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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Crespo Haus der Fotografin, Psychologin und Stiftungsgründerin Ulrike Crespo (1950–2019) kann ab sofort bespielt werden

Eine transparente Werkstatt im Herzen der Stadt

Von Petra Kammann

Mit der Crespo-Foundation unterstützt – so das Vermächtnis von Ulrike Crespo, Enkelin des Wella AG-Gründers Karl Ströher – Menschen, die nachteilige Startbedingungen haben, aber ihren eigenen Werdegang bewusst selbst gestalten wollen. Untergebracht war die Stiftung zuletzt wenig sichtbar im „Haus des Buches“ in der Braubachstraße. Nun aber ist sie umgezogen in ein denkmalgeschütztes, rundumsaniertes und weiterentwickeltes Haus aus den 1950er Jahren in der Weißfrauenstraße. Gelegen zwischen Theaterdoppelanlage, Römer und Paulskirche, in der Nähe der SCHIRN, dem Frankfurter Kunstverein und dem Museum MMK für Moderne Kunst und in unmittelbarer Nachbarschaft des Karmeliterklosters und damit des Instituts für Stadtgeschichte soll das Crespo Haus als Scharnier zwischen Bahnhofsviertel und Neuer Altstadt als offener Begegnungsort wirken. Die durchlässige Architektur spiegelt das Anliegen der Stiftung und macht es im Stadtbild sichtbar.

Zwischen dem historischen Gebäude des Karmeliterklosters und dem Crespo Haus wurde eine gläserne Verbindung geschaffen, Foto: Petra Kammann

Noch wird in und an dem Gebäude, einst ein Elektrogeschäft und ein Reisebüro, das Anfang Mai am Anfang der Weißfrauenstraße / Ecke Seckbächergasse frisch bezogen wurde, gewerkelt. Umzugskisten werden während  des „Soft Opening“ als Abstellfläche benutzt und wieder verschoben. Die offizielle Eröffnung wird dann entültig mit einem einwöchigen Festival im Oktober begangen werden. Das Gebäude, das Mitte der 1950er-Jahre vom Architekten und Stadtplaner Ferdinand Wagner (1909–2004) als Geschäftshaus erbaut worden war, wurde inzwischen denkmalgerecht von Schmidt Ploecker Architekten PartG mbB saniert und durch eine zeitgenössisch-kühne architektonische Konstruktion mit aufschwingendem Dach und großen gläsernen Flächen erweitert.

Christian Olaf Schmidt (Schmidt Ploecker Architekten PartG mbB), Foto: Petra Kammann

Zwischen dem traditionellen Karmeliterkloster und dem 50er-Jahre-Bau schwingt sich nun das bald schon begrünte Dach des Neubaus auf und bildet eine Klammer zum Institut für Stadtgeschichte, das dort  beheimatet ist. Sowohl die Entsiegelung  als auch die Dachbegrünung schaffen nicht nur eine gelungene gestalterische Verbindung mit der Gartenanlage vor dem Karmeliterkloster, sondern tragen außerdem noch nachhaltig zum besseren Klima in der Innenstadt bei.

Ein offenes Untergeschoss wurde vom Architekten Schmidt entwickelt mit Treppen, auf denen man sich niederlassen kann, Foto: Petra Kammann 

In bester Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz wurde das zuvor geteilte Gebäude in Erd- und Untergeschoss so zu einem „Open Space“ verbunden. Dieser dient den Projektteilnehmerinnen und -teilnehmern der Stiftungsprojekte sowohl zur Arbeit als auch der Präsentation von Ausstellungen oder von Veranstaltungen. Während die oberen Geschosse des einstigen Geschäftshauses nun als Büros und Co-Working Spaces für das Stiftungsteam und Partnerorganisationen Raum gibt, bietet der Crespo Open Space im Erd- und Untergeschoss vielseitig veränderbare Räume für das Programm der Crespo Foundation und ihrer damit verbundenen unterschiedlichen Partner und Partnerinnen. Diese können dem jeweiligen Nutzen angepasst werden.

