Die Banditen“- (Les Brigands“) Opéra-bouffe von Jacques Offenbach
Kein Respekt für niemanden – die da oben sind genauso schlimm
von Renate Feyerbacher
Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt
Das furiose Räuber-Spektakel hatte am 28. Januar seine Frankfurter Erstaufführung. Die Begeisterung des Publikums war für alle Mitwirkenden überschwänglich. Dazu gehörten die erstklassigen Sängerinnen und Sänger, alle gaben ihr Rollendebüt, der vorzüglich singende und spielende Chor unter Leitung von Tilman Michael, die ideenreiche Regisseurin Katharina Thoma mit Team, das hervorragende Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter dem leichten, tänzerischen, aber sehr präzisen und schnellen Dirigat von Karsten Januschke.
v.l.n.r. Abraham Bretón (Graf von Gloria-Cassis; mit Schärpe, umringt vom Ensemble), Pilgoo Kang (Der Hofmeister; fallend) und Tianji Lin (Adolfo von Valladolid; liegend) sowie Juanita Lascarro (Die Prinzessin von Granada)
„Hört, hört die Stiefel trappen, sie trappen, sie trappen, sie trappen!“, (1.Akt) so warnt Hauptmann Falsacappa seine Räuberbande, die sich im Wald versammelt hat und hinter Bäumen versteckt. Der Kapitän der Soldaten gesteht ein, dass sie wieder zu spät kommen. Der Chor wiederholt den Stiefel-Song eindringlich. Eine Melodie, die immer wiederkehrt, sich einprägt und die Opéra-bouffe beschließt.
Komponist Jacques Offenbach (1819-1880) nimmt das Militär, die Polizei, die Carabinieri und die feine Gesellschaft, die korrupt ist und sich in amourösen Abenteuern vergnügt, gehörig auf die Schippe. Persiflagen seiner Zeit. Es ist sein politischstes Werk.
Es ist die Zeit von Kaiser Napoleon III. (1808- 1883) und seiner in Granada geborenen Frau, Gräfin Eugénie, der späteren Kaiserin (1826-1920). Sie beeinflusste ihn bei politischen Entscheidungen und motivierte ihn zum deutsch-französischen Krieg (1970/71), den die deutschen Truppen bei Sedan für sich entschieden. Napoleon III. musste kapitulieren und kam in Arrest auf Schloss Wilhelmshöhe in Kassel. Er wurde in Paris als Kaiser abgesetzt, die Republik konstituiert.
Elizabeth Reiter (Fiorella) und Peter Marsh (Der Prinz von Mantua)
Offenbach lässt Eugénie, die in Frankreich nicht beliebt war, als Prinzessin von Granada auftauchen.
Er hatte sich mal geäußert, dass er mit dem Dichter beziehungsweise Librettisten während einer neuen Opernarbeit quasi verheiratet sei. Es waren diesmal zwei: der „rationalere und fleißigere“ Dramatiker Ludovic Halévy (1834-1908), der Neffe des Komponisten Fromental Halévy (1799-1862), der Offenbach in die Kunst der Komposition einführte, von dem übrigens die Oper „La Juive“ (Die Jüdin) mit dem Libretto von Eugène Scribe im Juni / Juli in der Oper FFM gespielt werden wird. Und es war, wie es heißt, der „fantasievollere, aber faulere“ Bühnenautor Henri Meilhac (1831-1897).
Sie veralberten die Gegenwart und hatten keinen Respekt für niemanden in ihren Texten. Sie trafen den Nerv der damaligen Zeit.
Anders als üblich an der Oper Frankfurt wurde jetzt nicht in der Originalsprache Französisch gesungen, sondern auf Deutsch. Auch, wenn man einigermaßen Französisch kann, ist es schwierig, die schnell gesungenen Feinheiten der satirischen Pointen zu verstehen. „Es hat einfach einen anderen Witz, wenn man nicht nur an der Übertafel klebt, sondern das eine oder andere Wort erhascht und direkt nachvollziehen kann, was gerade verhandelt wird“, so begründet Katharina Thoma im Gespräch mit Dramaturg Konrad Kuhn ihre Entscheidung. Sie hatte auch eine neue Fassung auf Grundlage berühmter Vorgänger-Übersetzungen erarbeitet. Katharina Thoma hat vorsichtig aktualisiert, aber nicht zwanghaft auf heutige Zustände bezogen.
