Das Deutsche Architekturmuseum (DAM): immer in Bewegung
Grundverständnis als „Reallabor“ – 40. Geburtstag wieder im Haus am Main?
Von Uwe Kammann
Ziemlich zu Tode zitiert, aber manches Mal ein immer noch treffender Filmtitel: ‚Das Leben ist eine Baustelle’. Das Deutsche Architekturmuseum (DAM) kann ein (über-)langes Lied davon singen, macht aber immer wieder das Beste daraus im Ausweichquartier der Ostend-Zwischenresidenz, einem Bürohaus der 50er Jahre. Ein demnächst wohl in Wohnbauten umzuwandelnder Komplex, den die DAM-Verantwortlichen ziemlich fest in ihr Herz geschlossen haben und nur mit schwerem Herzen wieder in Richtung Schaumainkai verlassen werden, um in das angestammte Quartier, eine prächtige Stadtvilla, zurückzukehren; eine Villa, die Anfang der 80er Jahre von Oswald Mathias Ungers mit seinen obligatorischen Quadrateleien umgebaut wurde, mit einem ‚Haus im Haus’ als zentralen Element – was die umgebenden Räumlichkeiten insgesamt zu erheblicher Kleinteiligkeit verdammt.
DAM – Ausweichquartier im Ostend, Foto: Petra Kammann
Im Herbst sollen die dortigen umfangreichen Sanierungsarbeiten beendet sein, womöglich – aber heutzutage ist beim Baugeschehen nichts mehr sicher – als Zeit-Ziellinie für eine Geburtstagsfeier am 29. September: 40 Jahre DAM. Das wird nicht nur Anlass sein für künftige dynamisch-museale Vermessungsperspektiven, sondern sicher auch für einen Rückblick auf vier Arbeits-Jahrzehnte dieser Pioniereinrichtung in der Perlenschnur des Museumsufers. Mit dem höchst umtriebigen Gründungsdirektor Heinrich Klotz begann das alles, in der Auftaktphase wahrzunehmen als ein emphatisches Bekenntnis zur Postmoderne.
DAM-Direktor Peter Cachola Schmal am Empfang des provisorischen Ausstellungshauses im Ostend, Foto: Petra Kammann
Davon zeugt noch die bunte Häuserzeile in der Saalgasse, die allerdings hinter der Schirn ein Schattendasein führt. Das DAM-Ausweichquartier im ehemals für Neckermann entwickelten Telekom-Areal sehen DAM-Direktor Peter Cachola Schmal und seine Stellvertreterin Andrea Jürges nicht in einer Randlage („das ist eigentlich Frankfurter Mitte“), doch wissen sie natürlich, dass sie hier nicht über eine attraktiven Anziehungspunkt verfügen – der unwirtliche Danziger Platz mit seinem Baustellendurcheinander ist ein Abstoß-Verstärker (was, unterm Stich, die Besucherzahlen gegenüber früheren 90.000 (2019) im letzten Jahr um zwei Drittel schmelzen ließ.
Jahrespressekonferenz mit DAM-Direktor Peter Cachola Schmal und seiner Stellvertreterin Andrea Jürges, Foto: Petra Kammann
Gleichwohl, eines finden Schmal und Jürges uneingeschränkt, wie sie auf der letzten Jahrespressekonferenz sagten: Die jetzigen Räume sind gerade auf der großen Eingangsebene (derzeit werden hier noch bis Ende April die Ergebnisse des Architekturpreises 2023 präsentiert) für Ausstellungen besonders gut geeignet, weil sie ein wesentlich großzügigeres, offene Sichtachsen bietendes Arrangement ermöglichen. Zudem haben diese Räume einen starken Werkstattcharakter, laden geradezu ein zum Probieren, Erkunden, Improvisieren: lauter Begriffe, welche für die jetzige Politik des DAM wesentlich sind, die sich in der Schnittmenge auf das Wort Labor bringen lässt.
Andrea Jürges beim Hochhauspreis in der Paulskirche, Foto: Petra Kammann
Ein Labor, das immer stärker und mehr und mehr zur Teilhabe einlädt, zu einer Bürgerbeteiligung der direkten Art. Und dies im ganzen Stadtraum, beweglich, vielfältig, offen. Die Telekom-Räume sollen vor dem Umzug aber noch einmal mit einer Aktion bespielt werden, die schon im alten Haus am Schaumainkai nicht nur Kinder begeistert hat. Ihr zentrales, dreidimensionales Element: mit den klassischen Lego-Klemmbausteinen eigene Bauwelten zu gestalten. Die dabei entstandenen Modelle sind ein Musterkatalog vielfältiger Phantasie, im letzten Jahr von 5000 Besuchern ins Werk gesetzt oder bewundert.
Dies liegt ganz auf der Generallinie des DAM, das in vielfältiger Form auf Vermittlung setzt, die immer integraler Bestandteil der Ausstellungen ist. „Architekturmuseum macht Schule“, so heißt beispielsweise ein quer durch den Rhein-Main-Raum wanderndes Projekt; ein anderes: „Places to See“ und „Natur Kultur Architektur“ mit Kindern und Jugendlichen als Zielgruppe, für die kulturelle Teilhabe nicht selbstverständlich ist. Hier kooperiert das DAM mit dem Senckenberg-Museum und dem Weltkulturen-Museum, so wie es auch sonst mit Institutionen der Kultur und der Jugendarbeit zusammenarbeitet, um neue Zielgruppen anzusprechen, dies im Rahmen von Integration und Inklusion.
