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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Luc Peires Wohnhaus und Atelier in Knokke

Der Meister der Vertikale

von Simone Hamm

Knokke an der belgischen Küste. Ich stehe vor einem unscheinbaren Reihenhaus. Das einzige, was mir auffällt, ist, dass es ein Flachdach hat. Als ich eintrete, bin ich überrascht. Überall Licht. Oberlichter. Weiße Wände, weißes Treppenhaus. Bodentiefe Fenster geben den Blick frei auf den Graten mit einer großen Kiefer. Das ideale Ambiente für die klarstrukturierten Bilder des Malers Luc Peire. Peire, 1916 in Brügge geboren, kam vom Expressionismus, reduzierte seine Malerei immer mehr, wurde zum abstrakten Maler.

Schlichte Eleganz und die puristischen Bilder bestimmen Luc Peires Wohnhaus, Foto: Simone Hamm

Peire gilt als Meister der Vertikale. Rote, blaue, gelbe Linien und Flächen bestimmen seine Bilder. Doch sie wirken nicht statisch. Da ist immer ein Lichtspiel, eine Bewegung.

Joost Declercq, der verantwortlich für die Jenny und Luc Peire Stiftung ist, führt mich durch das Haus, in dem Luc Peire einst lebte. Heute kann es besichtigt werden. Es gehört zum MUZEE in Ostende, wie auch das Constant Permeke Haus in Jabekke.

Joost Declercq, Kurator des Luc Peire Hauses, Foto: Simone Hamm

Während des Zweiten Weltkrieges zog sich Peire völlig zurück, malte aber weiter. 1941 hatte er eine große Ausstellung in Brüssel. Joost Declercq findet es ziemlich erstaunlich, dass Peire den Krieg einfach so ausblenden konnte. Schließlich war Belgien seit 1940 von Deutschland besetzt.

Und dann holte der Krieg Luc Peire doch ein. Sein Bruder kommt in deutsche Kriegsgefangenschaft. Seine findigen Eltern üben sanften Druck auf Luc Peire aus.

Die Farben blau und weiß dominieren, Foto: Simone Hamm

Sie baten ihn, einige seiner Werke an die deutsche Militärbesatzung zu übergeben. Im Austausch dafür sollte der Bruder frei kommen. Und so kam es.

Dabei ist die Arbeit von Peire ist nicht unbedingt das, was man in jener Zeit in Deutschland angesagt war. dennoch: So manches, was offiziell als entartete Kunst galt, war etwa in der Kunstsammlung des Propagandaministers Josef Göbbels wohlgelitten.

Nach dem Krieg reiste Peire viel. Am nachhaltigsten haben ihn seine Reisen in den Kongo beinflußt. Ich stehe mit Joost Declercq vor einem dieser Bilder, gerade gleichmässige blaue Streifen auf weißem Grund. Declercq betont, dass da viel mehr zu sehen sei als eben diese Striche, das seien Bewegungen, Tanz, Kostüme. Es gäbe nie eine Art von völliger Stille.

Reisen in den Kongo haben die Farbpalette und Sdie truktur der Bilder verändert, Foto: Simone Hamm

Und wirklich, je länger ich das rein abstrakte Bild betrachte, desto mehr erkenne ich. Ich sehe die bunten Gewänder der Tanzenden, das flirrende Licht.

Dann gehen wir durch den Garten in das Hinterhaus. Hier haben die Peires gelebt. Schlichte Eleganz. Holzböden. Die Farben weiß und blau dominieren. An den Wänden, in den Bildern und auch im Mobiliar, im Blau der Sesselbezüge.

Leise Musik erklingt. Ich folge den Tönen, gehe zurück, ein ganz kleines Stück durch den Garten zu einem Anbau vom Vorderhaus, öffne eine Tür, gelange durch einen kleinen Flur in einen anderen Raum. Was für eine Überraschung!  Es ist ein kleiner, völlig verspiegelter Raum. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hingucken soll. Überall schwarze und weiße Linien, die nicht enden wollen. Ob ich nach unten oder oben gucke, die Linien scheinen grenzenlos zu sein, wie die Drahtseile eines Fahrstuhles, die ins Unendliche führen. Verwirrend und beruhigend zugleich.

Der Meister der Vertikale zieht uns in unendliche Räume, Foto: Simone Hamm

An diesem Tag bin ich tief in die Welt des Luc Peire eingetaucht, Peires Bilder, Peires Lichtspiele, Peires Installation.

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