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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

St. Leonhard – in die zweitälteste Kirche Frankfurts zum Dreikönigsfest

Zu Frankfurts schönster Krippe aus Neapel

Seit 2021 werden die barocken Krippenfiguren nach fast zehnjährigen Sanierungsarbeiten der Leonhardskirche wieder vor Ort gezeigt mit einem eigens von Sounds of Silence für die Krippe entworfenen Aufbau, dessen Form eher an eine Bühne erinnert. Da erzählen auf drei Ebenen die mehr als 40 Figuren, darunter auch vielfältige Engelsdarstellungen, sowohl von der Weihnachtsgeschichte als auch vom städtischen Treiben in Neapel des 18. Jahrhunderts. Eingebettet ist die Szenerie, die Landschaft um Neapel, mit Blick auf den Vesuv als Kulisse.

Wie eine Theaterszene ist die Krippe in St. Leonhard aufgebaut, Foto: Petra Kammann

Die neapolitanische Krippengestaltung hat seit dem 17. Jahrhundert in Neapel eine ausgeprägte Tradition erfahren. Bis heute werden die Krippenfiguren in Manufakturen wie in der Via San Gregorio Armeno inmitten der Altstadt Neapels produziert. Die Geburt Christi im Stall wurde prächtig ausgestaltet und nicht etwa nur um die Hirten und den Zug der heiligen drei Könige zum 6. Januar ergänzt. Ausdrucksvoll sind sowohl die fein bemalten Köpfe wie auch die dynamischen Gesten der Figuren, dazu die überaus kostbaren Gewänder. Gleichzeitig wurde das Geschehen auf Straßen und Märkten ins damalige Neapel versetzt und somit wurden alle Bewohner Neapels in das Heilsgeschehen mit einbezogen.

Aus fast 40 Figuren in unterschiedlichen Größen und zwei Gebäuden besteht die Krippe aus der Leonhardskirche und hat eine spezielle Geschichte. Neben den traditionellen Krippenfiguren ist die Heilige Familie statt in einem Stall in einer an die Antike angelehnten Ruine platziert. Sie wird eingerahmt von Säulen, von den Weisen aus dem Morgenland, den Heiligen Drei Königen Caspar, Balthasar und Melchior, die sich auf den Weg dorthin aufgemacht haben. In der Krippe von St. Leonhard bewegen sich auch Bürger, Händler, Bauern und Kinder wie selbstverständlich auf der oberen Ebene. Sie stellen einen Querschnitt der damaligen Stadtgesellschaft dar. Und über allen schwebt der Verkündigungsengel…

Der Verkündigungsengel schwebt über allen, Foto: Petra Kammann

Das Jesuskind im Stall

Natürlich bildet das Zentrum jeder Krippe das Jesuskind mit Maria und Josef im Stall. Dieser Stall ist jedoch hier besonders gestaltet: In die Ruine eines antiken Tempels, wie man sie auf dem Forum Romanum finden könnte, ist ein provisorisches Dach aus rohen Brettern gezimmert. Die Ruine ist symbolisch zu verstehen. Sie verweist auf den Alten Bund, den Gott mit Israel geschlossen hat und der durch die Geburt Christi erneuert wird. Ochs und Esel kommen zwar in den Evangelien nicht vor, fehlen aber in keiner Krippe. Die beiden Tiere stehen für das Wort des Propheten Jesaja „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn“ (Jes 1,3).

Die Hirten

Die Verkündigung an die Hirten wird im Lukasevangelium erzählt: „In dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr. Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Lk 2,8-14) Es sind die Armen, denen Gott zuerst erscheint, und die ihre Herde zurücklassen und die sich auf den Weg machen, um das wunderbare Kind zu sehen.

