Holbein und die Renaissance im Norden“ im Städel (Teil 2)
Zurück in Frankfurt. Sie ist wieder da: Holbeins Schutzmantelmadonna
Von Hans-Bernd Heier
Die Malerei der Renaissance – was so viel wie „Wiedergeburt“ bedeutet – ist eine Zeitwende in der Geschichte der Kunst. Eine Kunstrichtung, die in Italien ihren Anfang nahm, entwickelte sich im Norden Europas mit den Wegbereitern Hans Holbein dem Älteren und Hans Burgkmair dem Älteren zu etwas völlig Neuem. Das Städel Museum bietet in der grandiosen Schau „Holbein und die Renaissance im Norden“ (1. Einblick) einen hervorragenden Überblick über die Anfänge der Renaissancemalerei nördlich der Alpen.
Hans Holbein d. Ä., Bildnis eines Angehörigen der Augsburger Familie Weiss, 1522; Frankfurt a. M, Städel Museum
„Nach Rubens, Rembrandt und Reni darf sich das Publikum abermals auf eine außergewöhnliche Schau freuen“, sagt Städel Direktor Philipp Demandt. „Das Städel Museum präsentiert die Renaissance im Norden – eine neue, ganz einzigartige Malerei, die vor mehr als 500 Jahren im Norden Europas an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit entstanden ist. Mit rund 180 bedeutenden Kunstwerken aus den führenden internationalen Museumssammlungen feiern wir die großen deutschen Renaissancemaler und ihre Vorbilder in einer Ausstellung. Berühmte Gemälde von Hans Holbein dem Älteren, Hans Burgkmair und Holbein dem Jüngeren treten in einen Dialog mit Werken von Albrecht Dürer, Jan van Eyck oder Donatello“.
Im geografischen Zentrum der Präsentation steht die freie Reichs- und Handelsmetropole Augsburg, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine kulturelle und wirtschaftliche Blüte erlebte und sich in nur wenigen Jahrzehnten zur Hauptstadt einer deutschen und zugleich internationalen Renaissance entwickelte. Dort fielen die über die Alpenpässen importierten Kunstströmungen auf besonders fruchtbaren Boden.
Das war verschiedenen Faktoren zu verdanken: Die Stadt war Austragungsort der Reichstage, Kaiser Maximilian I. war zeitlebens häufig in der Stadt zu Gast und nutzte intensiv die Dienste der dort ansässigen Bank- und Handelshäuser der Fugger und Welser. Es war letztlich die Wirtschaftskraft der Fugger, Welser und weiterer einflussreicher Familien sowie ihr Streben nach gesellschaftlichem Status, die den Höhenflug der Künste in Augsburg ermöglichten. „Die Stadt zeichnete sich durch ein besonders aufgeschlossenes Klima aus, in dem von der humanistischen Kultur Italiens geprägte Positionen der Renaissancekunst erprobt wurden“, erklärt Kurator Prof. Jochen Sander, stellvertretender Städel-Direktor.
Hans Burgkmair d. Ä., Bildnis eines jungen Mannes ,1506; Wien Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie
Zu den künstlerischen Pionieren gehörten neben Albrecht Dürer (1471–1528) auch die Künstlerkollegen und -konkurrenten Hans Holbein d. Ä. (ca. 1460/70–1524) und Hans Burgkmair d. Ä. (1473–1531). Sie schlugen in ihrer Malerei neue, sehr unterschiedliche Wege ein. Während Holbein zunächst die Neuerungen der niederländischen Malerei seit Jan van Eyck in den Blick nahm, orientierte sich Burgkmair an der neuesten Kunst Italiens. Beide Künstler stehen stellvertretend für unterschiedliche stilistische Besonderheiten der Renaissancemalerei, die auch andere Augsburger Künstler in dieser Zeit inspirierten.
Erstmals werden die wichtigsten Tafelbilder, Zeichnungen und Druckgrafiken Holbeins und Burgkmairs in einer Ausstellung zusammengeführt, darunter etwa Holbeins monumentaler „Dominikaneraltar“ aus der Sammlung des Städel Museums, die „Heilige Katharina“ (Stiftung Schloss Friedenstein, Gotha) oder die „Madonna auf dem Altan“ (Gemäldegalerie, Berlin) sowie Burgkmairs „Christus am Ölberg“ (Hamburger Kunsthalle), die „Grablegung“ (Museo Thyssen Bornemisza, Madrid) oder die Bildnisse der Eheleute Schellenberger (Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln).