Gerard Schneider (Falsacappa) und Elizabeth Reiter (Fiorella)
Die Banditen sind die Helden der Oper. Sie sind Kleinkriminelle. Im 1. Akt versuchen sie, Menschen in ihre Gewalt zu bekommen. So folgen dem als Klausner verkleideten Räuberhauptmann Falsacappa vier junge Mädchen. Die Räuber freuen sich über den Fang, da ihre Raubzüge bisher erfolglos waren. „Bewacht sie mit Höflichkeit“, so der Chef der Bande. Sie haben Ethik. Der Prinz von Mantua kreuzt im Lager der Banditen auf. Er hatte sich im Wald verirrt. Fiorella, einen Moment allein, ist fasziniert von dem unbekannten jungen Mann und er von ihr, und sie zeigt ihm den Weg aus dem Wald und rettet ihn so.
Der junge Biobauer Fragoletto, den die Räuber kürzlich überfallen hatten, in den sich die Tochter des Hauptmanns Fiorella verliebt hat und er in sie, kommt freiwillig und tritt in die Bande ein. Fragoletto gelingt ein spektakulärer Fang: es ist ein Kabinettskurier. Aus dessen Unterlagen ist zu erfahren, dass die Prinzessin von Granada auf dem Weg nach Mantua ist, um den dortigen Prinzen zu heiraten. Fünf Millionen schulden die Mantuaner den Spaniern. Davon werden zwei Millionen erlassen als Mitgift der Prinzessin. Drei Millionen sind noch zu holen und Falsacappa schlägt einen abenteuerlichen Coup vor.
Das Restaurant, in dem sich die spanische und die Delegation aus Mantua treffen werden, ist am Ende des 2. Aktes ein Trümmerfeld. Die Banditen haben alle, auch die Polizisten, über eine Rutsche in den Keller befördert.
Peter Marsh (Der Prinz von Mantua) und Cláudia Ribas (Die Marquise; mit rotem Haar) sowie Ensemble
Der Herzogpalast in Mantua. (3.Akt) – Ein großes Bett. Die Anzahl der Hofdamen, die es verlassen, kann gar nicht schnell genug registriert werden. Zuletzt entsteigt ihm der Herzog, der Abschied von ihnen genommen hat. Er bittet seinen Schatzmeister Antonio, die Rechnungen der Damen zu begleichen. Nicht möglich, denn die Staatskasse hat Antonio für eigene Amouren geplündert. Sie ist leer. Das muss nun auch Falsacappa erfahren, der das Geld kassieren wollte und nun mit seinen Leuten als falsche Spanier verkleidet – Fiorella als Prinzessin von Granada – im Palast auftaucht, kurz danach die echten Spanier.
vorne sitzend v.l.n.r. Gerard Schneider (Falsacappa), Elizabeth Reiter (Fiorella), Kelsey Lauritano (Fragoletto) und Yves Saelens (Pietro) sowie links stehend Jarrett Porter (Barbavano) und rechts stehend Michael McCown (Domino) neben Jonathan Abernethy (Carmagnola) mit Ensemble
Den Banditen droht der Galgen, vor dem sie Fiorella bewahren kann. Sie erinnert den Prinzen daran, dass sie ihm im Wald das Leben gerettet hat. Sie werden begnadigt und geben ihr Räuberhandwerk auf, denn sie können mit der Kriminalität des Hofes nicht mithalten.
Witzig, virtuos, einfallsreich hat Katharina Thoma dieses späte Meisterwerk des Komponisten inszeniert. Ihre Einfälle begeistern. Bühnenbildner Etienne Pluss und Kostümbildnerin Irina Bartels schufen ausgefallene, schnell umbaubare Szenarien und Kostümwechsel vor allem im 2. und 3. Akt. Das Publikum klatscht immer wieder. Choreographin und Tänzerin Katharina Wiedenhofer hatte allen Akteuren einen flotten tänzerischen Schritt beigebracht. Und wie so oft gab Olaf Winter mancher Szene eine stimmungsvolle Prise Licht.