Gold, Weihrauch und Myrrhe bringen die 3 Weisen aus dem Morgenland mit, Foto: Petra Kammann

Die heiligen drei Könige

Die Geschichte der Heiligen Drei Könige hat ihren Ursprung vermutlich im Matthäus-Evangelium. Der Evangelist Matthäus  berichtet (Mt2,1-4) über die Sterndeuter, die von weither aus dem Osten kommen, um dem neugeborenen König der Juden durch einen Besuch ihre Ehre zu erweisen. An der Wende zum 11. Jahrhundert wurde aus den gelehrten Sterndeutern später die heiligen drei Könige Kaspar, Melchior und Balthasar.

Der Name Caspar stammt aus dem Persischen und bedeutet so viel wie „Hüter des Schatzes“ oder auch „Schatzmeister“. Er, häufig als Afrikaner mit dunkler Hautfarbe abgebildet, überreicht Myrrhe als Geschenk und als Symbol für das Menschsein. Melchior mit dem hebräischen Namen  und den eher europäischen Gesichtszügen steht für „König des Lichts“. Er überreicht Gold als Geschenk, weil das damals als kostbarstes Gut angesehen wurde, das einem König, dem Sohn Gottes, würdig ist. Auch der Name Balthasar stammt aus dem Hebräischen und bedeutet so viel wie „Gott schütze sein Leben“ oder „Gott wird helfen“. Übersetzungen des Namens aus dem Altsyrischen lauten auch „Gott schütze den König“. Er wird mit einer asiatischen Herkunft in Verbindung gebracht und überbringt Weihrauch, der als göttliches Symbol gilt.

In den Krippen aus Neapel haben diese Magier stets ein großes exotisches Gefolge. Hier fällt besonders die Frau in Pumphosen und einem langen roten Mantel auf: eine Europäerin, die sarazenischen Piraten in die Hände gefallen ist und als Sklavin in den Orient kam.

Hirten und einfache Bürger sind einbezogen, Foto: Petra Kammann

Der Markt

In der malerischen Palastruine haben sich Bürger und Bürgerinnen versammelt. Auch sie werden sich auf den Weg zur Krippe machen: die Frau auf dem Esel mit dem Baby an der Brust, der Dudelsackspieler, die Obst- und Gemüsehändler. Das liebevoll gestaltete Zubehör wie die Obstkörbe oder die beiden Vogelkäfige wurde ebenfalls von spezialisierten Handwerkern gefertigt. Die meisten dieser Figuren sind kleiner als die Hauptfiguren. So konnte eine illusionistische Szene mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund aufgebaut werden.

Die Geschichte der Krippe

Ihre Geschichte lässt sich bis ins Jahr 1930 zurückverfolgen. Damals hatte sie der Bonner Restaurator und Kunst­händler Hermann Bernhard Goldkuhle in Neapel erstanden. Aus welcher der vielen Sammlungen, die in dieser Zeit immer wieder auf Auktionen auftauchten, die Figuren stammen, ist jedoch nicht bekannt. 1943 konnte der damalige Pfarrer von St. Leonhard 11 Figuren erwerben, die übrigen gelangten nach Goldkuhles Tod 1955 in den Besitz des Industriellen, des Frankfurter Unternehmers Adolf Schindling. Im Jahr 2000 hatte seine Tochter, die bekannte Olympiasiegerin im Dressurreiterin Liselott Linsenhoff, die Krippe aus dem Nachlass ihres Vaters geerbt und sie dann der Leonhardsgemeinde übereignet. In den darauf folgenden Jahren wurde sie schließlich unter anderem mit Mitteln aus der Liselott und Klaus Rheinberger Stiftung aufwändig restauriert.   PK

INFO

Die Krippe ist noch bis zum 2.2. 2024 zu sehen.
Kirche St. Leonhard
Am Leonhardstor 25
60311 Frankfurt am Main

Öffnungszeiten der Kirche:

MO bis FR 15–19 Uhr,
SA & SO 11–18 Uhr
(außer während der Gottesdienste SA 18 Uhr, SO 11:30 und 18 Uhr)

→ Die neapolitanische Krippe aus St. Leonhard im Dommuseum

→ Die große Freude – Die neapolitanische Krippe aus St. Leonhard im Dommuseum Frankfurt

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