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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ein Festtag für Wiesbaden: Das Museum Reinhard Ernst ist eröffnet

Das noble Kunst-Geschenk an der Wilhelmstraße soll Kreativität anfeuern und beflügeln

Von Uwe Kammann

Das Überflüssigste beim neuen Museum Reinhard Ernst? Dass irgendjemand meinte, diesem so klaren, kristallinen Bau – ein wahres Auftakt-Ausrufezeichen an der Wiesbadener Wilhelmstraße – einen Spitznamen geben zu müssen, einen, den viele Medien ohne kritische Distanz eilfertig als Bürgererfindung weiterreichen: Zuckerwürfel. Doch wer vom Marketing-Firlefanz absieht, der wird schlicht konstatieren: wirklich, ein strahlend schönes Museum ist in drei Planungs- und fünf Baujahren entstanden. Eines, das trotz seiner mächtigen Kuben den Boulevardrahmen nicht sprengt; und das trotz großflächiger, nur sparsam rhythmisierter Fassaden nicht erdrückend und abweisend, sondern durchaus leicht wirkt – was vor allem der Verkleidung mit hellweißen (‚Bethel White’) per Hammerbearbeitung leicht aufgerautem Granitplatten zu verdanken ist.

Das auf dem Bildschirm projizierte Gebäude, Foto: Uwe Kammann

Natürlich, dieses in den Fugen akkurat verarbeitete Material verleiht dem Bau Noblesse und Eleganz, Eigenschaften, die sich auch im Inneren in jedem Detail zeigen. Soviel Sorgfalt, soviel Materialgüte, soviel handwerkliche Perfektion – von den schallschluckend verputzten Wänden bis zu den leicht versenkten, äußerst handschmeichlerischen Treppenläufen und den dämpfenden Parkettböden – wird man so schnell nicht wiederfinden, wenn überhaupt. Eine Kathedrale der Kunst? Das wirkt abgegriffen.

Aber zweifelsfrei gilt: Der japanische Architekt Fumihiko Maki hat ein eigenständiges Kunstwerk geschaffen, das aber – anders als beispielsweise das Gehry-Museum in Bilbao – den ausgestellten Kunstwerken nicht die Schau stiehlt, sondern sie durch jeweils ideal proportionierten Säle und Räume bestens zur Geltung bringt, ja, sie sogar wie in einem lesbaren Dialog noch steigert.

Dem japanischen Architekten Fumihiko Maki gewidmet: Die Entstehung des Gebäudes, Foto: Petra Kammann

Jeder der vielen Tausend Besucher, die am Eröffnungssonntag (23. Juni) das Haus nach geduldiger Warterei Saal für Saal voller Staunen und sichtbarer Begeisterung durchstreiften, wird dem Urteil zustimmen: Der Bauherr und Mäzen Reinhard Ernst, welcher dieses große Geschenk an die Öffentlichkeit erfunden und durchgesetzt hat, der es auch weiterhin als rein private Institution betreiben und unterhalten wird, hat gut daran getan, ganz auf seine langjährige Freundschaft zu Maki zu setzen und diesen vielfach ausgezeichneten, international gefragten Baumeister mit dem Entwurf seines Museums zu beauftragen, ganz ohne Wettbewerb.

Blick in die Maki-Ausstellung, dort am Ende Foto einer der zahlreichen Begegnungen von Reinhard Ernst und Fumihiko Maki, Foto: Petra Kammann 

Dass Maki im hohen Alter von 95 Jahren Anfang Juni gestorben ist, bewegt Reinhard Ernst tief, das wurde auf dem Eröffnungsfest mehr als deutlich. Aber ebenso erlebbar war an diesem sonnigen Sonntagmorgen in jedem Moment die Freude, nach der langen Planungs- und Bauzeit nun endlich die so noble Hülle für die seit vielen Jahren aufgebaut hochkarätige Sammlung des Unternehmers zu präsentieren – eine Sammlung, die ganz unter dem Schwerpunktbegriff Abstraktion zusammengestellt ist, mit allen großen Namen aus den USA, Europa, Japan. 1000 Werke sind es insgesamt. Zu sehen sind zum Auftakt gut sechzig, alle zwei Jahre soll die Präsentation aus dem großen Repertoire (Schätzwert: 160 Millionen Euro) wechseln.

Blick in den großen Ausstellungsraum, Foto: Petra Kammann

Die Bedingungen für die Werke sind perfekt, nicht zuletzt, weil viele Räume (vor allem ein 14 Meter hoher, in einer Glaspyramide auslaufender Saal) der Tendenz vieler Künstler entgegenkommen, auf Größtformate zu setzen. Jetzt, zum Auftakt, sind die Bilder und auch dreidimensionalen Objekte nach einem Hauptkriterium zusammengestellt: Es geht um den Rausch der Farbe – die ja als Urelement der abstrakten Kunst eine Eigengesetzlichkeit beschwört: sich ganz einer interpretationsoffenen Anmutung und Materialität hinzugeben, ohne jedes Vorverständnis, ohne jede inhaltliche Vorprägung.

Heute großer Medienrummel um Reinhard Ernst, Foto: Petra Kammann

Gerade dieses Freiheitsmoment hoben sowohl Reinhard Ernst als auch Museumsdirektor Oliver Kornhoff in ihren Eröffnungsreden mehrfach hervor. Sie sehen darin auch eine anfeuernde, die Phantasie und  Kreativität beflügelnde Kraft. Eine Energie, die sie vor allem auch als Kern einer offenen Bildung sehen, welche eine Gesellschaft nicht nur bereichere, sondern welche sie auch elementar benötige. Eine ganz konkrete Schlussfolgerung daraus: Das neue Museum setzt auf umfassende Vermittlungsformen gerade für Kinder und Jugendliche.

