Bedeutende Bronzeplastik „Fressender Löwe“ von Rembrandt Bugatti nun im Städel
Erwerbung zum 125. Jubiläum des Städelschen Museums-Vereins
Der Städelsche Museums-Verein, der am 27. Juni 1899 gegründet wurde, ist heute einer der ältesten und größten Fördervereine eines deutschen Museums. Sein 125-jähriges Bestehen feiert er mit einer bedeutenden Erwerbung: der Bronzeplastik Fressender Löwe von Rembrandt Bugatti (1884–1916). Zuletzt waren im Städel Museum Plastiken des Bildhauersim Jahr 2020 in der Sonderausstellung „En Passant. Impressionismus in Skulptur“ zu sehen. Die Jubiläumserwerbung gelangt als Leihgabe des Fördervereins in die Sammlungspräsentation „Kunst der Moderne“ des Städel Museums und ist nun im Impressionisten-Saal im Dialog mit Plastiken von Edgar Degas und Auguste Rodin zu sehen.
Ausstellungsansicht: Rembrandt Bugatti Fressender Löwe (Lion couché dévorant), 1908, Foto: Städel Museum – Norbert Miguletz
Mit dieser Figur aus dem Jahr 1908 erhält das Frankfurter Städel Museum ein Hauptwerk des italienischen Künstlers und kann seinem Publikum nun – als eines von nur zwei Museen in Deutschland – eine Bronze dieses herausragenden Bildhauers präsentieren. Die Plastik wurde vom Städelschen Museums-Verein mit Mitteln von Volker Westerborg und privaten Spenden erworben. Zuvor gehörte der Fressende Löwe zur Kunstsammlung des französischen Schauspielers Alain Delon, der eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen von Werken Rembrandt Bugattis besitzt.
Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums ist begeistert: „Rembrandt Bugatti zählt zu den größten bildhauerischen Talenten der Kunstgeschichte. Bis zu seinem frühen Tod mit 31 Jahren schuf er ein unvergleichliches Gesamtwerk von etwa 300 Plastiken, unter denen der Fressende Löwe aus der Sammlung von Alain Delon eine der wichtigsten ist. Wie stets hat Bugatti in nur einem Arbeitsgang von wenigen Stunden das Wesen, die Erscheinung und die Anspannung seines Modells in ein plastisches Werk übertragen, das die Grenzen von Gegenstand und Abstraktion sprengt und aufzulösen scheint. Der Fressende Löwe ist ein Meilenstein der Skulptur im frühen 20. Jahrhundert und ein außerordentlicher Zugewinn für das Städel Museum. Meine Glückwünsche gelten dem Städelschen Museums-Verein für diese besondere Jubiläumserwerbung. Danken möchte ich zudem Véronique Fromanger, Paris, und Edward Horswell, Sladmore Gallery London, für ihre selbstlose Begleitung dieses exzeptionellen Ankaufes“
Und Sylvia von Metzler, Vorsitzende des Vorstands des Städelschen Museums-Vereins sagt: „Seit 125 Jahren unterstützt der Städelsche Museums-Verein das Städel Museum durch Erwerbungen bei der Ergänzung seines Sammlungsbestandes, bei publikumswirksamen Sonderausstellungen oder Forschungs- und Restaurierungsvorhaben.“ Sie freut sich über den Ankauf dieser „herausragenden Skulptur von Rembrandt Bugatti“ und dankt den mehr als 10.000 Mitgliedern und Kunstfreunden, die auf vorbildhafte Weise gezeigt hätten, „wie bürgerschaftliches Engagement für das Städel Museum aussehen kann“.
Maßgeblich ermöglicht wurde die Erwerbung durch eine großzügige Spende von Volker Westerborg (1940–2022), der sowohl das Städel Museum als auch den Städelschen Museums-Verein bedacht hat. Westerborgs Förderschwerpunkt lag auf Werken von Künstlern, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben verloren haben und deren Gedenken an die Folgen des Krieges gemahnen sollte. Mit einem Hauptwerk von Rembrandt Bugatti, der sich 1916 unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges das Leben nahm, entspricht und würdigt das Städel Museum damit erneut Westerborgs Mäzenatentum. Zuvor konnte dank Westerborgs Unterstützung das Gemälde Astrale Komposition VI, 1912 von Wilhelm Morgner erworben werden.
Über den Künstler
Rembrandt Bugatti, 1884 in Mailand geboren, zählt zu den signifikantesten Bildhauern des 20. Jahrhunderts. Als Sohn des berühmten Designers Carlo Bugatti und Bruder des legendären Automobilkonstrukteurs Ettore Bugatti zeigte er bereits in jungen Jahren außergewöhnliches Talent für die Bildhauerei, insbesondere für die Darstellung von Tieren. Ohne Kunststudium erlernte er die Techniken der Bildhauerei und wurde dabei von Künstlern wie dem Bildhauer Paolo Troubetzkoy und seinem Onkel, dem Maler Giovanni Segantini, gefördert. Beide Künstler sind in der Sammlung des Städel Museums vertreten; ihre Werke waren gemeinsam mit Bugattis Arbeiten Teil der Ausstellung „En Passant. Impressionismus in Skulptur“, die das Städel 2020 präsentierte.
1903 zog die Familie Bugattis nach Paris, wo er den Zoologischen Garten im Jardin des Plantes entdeckte – im selben Jahr und am selben Ort sollte Rainer Maria Rilke sein Gedicht „Der Panther“ schreiben, das zur Parabel auf die Seelenqualen einer gefangenen Kreatur geworden ist. Rembrandt Bugatti begann, Tiere in ihren natürlichen Bewegungen ebenso zu studieren wie in ihrem durch Gefangenschaft gezeichneten Verhalten. Seine präzisen Beobachtungen übertrug er vor Ort in raschen Arbeitsschritten in Tonmodelle.
Rembrandt Bugatti Fressender Löwe (Lion couché dévorant), 1908 Guss 1908, A. A. Hébrard, Paris; Exemplar 1/3 Bronze, 28 × 93 × 38 cm erworben 2024 anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des Städel-Vereins mit Mitteln von Volker Westerborg sowie privaten Spenden, Eigentum des Städelschen Museums-Vereins
1907 zog er nach Antwerpen und modellierte im dortigen zoologischen Garten. Gegossen wurden seine Plastiken bei seinem Galeristen Adrien-Aurélien Hébrard, der die führende französische Gießerei seiner Zeit besaß. Der Bronzegießer Albino Palazzolo, der die Familie Bugatti von Mailand nach Paris begleitet hatte, gilt bis heute als einer der talentiertesten Bronzegießer des 20. Jahrhunderts.
Während des Ersten Weltkriegs erlebte Bugatti den Zusammenbruch des Kunstmarktes und arbeitete als Lazaretthelfer im Antwerpener Zoo. Dort wurde er auch Augenzeuge der Notschlachtung von Zootieren aufgrund von Futtermangel. Diese traumatischen Erlebnisse führten dazu, dass er sich 1916 im Alter von nur 31 Jahren das Leben nahm. Sein tragischer Tod beendete eine vielversprechende Künstlerkarriere vor der Zeit, dennoch hinterließ er ein beeindruckendes Gesamtwerk von rund 300 Werken, darunter das herausragende Stück Fressender Löwe.