Hier aber sollen auch völlig neue Formate entstehen können, die auch öffentlich einsehbar sein sollen, weswegen die großen „Schaufenster“ im alten wie im neuen Gebäude geradezu die Vorbeigehenden zum Hineinschauen einladen.

Dr. Axel May (Mitte), bis vor kurzem Vorsitzender des Stiftungsrates der Crespo Foundation, rechts der Gestalter Michel Müller (Studio mc), Foto: Petra Kammann

„Man kann sich noch gar nicht vorstellen, was für ein Potenzial es hat, an einem solchen Ort zu sein!“, sagte Axel May, langjähriger Berater und Freund von Ulrike Crespo und bis vor kurzem Vorsitzender des Stiftungsrats. Erworben hat die Stiftung das Gebäude in der Weißfrauenstraße 1–3 vor gerade mal zwei Jahren, anderthalb Jahre wurde umgebaut und das Grundstück im Erbbaurecht für 23 Jahre von der Stadt Frankfurt gepachtet. Denn nach Ende der Pachtzeit fällt die Immobilie wieder an die Stadt Frankfurt zurück. Aber sie soll auch weiterhin dauerhaft für kulturelle Zwecke genutzt werden. So jedenfalls lautet der Wunsch der Kulturdezernentin Ina Hartwig, die sich dafür stark gemacht hat. „Wir danken vor allem Ina Hartwig, ohne deren Unterstützung das Vorhaben nicht möglich gewesen wäre“, betonte May daher im Pressegespräch.

Fototermin mit Kulturdezernentin Ina Hartwig auf der Freitreppe, die auf die Straßenebene führt, Foto: Petra Kammann

May war es wohl auch, der den Kauf des Gebäudes und die Sanierung nach einem ersten Entwurf des Architekten Robert M. Wagner  (r|m|w atelier) betrieb und schließlich die Realisierung durch Lang & Cie. Real Estate AG mit dem Frankfurter Architekturbüro Schmidt Ploecker maßgeblich vorangebracht hat. Geht also, wenn man nur beherzt die Dinge anpacken kann. Und da ist zweifellos eine reiche Stiftung im Vorteil gegenüber einer Stadtverwaltung mit multidiversen Interessen.

Ursprünglich war 2001 die Crespo Foundation von der Psychologin und Fotografin als gemeinnützige private Stiftung gegründet worden. Nach einer schweren Krankheit und dem damit verbundenen frühen Tod der Stifterin im Jahr 2019 ging Crespos gesamtes Vermögen an die Stiftung, die nun als Verbrauchsstiftung angelegt ist. Da hatte May, ein langjährig vertrauter Gesprächspartner von Ulli Crespo, wie Freunde sie nannten, sich als geschickter Verhandler erwiesen.

Vorständin Prof. Christiane Riedel führt die Presse durch  die neuen Räume, Foto: Petra Kammann

Was aber bedeutet eine Verbrauchsstiftung? Die Crespo Foundation wird bis zum Jahr 2039 den wesentlichen Teil ihres Vermögens für die Verwirklichung ihrer Stiftungszwecke verwendet haben. Insofern mussten sich die Stiftungsverantwortlichen daher sehr bewusst überlegen, wie sie ihr Vermögen möglichst wirkungsvoll auf Dauer einsetzten wollen, dass es denjenigen, die sie unterstützen, auch dauerhaft von Nutzen ist.

Da erschien es ihnen nach vielen Überlegungen und hausinternen Beratungen sinnvoll, ein nachhaltiges Netzwerk zu schaffen, in dem sie mit mittel- und langfristig erfolgversprechenden gemeinnützigen Organisationen zusammenarbeiten, statt weiterhin einfach nur „Geld zu verpulvern“, was auf Dauer keinem dient. Das entspreche auch dem Anliegen Ulrike Crespos selbst, die keine Stiftung für die Ewigkeit schaffen wollte: „Die Stiftung soll nicht für immer an mich erinnern“, so das geistige Vermächtnis der Stifterin, „sie soll vielmehr nur so lange bestehen, wie man sich noch an mich erinnert.“