Sopranistin Elizabeth Reiter, seit 10 Jahren im Ensemble, als Fiorella, und Mezzosopranistin Kelsey Lauritano als Fragoletto sind frische, stürmische Banditen und gefallen als junges Liebespaar. Herrlich ihre Stimmen. Kelsey Lauritano begeisterte in der Neuproduktion „Le nozze di figaro“ als Cherubino.
vorne v.l.n.r.: Yves Saelens (Pietro), Gerard Schneider (Falsacappa; sitzend), Jonathan Abernethy (Carmagnola; mit Kopftuch), Jarrett Porter (Barbavano; mit grüner Blume am Revers) und Michael McCown (Domino; mit Stirnband) sowie Ensemble
Die männliche Räuberbande, angeführt vom österreichisch-australischen Tenor Gerard Schneider als Falsacappa, unterstützt vom belgischen Tenor Yves Sealens als Pietro, vom neuseeländischen Tenor Jonathan Abernethy, vom amerikanischen Tenor Michael McCown, seit 2001 im Ensemble, vom amerikanischen Bariton Jarrett Porter (Opernstudio) machen dem Räuberhandwerk singend und spielend alle Ehre.
Sage und schreibe 23 Sängerinnen und Sänger und über 40 Chormitglieder stehen auf dem Programmzettel von „Die Banditen“. Unmöglich alle zu nennen. Aber Peter Marsh, der zuletzt in György Ligetis „Le Grand Macabre“ brillierte, singt den schmierigen Frauenbetörer Prinz von Mantua. Me’too lässt grüßen. Szenenapplaus gab es für den in England geborenen Peter Bronder, ein weltweit gefeierter Tenor als korrupten Schatzmeister Antonio.
Last but not least Komponist Jacques Offenbach und seine Musik. „Ich glaube, dass mein erster Schrei ein Triller war und meine Eltern haben mir immer versichert, dass ich als Baby genau im Takt geweint hätte.“ (Zitat Programmheft S. 57)
Jakob Offenbach ist ein Kölscher Junge. Die Eltern, die ursprünglich Erbst hießen, zogen von Offenbach nach Köln und nannten sich Offenbach. Der Vater, Kantor der Kölner Synagoge und Musiklehrer, gab Jakob Cellounterricht.
Ende 1833 vermittelte er für seine beiden Söhne Julius und Jakob einen Studienplatz am Pariser Conservatoire. Nach bereits einem Jahr wurde Jakob, der sich nun Jacques nannte, Cellist an der Opéra-Comique. Der kompositorische Durchbruch gelang 1855, aber weltweit 1858 mit „Orpheus in der Unterwelt“ mit dem wilden CanCan.
Die Opéra-bouffe „Die Banditen“, uraufgeführt 1869 in Paris, wurde vom Publikum begeistert gefeiert, geriet aber nach dem deutsch-französischen Krieg in Vergessenheit. Der französische Staatsbürger Offenbach wurde von den Deutschen als Vaterlands-Verräter und von den Franzosen als Spion verdächtigt.
Zeitweilig verließ er mit der Familie Frankreich. Als er zurückkehrte, konzentrierte er sich auf sein Projekt „Hoffmanns Erzählungen“, das er nicht vollenden konnte. Er starb während einer Probe.
Für Dirigent Karsten Januschke sind „Die Banditen“ wie Champagner. Er ist begeistert vom Rhythmischen, Schwungvollen, gelegentlich Überdrehten der Musik. Er entschied, die Neuproduktion mit relativ kleinem Orchester zu produzieren. Die Orchestergräben damals waren klein. Offenbachs Uraufführungen im Kurort Bad Ems, wo er auf Linderung für Rheuma und Gicht hoffte und komponierte, fanden mit wenigen Musikern statt.
Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester huldigte dem „Orpheus vom Rhein“, dem „Mozart der Champs-Élysées“, wie Jacques Offenbach liebevoll genannt wurde, ganz in seinem Sinne – leicht, tänzerisch, schnell – wie immer erstklassig.
Hingehen und den Spaß bei weiteren Aufführungen genießen:
am 10., 16., 18. Februar – auch Kammermusik von Offenbach -, am 22. Februar, 10., und 15. März
Zwei Trailer der Oper können angeklickt werden.
Eigener telefonischer Vorverkauf ohne Vorverkaufsgebühren: Tel. 069 212 -49 49 4