Ergänzt werden diese Werke um Arbeiten weiterer Augsburger Künstler aus der Zeit von ca. 1480 bis 1530 sowie um ausgewählte Werke deutscher, italienischer und niederländischer Künstler, darunter Albrecht Dürer, Donatello oder Hugo van der Goes, die das Schaffen von Holbein d. Ä. und Burgkmair d. Ä. nachhaltig prägten.
Hans Holbein d. J., Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen, 1525/26 und 1528; Künzelsau, Sammlung Würth
Ein Schlüsselwerk der Ausstellung ist die herrliche Madonna von Hans Holbein dem Jüngeren aus der Sammlung Würth, die als eines der größten Meisterwerke der deutschen Renaissance gilt und die nach 10 Jahren wieder im Städel gezeigt wird. Das narrative Gemälde ist ein ganz besonderes Highlight.
Mit der Stiftung ihrer Grabkapelle an der Augsburger Karmeliterkirche St. Anna setzten sich Jakob Fugger der Reiche und seine Brüder Ulrich und Georg Fugger nicht nur ein Denkmal. Die monumentale „Fuggerkapelle“ ist auch das früheste erhaltene Bauwerk der Renaissance im Norden. In ihr verbinden sich die höchsten Standards der spätgotischen Architektur wie das komplexe Netzgewölbe mit den neuesten Formen und Ornamenten der venezianischen Architektur. Zum ersten Mal wurden damit nördlich der Alpen die italienischen Bau- und Dekorationsformen angewendet, die die Auftraggeber dank ihrer Handelsbeziehungen vor Ort kennen- und schätzen gelernt hatten.
Jan van Eyck Madonna mit dem Kind („Lucca-Madonna“), um 1437: Frankfurt a. M, Städel Museum
Neben den Augsburger Künstlern Hans Daucher (1486–1538) und Jörg Breu d. Ä. (um 1475/1480–1537) war auch der Nürnberger Meister Albrecht Dürer an der Ausgestaltung beteiligt, der die Grabdenkmäler der Brüder entwarf. In der Ausstellung ist Dürers Entwurf für das Grabmal von Jakob und Sibylla (Christ Church Picture Gallery, Oxford) zu bewundern.
Den Skulpturenschmuck des Altars und die Putten der Kapellenbrüstung führte Hans Daucher aus, einer der führenden Bildhauer Augsburgs. Die Flügelbilder der Orgel – ein zu dieser Zeit noch äußerst seltenes und entsprechend teures Instrument – lieferte Jörg Breu. Die Flügelbilder – ein weiteres Highlight der Städel-Schau – können erstmals außerhalb Augsburgs gezeigt werden. „Architektur und Ausstattung der Fuggerkapelle verdeutlichten im Großen wie im Kleinen unübersehbar die Position der Stifterfamilie als einflussreichste und wohlhabendste Familie der Stadt“, so Kurator Sander.
Hans Burgkmair d. Ä., Geschichte der Esther, 1528, München, Alte Pinakothek
Die selbst- und machtbewussten Mitglieder der Fugger-Familie ließen sich in zahlreichen aufwendigen Porträts abbilden, sei es in Form von Gemälden, Druckgrafiken, Zeichnungen oder auch Medaillen. In der Ausstellung sind etwa Hans Holbeins d. Ä. Zeichnung von Anton Fugger (Kupferstichkabinett Berlin), das Gemälde „Hochzeitsbildnis des Jakob Fugger und der Sibylla Artzt“ (Schroder Collection, Bath) von Hans Burgkmair sowie dessen kolorierter Holzschnitt von „Jakob Fugger mit venezianischer Goldhaube“ (Staatliche Graphische Sammlung, München) zu sehen.
Jakobs Bildnis ist auch auf einer Medaille (Kunsthistorisches Museum Wien) von Hans Schwarz (1492–um 1550) überliefert. Derartige an das römische Münzporträt angelehnte Stücke waren eine typische Erfindung der italienischen Renaissance, die bald auch in Augsburg aufgegriffen wurde.
Die hervorragend kurierte Schau „Holbein und die Renaissance im Norden“ im Städel Museum, die von der Sparkassen-Finanzgruppe mit Deutsche Leasing AG, Frankfurter Sparkasse & Sparkassen-Kulturfonds des Deutschen Sparkassen- & Giroverbandes und dem Städelschen Museums-Verein, der Dagmar-Westberg-Stiftung mit zusätzlicher Unterstützung durch die Fontana Stiftung, Ernst von Siemens Kunststiftung sowie Christa Verein Stiftung gefördert wird, ist bis zum 18. Februar 2024 zu sehen;
Weitere Informationen unter:
Der opulente Katalog (360 Seiten) kostet als Museumsausgabe 44,90 Euro.
Alle Abbildungen: Städel Museum
→ „Holbein und die Renaissance im Norden“ im Frankfurter Städel (1)