„Mirror of Thoughts“ – Einzelausstellung von Muntean/Rosenblum in der Sammlung Gegenwartskunst im Frankfurter Städel
Nicht Paare, sondern Passanten
Eine Einzelausstellung des Künstlerduos Markus Muntean und Adi Rosenblum in der Sammlung Gegenwartskunst mit einer Videoarbeit und elf großformatigen Gemälden
von Petra Kammann
Einkaufszentren, Flughafenhallen, Hotels oder Büros. Sie bringen Menschen zusammen und doch? Schaffen Sie auch Verbindungen zwischen ihnen? Das Künstler-Duo beide Jahrgang 1962, hat sich eine blutjunge Generation als Sujet ins Visier genommen. Sind die coolen modisch gestylten Typen gelangweilt, genervt oder voller Melancholie? Was wollen sie uns damit sagen?
Ausstellungsansicht Muntean/Rosenblum. Mirror of Thoughts Foto: Städel Museum – Norbert Miguletz
Betritt man das Metzler-Foyer im unteren Stockwerk des Städel Museums, so empfängt uns eine eigentümlich-irritierende Atmosphäre. Auf kostbar goldfarben gestrichenem Hintergrund – vergleichbar der mittelalterlichen Malerei – hängen großformatige, fast fünf Meter breite Leinwände ohne Keilrahmen, die direkt auf die Wand gepinnt sind. Befremdliche, teils beklemmende Bilder mit Passanten, deren Beziehungen wie in einem Bühnenbild, einem Tableau Vivant, festgehalten sind. Einer der coolen und modisch zurechtgemachten Jugendlichen schaut ausschließlich auf sein Handy, das sein Gesicht in ein Caravaggiohaftes Weiß-Grau taucht. Andrerseits: Der Blick der coolen Typen schweift in unnahbare Ferne.
Ausstellungsansicht
Manche Szenerien erinnern an die sprachlosen und leeren „Nighthawks“, („Nachtschwärmereien“) des US-amerikanischen Malers Edward Hopper (1882 – 1967), der alltägliche Situationen alles andere als idealisiert hat. Lediglich durch die Komposition des Bildes scheinen die Passanten auf seltsame Weise verbunden, wirken aber niemals an anderen interessiert, sind mit sich selbst beschäftigt, denn sie haben ihren Status als Indivuum verloren und mutieren zum Gast, Passagier oder Kunden. Szenen, wie wir sie häufig auch heute im Alltag an den unpersönlichen Transit-Orten wie Bahnhöfen, Flughäfen oder Unterführungen erleben, dort jedoch meist mit geschäftig hastenden Menschen unterschiedlicher Generationen.
„Seit 1992 bewegen sich Markus Muntean und Adi Rosenblum in ihrer figurativen Malerei zwischen den unmittelbaren Phänomenen der Popkultur und den künstlerischen Einflüssen der Vergangenheit. Während ihre Kompositionen fest in der Kunstgeschichte verankert sind, sich auf berühmte Meisterwerke von der Renaissance bis zur Moderne beziehen, sind ihre Figuren voll und ganz der Gegenwart entnommen. Sie stammen aus einem über die Jahre angelegten Bildarchiv, das sich aus Fotografien von Lifestyle-Magazinen, dem Internet oder eigens von den Künstlern veranlassten Fotoshootings mit professionellen Models speist. In ihren in die Malerei überführten Welten versammeln sich die anonymen Protagonisten wie Statisten in einem Bühnenbild.“ So beschreibt Städel-Direktor Philipp Demandt die komplexe zeitgenössische Arbeitsmethode des Künstler-Duos Markus Muntean (*1962 in Graz, Österreich) und Adi Rosenblum (*1962 in Haifa, Israel).
