Berühmte Tanzkompanien in Köln, Bonn und Dortmund
Rasant und auch berührend: Das Nederlands Dance Theater 2 in Köln
Von Simone Hamm
Voller Schwung beginnt der Tanzabend des Nederlands Dance Theater 2, der Kompanie der jungen Tänzer bei Tanz/Köln im Opernhaus.„Bedtime story“ des Choreographen Nadav Zelner ist furioser Tanz. Er zeigt die Momente kurz vorm Einschlafen zwischen Tag und Traum. Die Tänzer scheinen tagsüber eine Menge erlebt zu haben, so dynamisch wie sie kurz vorm Einschlafen tanzen. Zu Musik aus dem nahen Osten (Libanon, Tunesien, Syrien) kommen die schwarz bekleideten Tänzer einzeln oder zu zweit auf die Bühne, drehen sich, drehen einander, werfen sich zu Boden, zucken, springen wieder auf. Gehen schnell von der Bühne und noch schneller treten andere Tänzer auf, ein Reigen von Duetten. Dann wieder tanzen alle zusammen, fassen sich an den Händen, grimassieren, flirten. Viel Erotik ist im Spiel. Ihr Stil reicht von feinem Tanz über halsbrecherische Akrobatik bis hin zu HipHop. Das ist belebend, aufregend.
„Bedtime Story“ von Nadav Zelner, Nederlands Dance Theater 2, Foto: © Rahi Rezvani
„Ten Duets on a Theme of Rescue“ ist eine Choreographie der Kanadierin Crystal Pite zu elektronischer minimaler Musik. Eine Choreographie, die nahe geht. Es beginnt dynamisch mit einem Pas de Deux zweier Männer. Lieben sie sich? Kämpfen sie gegeneinander? Lachen sie miteinander? Lachen sie sich aus? Chrystal Pite spielt mit dem Möglichen, lässt nichts Eindeutiges zu.
„Ten Duets on a Theme of Rescue“ von Chrystal Pite, Foto: © Rahi Rezvani
Es wird ruhiger, sehr viel ruhiger. Ganz langsam, fast elegisch, lassen sich zwei Tänzer zu Boden gleiten, vorsichtig hebt einer einen anderen. Eine Tänzerin hält einer anderen die Hände vors Gesicht, als sei en sie ein Spiegel. Manchmal sind die Tänzer sich sehr nahe, berühren einander nur ganz leicht, eine Hand am Rücken, an der Schulter. Vorsichtig hebt einer einen anderen. Immer wieder versuchen sie vergeblich, sich die Hände zu reichen. Einsamkeit, Hilflosigkeit und vielleicht: Rettung. Ein Mann sinkt zu Boden, der Kopf geht vor und zurück, eine Frau will ihn halten, verhindern, dass er fällt. Das sind außergewöhnliche Duette. Sie zeigen, dass die jungen Tänzer des Nederland Dance Theaters weit mehr beherrschen als athletische Figuren und wilden Tanz. „Ten Duets on a Theme of Rescue“ ist eine wunderschöne, leise, tief berührende Choreographie, einfühlsam getanzt. Ein Höhepunkt des Abends.
Minus 16 von Ohad Naharin, Foto: Daisy Komen
Zum Schluss dann der Klassiker „Minus 16“, den Ohad Naharin fürs Nederlands Dance Theater choreografiert hat. Die Musik ist ein Mix aus Mambo, Vivaldi, dem rhythmischen Pessach Lied „Echad Mi Jodea“. Die Tänzer und Tänzerinnen gehen in einer Reihe über die Bühne, einer tritt vor und spricht, tritt zurück, eine andere kommt aus der Reihe. Sie erzählen in knappen Sätzen aus ihrem Leben, werden Individuen für einen kurzen Moment, bevor sie wieder zur großartigen Kompanie werden.