 

Museumsdirektor Dr. Oliver Kornhoff , Foto: Petra Kammann

Die Morgenstunden werden ganz und gar Schülerbesuchen gewidmet sein, junge Menschen unter 18 Jahren brauchen keinen Eintritt zu zahlen, es werden Labore und Mitmach-Kreise angeboten, Führungen und leicht zugängliche digitale ‚Übersetzungen’ sollen helfen, ganz individuelle Zugänge zu finden. Und schon das Foyer gehorcht diesem Grundprinzip: Es ist frei zugänglich – und eröffnet damit schon Blicke auf ein zentrales Kunstwerk von Eduardo Chillida im gläsernen Innenhof, gleich neben einem eigens gepflanzten, 60 Jahre alten japanischen Fächerahorn.

Der untere Bereich ist demnächst am Vormittag den Schülern und ihrer Kreativität vorbehalten, Foto: Petra Kammann

Ernst fasste die Ziele all’ dieser Überlegungen in einem Begriff zusammen: Es gehe um eine „soziokulturelle Einrichtung“, als nun endlich Realität gewordene Vision. An anderer Stelle klang es auch überaus sympathisch, dass es hier um einen Herzenswunsch gehe. In einem Radiointerview gab der Bau- und Museumsherr sogar Intimes preis: Seine Frau Sonja und er hätten sich eigentlich vier Kinder gewünscht – nun sei dieses Haus an die Stelle getreten.

Mehr als verständlich natürlich, dass Wiesbadens Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende ein übergroßes Danke an den Mäzen entrichtete, der alleine in den Bau gut 80 Millionen Euro investiert hat. Wer allerdings die Kostenexplosionen bei Kulturbauten in Deutschland betrachtet – eine Milliarde ist inzwischen ein gängiger Normalwert –, der wird diese Summe als erstaunlich niedrig einschätzen, gerade auch wegen der außerordentlichen Qualität im Ganzen und in jedem Detail.

Großer Dank und hohes Lob kam von Wiesbadens OB Gert-Uwe Mende, Foto: Petra Kammann

Gary Kamemoto, der als führender Mitarbeiter (Principal)  von Maki den Bau über viele Stationen auch in Wiesbaden betreut hat, muss lächeln, als das Gespräch auf die Kosten kommt. Vergleichsmöglichkeiten hat er einige, denn Maki and Associates hat allein neun Museen weltweit gebaut, das jetzige in Wiesbaden ist das zehnte (und das erste in Europa). Zu den Überzeugungen Makis (der 1993 mit dem hochrenommierten Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde und der in New York am symbolgetränkten Ground Zero ein Hochhaus gebaut hat) gehört, dass Architektur nicht selbstherrlich auftrumpfen, sondern menschenfreundlich sein soll – in durchaus dienender Funktion. Was einen hohen künstlerischen Anspruch nicht ausschließt, ganz im Gegenteil.

Gary K. Kamemoto, der Principal des japanischen Architekturbüros Maki and Associates, Foto: Petra Kammann

Dass zur Entwurfskunst, die ganz beim japanischen Büro lag (das gut fünfzig Mitarbeiter umfasst), auch als Teil B der Gesamtoperation eine qualitätswahrende Ausführung kommen muss, wird leicht übersehen. Aber sie ist von größter Wichtigkeit. Hier hat das Frankfurter Büro Schneider+Schumacher diesen Part übernommen, kongenial auch insofern, als es mit ebenso viel Herzblut wie professionellem Können die gar nicht so einfach zu erfüllenden Qualitätskriterien in jeder Phase und ohne Kompromisse durchzusetzen galt..

Das Motto von Sonja und Reinhard Ernst durchzieht das Gebäude, Foto: Petra Kammann

Auch dies gehört zur jetzt als Kunst zu erlebenden Erfolgsgeschichte des 1945 in Eppstein geborenen Reinhard Ernst, der – Sohn eines Arbeiters und einer Hausfrau – eine in in Limburg ansässige Produktion von „Antriebstechniken“ (so für Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau und Medizinanwendungen) so erfolgreich managte, dass beim Verkauf der Firma ein mehr als beträchtliches Vermögen heraussprang, das zum Grundstock der 2004 gegründeten Reinhard & Sonja Ernst Stiftung wurde.

Blick in den gläsernen Innenhof, Foto: Petra Kammann

Weit mehr als das Geld, das für die stetig wachsende Sammlung abstrakter Kunst die nötige Basis schuf, war allerdings eines die Voraussetzung für die jetzt so strahlend helle Schatzkammer der Kunst: eine mit aller Glut erwachte Leidenschaft. Wie gut, dass jetzt Liebhaber in aller Welt daran teilhaben können.

 

Museum Reinhard Ernst

Wilhelmstraße 1

65185 Wiesbaden

Öffnungszeiten Tickets

Di-So 12:00-18:00 Uhr Regulär 14 €

Mi 12:00-21:00 Uhr Ermäßigt 12 €

Montags geschlossen

Jahreskarten ab 45 €

Freier Eintritt für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren

Kostenfreier Nachmittag für alle von 15:00 bis 18:00 Uhr

am letzten Dienstag des Monats ab Juli 2024.

Führungen unter:

https://www.museumre.de/de/besuch/fuehrungen/

Der Museumsshop öffnet am 23. Juni 2024.

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