Die Lange Bank, vielfältig kombinierbar, hier an der Hauptwache, Foto: Felix Krumbholz
Als „Reallabor“ bezeichnet das DAM das schon begonnene Projekt „Die lange Bank“, die als „temporäre künstlerische Installation“ (Andrea Jürges) in einer Wanderung über markante Frankfurter Plätze die Stadtbewohner auch in diesem Jahr wieder einladen will, über die Gestaltung der Innenstadt Frankfurts nachzudenken und Ideen einzubringen. Im März wird diese Bank-installation auf dem Kaiserplatz – also zwischen Frankfurter Hof und Commerzbank – ihren Platz finden, dann zum Vorplatz des Bockenheimer Depots umziehen, als Begegnungsort auch mit lokalen Akteuren.
Seite aus dem Buch „Stadt für alle“ aus dem Karl Rauch Verlag, Foto: Petra Kammann
Schon wieder im Haus am Schaumainkai soll unter dem Motto „Stadt für alle“ eine „Stadtplanung zum Anfassen“ aktuelle Themen der Sadtplanung vor allem jungen Menschen zugänglicher machen, mit einer „sehr verständlichen Sprache und plakativen Gestaltung“, wie es heißt. Im Zentrum stehen dabei Modelle und Text von drei tschechischen Stadtplanern und Künstlern, die eben unter dem Titel „Stadt für alle“ ein Handbuch für angehende Stadtplaner gestaltet haben. Das DAM verspricht sich gerade von den dazugehörigen Modellen, die bereits in einigen Städten Europas mit Erfolg ausgestellt worden sind, aufgrund deren „faszinierenden Eigenlebens“ ein hohe Wirkungskraft, die auch durch Workshops unterstützt werden soll.
„Die Stadt ist der Sport“, Foto: Kadir Akguen
Im Sommer wird die Fußball-Europameisterschaft ein Anlass sein, um das Thema Sport in vielfältiger Weise zu beleuchten. Unter dem Titel „Die Stadt ist der Sport“ sollen Beispiele aus ganz Europa zeigen, dass der Sport, wie es heißt, „ein wichtiges Element für ein Miteinander und für das Zusammenleben der heutigen Stadtgesellschaft“ ist. Einbezogen wird zum Auftakt die Eissporthalle als „Stadion der Träume“. Dann werden die Fanzonen während der Fußballspiele (Frankfurt gehört zu den Austragungsorten) zu den Schauplätze gehören; bis dann ab Oktober in den Räumen des Museums selbst Beispiele zeigen werden, wie sportliche Aktivitäten aller Art in den Stadtraum zu integrieren sind.
Blick aus der obersten Etage der DekaBank bei der Pressekonferenz zum internationalen Hochhauspreis, Foto: Petra Kammann
Zu den Klassikern der DAM-Arbeit gehört inzwischen der alle zwei Jahre vergebene (diesmal 2024/2025) internationale Hochauspreis unter dem Titel „Best High Rises“. Frankfurt, so Schmal, werde nicht vertreten sein, weil im Wettbewerbszeitraum kein Turm mit der Mindesthöhe von 100 Metern fertiggestellt worden sei. Hauptkriterien des weltweit beachteten Preises sind zukunftsweisende Gestaltung, Funktionalität, innovative Bautechnik, städtebauliche Einbindung, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Fraglich allerdings ist für Schmal, ob – als spezieller Akzent – die Pressekonferenz zum Preis bereits in jenem Turm des Groß-Projektes „Four“ am Rossmarkt einen Platz finden werde, den der Kooperationspartner DekaBank beziehen wolle. Die Verleihung selbst soll Mitte November wieder in der Paulskirche ihren besonderen Rahmen finden – sie gilt immer noch als einzigartiger Feier-Ort mit besonderem Renommee.
Verleihung der „Best High Rises“ 2022 in der Paulskirche, Foto: Petra Kammann
Ganz unspektakulär, also zunächst noch im Ostend-Quartier, wird die Vortragsreihe „STADTplus“ fortgeführt, zu jenen Themen, wie es heißt, welche „die Stadt bewegen“. Dazu gehören diesmal Ankündigungen wie „Die Stadt und das Geld“, „Die Stadt und die Skater“ und „Die Stadt und die Lesben“. Jeweils einmal im Monat wird es dazu einen Vortrag geben, begleitet von Diskussionen und Getränken an der Bar.
Außerhalb solcher Treffpunkte ist das DAM vielfältig vertreten, weil seine Aktivitäten/Ausstellungen immer auch auf Wanderschaft gehen, so wie jetzt die originelle Zusammenstellung von Architekturen, die als Protestbauten genutzt worden sind (Untertitel: „Barrikaden, Camps, Sekundenkleber“). Auch von einem Kuriosum war diesmal zu berichten: nämlich einer Ausstellung zu deutschen Museumsneubauten, die jetzt in Montenegro auftauchte, nachdem die Übersee-Kisten fast vier Jahrzehnte vergessen worden waren. Die darin transportierten Ideen, so DAM-Direktor Schmal, seien für die Adressaten aber durchaus noch von Interesse.
Das DAM am Schaumainkai vor der Renovierung, Foto: Petra Kammann
Das kann, ja muss zu dem Schluss führen: Es geht nichts verloren. Was dann zur beruhigenden Versicherung führt: Die DAM-Umzüge – einmal vom West nach Ost, dann wieder von Ost nach West – sind als mobile Interventionen zu verstehen, im besten Sinne also als Teil eines Reallabors. Insofern gilt die Feststellung: Dieses Frankfurter Museum ist alles andere als museal. Zu besichtigen ist ein ständiger Aufbruch.