Ausstellungsansicht der Schau „Mirror of Thoughts, Foto: Petra Kammann
Die surrealen Gemälde – zählt nur noch ein optimiertes Bild von Jugendlichkeit in den Medien? – sind eben nicht mit einem Fotorealismus verwechselbar, sondern höchst kunstvoll auf eine neue Art der feinrealistischen Malerei aus Öl und Pastellkreide hergestellt. Bemerkenswert ist jeweils das magische Licht, das die Figuren wie in einem Leuchtkasten erscheinen lässt und einen unbewusst oder besser mehr oder weniger offensichtlich an Vorbilder und einen Gestus der Kunstgeschichte erinnert, vor allem erkennbar an dem Bild von Monets berühmtem Seerosenteich, in dem sie Jugendliche nebeneinander herschwimmen schlafen. So produziert der selbstinszenierte Pathos der Dargestellten das Gefühl von Einsamkeit, Verlorensein und Verlassenheit und entzaubert Gleichzeit das Pathetische.
In der Ausstellung wird auch ein dreieinhalbminütiges Video präsentiert „This is not an exit“ aus dem Jahre 2017, aus dem die Kraft und Anstrengung hervorgeht, die zwei Parcours-Läufer aufbringen müssen, um ein verlassenes modernes Betongebäude zu bezwingen und daher in ihren kurzen Regenerationspausen völlig erschöpft wirken. Das Ganze wird begleitet von einem eigens komponierten repetitiven Soundtrack mit Fragmenten von Passagen aus Gertrude Steins Erzählung „The Making of Americans“ von 1925. Das verweist auch insgesamt auf die assoziativ willkürlichen Zitate aus literarischen Werken, welche die beiden Künstler, im unteren weißen Bildfeld handschriftlich hinzufügen, seien es Fetzen aus Texten von Virginia Woolfe, Dostojewski oder Saul Bellow (übrigens alle auf englisch), welche jedoch keinen verlässlichen Interpretationsansatz bieten.
Svenja Grosser, Kuratorin für Gegenwartskunst, Foto; Petra Kammann
So ist der Titel der Ausstellung der Arbeit Untitled (“The earth is literally a mirror …”) (2018) aus Saul Bellows 1970 veröffentlichtem Roman Mr. Sammler’s Planet entnommen oder angelehnt: „The earth is literally a mirror of thoughts. Objects themselves are embodied thoughts. Death is the dark backing that a mirror needs if we are to see anything.“
„Die Bildwelten von Muntean/Rosenblum bewegen sich zwischen Realität und Illusion. Während die Szenerien ihrer Gemälde auf den ersten Blick stimmig erscheinen, verraten bestimmte Details, dass sie auf diese Weise nie stattgefunden haben können: Blicke und Handlungen der Dargestellten weichen unnatürlich voneinander ab, überschneiden sich und passen nicht in die wiedergegebene Situation. Dieser Effekt ergibt sich aus dem Werkprozess der Gemälde, bei dem zunächst Material aus dem Bildarchiv des Künstlerduos zu einer digitalen Collage zusammengefügt und im nächsten Schritt auf die Leinwand übertragen wird„, resümiert die kürzlich inthronisierte Kuratorin für Gegenwartskunst Svenja Grosser die Verfahrensweise des Künstlerduos.
Es ist vor allem die Atmosphäre, die beim Blick auf die aktuell sich entwickelnde Gesellschaft nachdenkliche Stille in der Betrachterin erzeugt, die ihr in den Gliedern stecken bleibt und die nach einem Besuch der Ausstellung noch nachwirkt. Ist es die Körperhaltung, welche die Gedanken spiegelt?
Ort: Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main
Ausstellungsdauer: bis 1. Dezember 2024
Information: staedelmuseum.de
Besucherservice: +49(0)69-605098-200, info@staedelmuseum.de
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa, So + Feiertage 10.00–18.00 Uhr, Do 10.00–21.00 Uhr
Sonderöffnungszeiten: Aktuelle Informationen zu besonderen Öffnungszeiten unter staedelmuseum.de
Katalog: Zur Ausstellung erscheint im Verlag für Moderne Kunst ein von Svenja Grosser herausgegebener Katalog in deutscher und englischer Sprache mit einem Vorwort von Philipp Demandt und einem Essay von Svenja Grosser. Ca. 114 Seiten, 32 Euro.