Dettloff Schwerdtfeger, Vorstand der Crespo Foundation (Mitte) im Gespräch, Foto: Petra Kammann

Was heißt: Von jetzt an bleiben also noch rund fünfzehn Jahre, in denen Pflöcke eingeschlagen werden können. Dettloff Schwerdtfeger, Vorstand der Crespo Foundation, zieht daraus die Konsequenz: „Wir wollen hier Menschen Möglichkeiten eröffnen und sie in ihren Stärken, ihren Talenten und ihrer Begeisterung fördern, damit sie ihre innere Kraft wahrnehmen, ihr Leben selbstbestimmt führen und unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten können“. So sollen vielmehr Perspektiven für die Nachhaltigkeit ihrer Wirkung entwickelt werden. Denn den vielen sogenannten „Nonprofits“ fehlten häufig die Mittel für eine nachhaltige Organisationsentwicklung. Und genau darin müsse man sie unterstützen.

Und Christiane Riedel, die Vorständin der Stiftung, ergänzte: „Der Open Space soll weniger ein Ausstellungs- und Veranstaltungsraum als vielmehr ein Ort sein, an dem Menschen mit uns zusammenkommen, um in künstlerischer Atmosphäre ihre schöpferischen Potenziale entfalten zu können“, weswegen sie den Raum als gläserne Werkstatt verstehe, „in der wir erfahrbar machen, wofür wir stehen und was wir tun.“

Module an der Decke, welche die Veränderbarkeit des Raumes bewirken, Foto: Petra Kammann

Aus diesem Grund nämlich wurde das Ensemble aus den Fünfzigerjahren um einen großzügigen und gelungenen Anbau im Tiefgeschoss erweitert, in welchem architektonisch geschickt das einst geteilte Gebäude im Erd- und Untergeschoss zu einem veränderbaren Open Space transformiert wurde. Und in diesem Urteil waren sich alle Beteiligten – inklusive des Architekten Christian Olaf Schmidt – einig, sei der oft gescholtene Denkmalschutz sehr verständig und kooperativ gewesen.

Es erschien einleuchtend, dass ein solcher Raum den Projektteilnehmerinnen und -teilnehmern der Stiftungsprojekte zu Arbeit und Präsentation, Ausstellungen und  Veranstaltungen dienen sollte, in dem aber eben auch völlig neue Projekte entwickelt werden können. Denn, so bekräftigte Schwertfeger die Absicht, dass dieser Open Space eben auch völlig neue Formate für die Öffentlichkeit beherbergen können sollte, immer orientiert am Leitbild Ulli Crespos: „Menschen stark machen“

Die Szenografie des Crespo Open Space konzipierte Prof. Dr. Michel Müller (STUDIO MC Darmstadt), Foto: Petra Kammann

Der nach der verstorbenen Stifterin benannte Crespo Open Space solle daher künftig eine erlebbare Verbindung von Kunst, Bildung und Sozialem ermöglichen. Der Architekt und Szenograf  Michel Müller, zuständig für die Innenausstattung, hat daraus die gestalterische Konsequenz gezogen, lauter mobile Wände und Möbel zu entwerfen: Schienen, an die Bilder oder andere Objekte gehängt werden können, fahrbare Tische, die sich umklappen lassen, um den Raum wieder zu vergrößern bis hin zur fahrbaren Kücheneinrichtung. Er hat ein Schienensystem unterhalb der Decke entwickelt, durch das Wände verschoben und Vorhänge heruntergelassen werden können, um Räume auch akustisch so abzugrenzen, dass zwei unterschiedlich stattfindende Veranstaltungen wie Yoga und ein kreativer Workshop mit naturgemäß lärmenden Kindern nebeneinander nicht stören.

Ausstellungen Kreativer werden zu bestimmten Zeiten der Öffentlichkeit zugänglich sein, während zu anderen Zeiten in den künstlerischen Kontext der Ausstellungen Workshops, Arbeitsgruppentreffen und Veranstaltungen integriert werden sollen oder eine kreative Auseinandersetzung mit den Inhalten der jeweiligen Ausstellung stattfinden kann. Hauptsache, sie stehen in enger Verbindung zur Programmarbeit der Crespo Foundation und werden aus ihr heraus entwickelt. Man darf gespannt sein, wie so etwas dann konkret aussieht.

