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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Eine furiose „L’Incoronatione di Poppea“ an der Oper Köln

Sex und Macht im Reich Nerones

von Simone Hamm

Wer 2010 die Aufführung der „L’Incoronatione di Poppea – die Krönung der Poppea“ in Köln gesehen hat, wird sie nicht vergessen haben. Sie wurde im Jahrhundertsaal des ehemaligen Hauptsitz des Gerling Konzerns, einem monströsen neoklassizistischen Bau, aufgeführt. Es war eine Geschichte von unbändigem Machtwillen. Poppea will die mächtigsten Frau im römischen Reich werden. Dafür geht sie über Leichen. Nun gibt es in Köln eine neue Inszenierung der „Krönung der Poppea“ zu sehen, eine Inszenierung, die vor zwei Jahren beim Opernfestival in in Aix-en-Provence Premiere hatte. Regisseur Ted Huffmann setzt in seiner Interpretation ganz auf Sex, auf ungestüme Leidenschaft.

Jake Arditti als Nerone, Elsa Benoit als verführerische Poppea© Matthias Jung /Oper Köln

Es scheint, als habe er bei der Auswahl des römischen Kaisers, seiner Geliebten, seiner Frau und dem Hofstaat nicht nur auf herausragende Stimmen geachtet, sondern auch auf schöne Körper. Und alle die, die auf der Bühne stehen, haben (sieht man vom behäbigen Seneca ab) nur eins im Kopf.

Jake Arditti ist ein machtlüsterner, viriler, bisweilen hochexplosiver Nerone. Er ist ein ungemein vielseitiger Countertenor, wechselt zwischen emotionalen und kraftvollen Momenten. Seine Stimme gibt seine Launen, seine Wankelmütigkeit perfekt wieder.

Nerone verstößt seine Ehefrau Ottavia, will seinen Berater, den Philosophen Seneca, zum Selbstmord zwingen, und das alles nur, um Poppea zu imponieren. Denn die will seine Frau, vor allem aber Kaiserin werden.

Elsa Bonoit legt die Sinnlichkeit, aber auch den starken Willen der Poppea in ihren hellen, klaren Sopran. Sie weiß genau, wie sie Nerone verführen kann. Sie zieht ihm das weiße Hemd aus, um es selbst zu tragen (bislang war sie nur mit einem Badetuch bekleidet). Nerone präsentiert seinen muskulösen Körper und trägt das glitzernde Jackett jetzt auf der nackten Haut.

Kein Wunder, dass Poppea Nero begehrt, wenn man ihren weinerlichen Liebhaber Ottone in seinen rosafarbenen kurzen Hosen, den Kniestrümpfen sieht(Kostüme: Astrid Klein). Der zweite Counertenor Paul Antoine Bénos-Djian legt viel Wärme in seine Stimme.

Um die Lust des gierigen Nerone noch zu erhöhen, lädt Poppea den Poeten Luciano mit zum Liebesspiel ein. Laurence Kilsby spielt und singt Luciano als abgebrühten Mann, der mit Senecas Leiche spielt, viel trinkt und einfach zu allem bereit ist.

Paul-Antoine Bénos-Djian als Ottone, Maria Koroleva hinreißend  © Matthias Jung

Kaiserin Ottavia (Mezzosopranistin Adriana Bastidas-Gamboa) zeigt Wut und Leiden in Stimme und Ausdruck. Aber so ganz selbstlos ist ihre Liebe nicht. Gibt Ottavia doch ausgerechnet Ottone den Auftrag, Poppea zu töten. Das versucht er, zieht ein Kleid von Drusilla an, der Frau, die ihn liebt (hinreißend: Maria Koroleva). So hintergeht er sie. Doch er wird von der Göttin Amore (Camille Poul) am Morden gehindert.

Eine Göttin also hilft der grausamen Poppea. In diesem Stück ist wirklich keiner, noch nicht einmal eine Göttin, einfach nur gut. Selbst Seneca (Bassist: Christoph Seidel) ist nicht der hehre Philosoph, er weiß seinen Platz im Machtgefüge zu besetzen – bis Poppea kommt, ihn als Rivalen betrachtet, ihn bei Nerone verunglimpft.

Elsa Benoit, John Heuzenroeder, Jake Arditti © Matthias Jung / Oper Köln

Für die komödiantische Momente sorgt Tenor John Heuzenroeder, der gleich mehrere Rollen spielt und sich immer wieder umzieht. Meist ist er Poppeas matronenhafte Amme und will natürlich auch an der Macht teilhaben, will Herrin, nicht mehr Sklavin sein. Davon singt er in einer ergreifenden Arie. Er erinnert stark an Robin Williams als Kindermädchen Mrs. Doubtfire. Stimmlich klar und fest, schauspielerisch ein Ass. Überhaupt betont Huffmann die komödiantischen Stellen des Librettos von Francesco Busenello. Seine Poppea ist kurzweilig, die dreieinhalb Stunden vergehen wie im Fluge.

Eine zweifarbige, sich drehende Röhre hängt waagerecht an der Decke, kommt den Sängern manchmal bedrohlich nahe, sorgt für Verstörung. (Bühne: Johannes Schütz / Anna Wörl). Im Hintergrund eine weiße Nischenwand. An der Seite stehen einige Stühle, eine Garderobe, einmal ein langer Tisch. Immer sind alle Sänger auf der kargen Bühne, nehmen teil, schauen zu.

George Petrou und die Musiker des Gürzenich Orchesters spielen jede Nuance, sind leise und fein, packendend und lebhaft.

Weil in Monteverdis Oper so überhaupt nicht moralisiert wird, wirkt „Die Krönung der  Poppea“ auch über 380 Jahre nach ihrer Uraufführung noch so aktuell.

In der letzten Szene, Poppea ist auf dem Höhepunkt der Macht angekommen, singt sie ein wunderschönes Duett mit Nerone: feinfühlig und weich. Liegt da doch so etwas wie Liebe in der Luft? Oder das schiere Glück, auf dem Höhepunkt der Macht angekommen zu sein? Oder schwingt da feine Ironie mit?

Weitere Aufführungen am 12.5., 15.5.,18.5., 20.5.,  22.5. 24.5, .29.5. im Staatenhaus 2, Köln

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