Die Tänzer und Tänzerinnen tragen schwarze Anzüge und Hüte, weiße Hemden. Sie sitzen auf Stühlen, werfen sich nacheinander nach hinten. Einer springt auf, einer fällt. Immer und immer wieder. Sie springen auf die Stühle. Sie reißen sich die Hüte vom Kopf, die Jacken und Hemden vom Leib, sie werfen die Schuhe in die Mitte.
Am Ende holen die Tänzer und Tänzerinnen Zuschauer auf die Bühne. Es ist ein ausgelassener, fröhlicher Tanz. It’s showtime!
Das Béjart Ballet Lausanne im Dortmunder Opernhaus und an der Bonner Oper bei den Highlights des internationalen Tanzes
Maurice Béjarts Ballette, das waren vor allem wilde oder sehr traurige Männer, Tanzgötter wie Jorge Donn, Dämonen, Helden, Heilige und hingebungsvolle Liebende. Béjarts Ballette waren spektakulär, nie frei von Pathos und packten doch alle. Ganz Brüssel lag ihm zu Füßen. Dann ging er aus unerfindlichen Gründen nach Lausanne. Wenn er nach Brüssel zurückkehrte, gastierte sein Ballett im Forest National, einer Art Zirkusarena, in der bis zu 8000 Menschen Platz haben. Kein anderer Choreograph hat so viele und so viele unterschiedliche Menschen angesprochen.
7 DANSES GRECQUES von Maurice Béjart, Foto: Gregory Batardon
Béjart hat sich anregen lassen von Musik und Tanz aus aller Welt. In Bonn und Dortmund zeigte das Béjart Ballet Lausanne zwei Choreografien des 2007 verstorbenen Maurice Béjarts, ein Eintauchen in Tanzgeschichte. Ballette zu indischer und griechischer Musik.
Bhakti III, 1968 uraufgeführt, ist moderner westlicher Tanz zu traditioneller indischer Musik
Maurice Béjart liebte die Gegensätze. Bhakti wird im Hinduismus die Hingabe an Gott genannt. Bhakti ist liebende Zuwendung. Bhakti III zeigt diese Liebe, hochkonzentriert. Shiva, Gott der Zerstörung und auch des Tanzes (Alessandro Cavallo) und seine Frau Shakti (Solène Burel) sitzen von anderen Tänzern umgeben von einem Kreis. Alle tragen rote Strumpfhosen, sie ein enges rotes Oberteil. Sie umarmt ihn, er hat die Arme erhoben. Sie bewegen sich aus dem Kreis heraus, tanzen langsam hochkonzentriert mit ausholenden Bein- und Armbewegungen. Ihre Sprünge und ihre Pirouetten wirken federleicht, es wirkt, als könnten sie im Sprung, in der Drehung innehalten. Manchmal ist nur die Tabla zu hören, nur Rhythmus, zu dem das Ensemble tanzt. Das über 50 Jahre alte Stück hat so gar nichts Verstaubtes an sich. Bhakti fasziniert noch immer.
Maurice Béjart lernte Griechenland in den frühen Sechzigern kennen und war sofort begeistert von der griechischen Musik, vor allem von Mikes Theodorakis. In seinen „sieben griechischen Tänzen“ zeigt er neoklassischen Tanz mit folkloristischen Elementen. Die gesamte Kompanie steht auf der Bühne, es gibt pas de deux, reine Stücke für Tänzerinnen, einmal sind es 19 Männer, die miteinander tanzen. Dann kommt eine Tänzerin hinzu, durchbricht die Strenge, fügt eine leise Ironie hinzu.
„Alors on dance“ heißt die Choreografie von Gil Roman, dem Nachfolger Béjarts, die er 2022, kurz nach dem zweiten Corona Jahr in Lausanne uraufführte. Nichts als die Freude am Tanz wollte Gil Roman zeigen. Und das war es auch, leichter, zarter, gelöster Tanz, schön anzusehen, aber auch eben nicht mehr.