 

Die Stifterin Ulrike Crespo und ihr Motto: „Menschen stark machen“

„Besonders am Herzen liegen mir Künstler, Kinder und alle, die trotz nachteiliger Startbedingungen Herausforderungen mutig annehmen.“

Stifterin Ulrike Crespo (1950–2019), Foto: Crespo-Foundation

 

 

Ulrike Crespo lebte und arbeitete in Frankfurt am Main, Wien und West Cork, Irland. Durch ihren Großvater Karl Ströher, einen bekannten Unternehmer und Kunstsammler, kam sie schon früh in Kontakt mit internationaler Kunst, was sie zum Aufbau einer eigenen Kunstsammlung inspirierte.

Neben einer Ausbildung für Hotel und Tourismus sowie als Europasekretärin begann Ulrike Crespo ein Studium in Französisch für Lehramt, Kunstgeschichte und Archäologie in Lausanne und Genf. Später studierte sie Psychologie in Frankfurt am Main mit einer Approbation als psychologische Psychotherapeutin. Nach verschiedenen Lehrtätigkeiten arbeitete sie rund zehn Jahre lang in Frankfurt als Psychologin.

Ab den 1990er-Jahren setzte sie sich professionell mit Fotografie auseinander, mit einem Schwerpunkt auf Landschafts- und Pflanzenfotografie. Als Fortsetzung ihrer künstlerischen Arbeit gestaltete sie fünfzehn Fotobücher, für die sie mehrfach für den Deutschen Fotobuchpreis nominiert wurde. Zuletzt war eine ihrer Fotoserien zusammen mit Werken von Maria Sibylla Merian und Elisabeth Schulz in der Ausstellung „Floralia“ im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt zu sehen.

Im Jahr 1991 kaufte Ulrike Crespo im Süden Irlands ein rund zehn Hektar großes Gelände an der Küste West Corks, das sich bis ans Ufer der Roaringwater Bay erstreckt. Mit ihrem Partner W. Michael Satke legte sie dort den landschaftsparkähnlichen „Glenkeen Garden“ an, der zum Teil gartenkünstlerisch gestaltet, zum Teil naturbelassen war. In Glenkeen Garden, was im Gälischen so viel wie „Garten des schönen Tals“ bedeutet, entstanden etliche von Crespos Fotoexperimenten und -zyklen. Heute ist er Ort für das internationale Artist-in-Residence-Programm ArtNature/NatureArt.

Als Stiftungsgründerin engagierte sich Ulrike Crespo ab 2001 mit Förderprojekten im Bereich Kultur, Bildung und Soziales. Ihr wichtigstes Anliegen war es, Menschen dabei zu unterstützen, ihre schöpferischen Potenziale freizusetzen, sich als Persönlichkeiten zu entfalten, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Frankfurt und die Rhein-Main-Region waren der Nukleus ihres philanthropischen Engagements. Ihr Wunsch war es, dass das Engagement ihrer Stiftung, die sie als Erbin ihres Vermögens einsetzte und die seit ihrem Tod in einem Wandlungs- und Wachstumsprozess ist, als Teil der Stadt für die Begegnung mit Menschen sichtbar wird – in einem Open Space im eigenen Crespo Haus.

Das Crespo Haus, der neue Sitz der Crespo Foundation im Herzen der Frankfurter Innenstadt, wurde nach der bekennenden Frankfurterin und Stiftungsgründerin Ulrike Crespo benannt. Als charismatische Persönlichkeit und Fotokünstlerin war sie als Teil der Frankfurter Kulturszene selbst sehr bekannt. Als menschenzugewandte Philanthropin initiierte und förderte sie mit ihrer Stiftung vielfältige Projekte unter dem Motto „Menschen stark machen“.

https://www.crespo-foundation.de/

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