decken alle Genres des fotografischen Mediums ab, vom Bildjournalismus über die Architektur-, Mode-, Porträt- und Theaterfotografie bis hin zu künstlerischen Fotokonzeptionen.

Viele in ihrer Zeit bekannte Fotografinnen sind aber bisher kaum in der breiten Öffentlichkeit gewürdigt worden. Um die Bandbreite ihres vielfältigen Wirkens zu dokumentieren, wird im Historischen Museum die gesamte Sonderausstellungsfläche für diese großartige Werkschau mit rund 450 regionalen, nationalen und internationalen Exponaten bespielt.

Atelier Julie Vogel „Marie de Sacha“, 1848 © HMF

Die von Katharina Böttger, Dorothee Linnemann, Ulrike May, Christina Ramsch und Bettina Schulte Strathaus kuratierte Schau präsentiert chronologisch Frankfurter Fotogeschichte unter besonderer Berücksichtigung des fotografischen Wirkens von Frauen. Frühe Fotopionierinnen wie Julie Vogel sind ab den 1840er Jahren in Frankfurt tätig. In der Kaiserzeit entstehen die ersten selbständig von Frauen geführten Fotoateliers, wie von der Porträt- und Theaterfotografin Katharina Culié. Durch das „Neue Frankfurt“ in den 1920er Jahren wird kultureller und gesellschaftlicher Wandel vorangetrieben, von dem unter anderen die Fotografinnen Grete Leistikow, Jeanne Mandello und Ilse Mayer Gehrken beeinflusst werden. Emanzipation und Aufbruch stehen neben Exil und Zerstörung – hier sind eindrucksvolle Werke von Ilse Bing, Emy Limpert, Elisabeth Hase, Hannah Reeck und Marta Hoepffner zu sehen.

Grete Leistikow „Palmengarten-Gesellschaftshaus“, 1929 © HMF

Die Fotokunst der Nachkriegszeit bestimmten nachdrücklich Hoepffner und ihre Lebensgefährtin Irm Schoffers mit ihrem Werk. Von da ab spielen auch die Themen Mode, hier dargestellt durch das Werk von Lilo Gwosdz, und Architektur im Schaffen zahlreicher Fotografinnen wieder eine wichtige Rolle.

Marta Hoepffner „Selbstporträt im Spiegel“, 1941; © HMF

Das im Wandel befindliche Stadtbild steht bis heute im Fokus einer Reihe von Fotografinnen, so im Werk von Ursula Edelmann, die besonders den fotografischen Blick auf die 1950er Jahre prägt. Das setzt sich in der jüngeren Fotografie ab den 1980er Jahren fort, etwa durch Laura J. Padgett mit ihren fotokünstlerischen Untersuchungen historischer Bauten oder Meike Fischer mit einem gesellschaftspolitischen Blick auf aktuelle Neubauprojekte. Verdiana Albano hingegen fokussiert aktuell den städtebaulichen Wandel in globaler Perspektive.

Ursula Edelmann „Treppe im Römer“, 1962  © Ursula Edelmann

Als weitere Querschnittsthemen neben dem sich wandelnden Stadtbild reizt die Fotografinnen immer wieder die innovative Theater- und Kulturszene der Mainmetropole. Auch der sachliche Blick auf soziale Themen und politischen Protest findet sich in Arbeiten von Gisèle Freund oder der Freundin Ilse Bing und Ella Bergmann-Michel und später der Pressefotografinnen Inge Werth, Erika Sulzer-Kleinemeier, Gerda Jäger-Link und Abisag Tüllmann sowie Barbara Klemm. Ein weiteres Querschnittsthema, das die Fotografinnen seither jeher gereizt hat, sind Selbst- und Fremdporträts, in denen sie sich mit der eigenen Rolle sowie mit der gesellschaftlichen Situation von Frauen auseinandersetzen.

Erika Sulzer-Kleinemeier „Während der Verleihung des Friedenspreises… 1968“  © HMF

In der Angewandten Fotografie und Fotokunst gehen Mara Eggert, Annegret Soltau, Gabriele Lorenzer, Gisa Hillesheimer oder Irene Peschick schon seit den 1960er Jahren neue Wege. Susa Templin, Christiane Feser und Sandra Mann sind seit den 1990er Jahren in der internationalen Ausstellungs- und Fotoszene vernetzt. Die künstlerische Ausbildung von Fotografinnen an der HfG Offenbach sowie der Städelschule zeigt, dass sich Frankfurt von einem Zentrum der Pressefotografie nach 1945 zu einem Ort der Fotokunst der Gegenwart entwickelt hat. Das verdeutlichen die vielfältigen Werke von Ana Paula dos Santos, Lilly Lulay, Laura Schawelka, Asli Özdemir und Wagehe Raufi.

Asli Özdemir „ich – Offenbach, Almanya – Dezember 2022“, Inkjetprint, Offenbach 2022; © Asli Özdemir

In dem exzellenten, im Wienand Verlag erschienen Begleitbuch sind nicht nur alle gezeigten Fotoarbeiten abgebildet, sondern es informiert auch über die Biografien der Fotografinnen und Fotokünstlerinnen. Außerdem bieten profunde Essays der Kuratorinnen vertiefende Einblicke in deren fotografisches Werk. Der 320-seitige großformatige Katalog kostet 45 Euro.

Die soziale, politische und künstlerische Dimension der Werke und Lebenswege der Fotografinnen wird durch Diskussionsveranstaltungen und „Artists Talks“ im Begleitprogramm thematisiert. Eine Filmreihe in Kooperation mit dem Filmmuseum des Deutschen Filminstituts in Frankfurt nimmt die Wechselwirkung von Fotografie und Film in den Blick und bietet Einblicke in die Filmbiografien der Fotografinnen.

 

Alle Abbildungen: Historisches Museum Frankfurt

Ergänzt wird die sehenswerte Ausstellung „Stadt der Fotografinnen. Frankfurt 1844–2024“ im Historischen Museum Frankfurt von einem reichhaltigen Veranstaltungsprogramm und einem opulenten Begleitbuch.Sie  ist noch bis zum 22. September 2024 zu sehen und ist zudem Kooperationspartner der Triennale der Fotografie RAY 2024: ECHOES.

Gefördert wird die Schau von der Art Foundation Lucerne, dem Kulturfonds Frankfurt RheinMain und der Kulturstiftung der Länder und ; weitere Informationen unter: https://historisches-museum-frankfurt.de/stadt-der-fotografinnen

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