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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Momo“ – Familienstück nach Michael Ende im Schauspiel Frankfurt

Zeit ist Leben

„Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte.“

von Renate Feyerbacher

Schon der tolle Theaterprospekt mit den vielen Uhren fasziniert den achtjährigen Enkel…
Endlich geht der Vohang auf: „Hallo. Ich bin Momo“, so werden die Kinder und Erwachsenen im voll besetzten Schauspielhaus Frankfurt begrüßt.


Momo nach Michael Ende, Regie: Christina Rast, Tanja Merlin Graf, Foto: Robert Schittko

Durch ihre leuchtend blaue Perücke ist Momo immer im Blick. Gigi, der quirlige Fremdenführer, fährt mit dem Auto vor und kommt später mit Touristen, deren Gesicht mit seltsamen, langen Fransen verdeckt ist, und sie schier mit seinen Geschichten einlullt .

Beppo, der Straßenfeger, wird von vielen nicht ernst genommen, er braucht Zeit zum Nachdenken, bevor er antwortet. Beide sind enge Freunde von Momo. Fusi, die lustige Friseurin bedient ihre Kundschaft vor Momos Hütte.

Die Schweizer Regisseurin Christina Rast hat mit ihrer Schwester, der Bühnenbildnerin Franziska Rast, einen die Kinder fesselnden Einstieg von „Momo“ gefunden. Nach und nach wird das Geschehen nachdenklich und spannend.

Theaterprospekt und das Buchcover von Michael Endes Geschichte, Foto: Renate Feyerbacher

Das Kind Momo lebt in den Ruinen des Amphitheaters am Rande der Stadt. Immer mehr Menschen besuchen es, denn Momo hat eine Eigenschaft, die zu verkümmern scheint, sie kann zuhören. Mit dieser Fähigkeit gelingt es ihr, Streit zu schlichten, zu trösten, Geheimnisse zu ergründen und Menschen Selbstwertgefühl zu geben. Jede und jeder ist willkommen, egal ob jung oder alt, ob reich oder arm.

Ensemble: Die grauen Agenten der sogenannten „Zeit-Sparkasse“ , Foto: Robert Schittko / Schauspiel Frankfurt

Aber auf einmal kommen die Leute nicht mehr zu Besuch. Überall tauchen Agenten der sogenannten ‚Zeit-Sparkasse‘ auf und fordern die Menschen auf, Zeit zu sparen.

„Wir wissen, dass sie bei uns ein Sparkonto eröffnen wollen. Vergeuden ihr Leben mit Scherengeklapper, Geschwätz und Seifenschaum.“ Vergeudete Zeit:“ 1 Milliarde 324 Millionen 512 tausend Sekunden“, brüstet sich der Zigarre rauchende Chef der Grauen bei Fusi. Die Mutter pflegen, den Wellsittich als Haustier halten, ist zeitraubend, nutzlos.

Für Momo aber ist  Zeit Leben.


Rokhi Müller, Tanja Merlin Graf, Christoph Pütthoff, Foto: Robert Schittko /Schauspiel Frankfurt

Die Welt verwandelt sich schnell. Obwohl die Menschen Zeit sparen, scheinen sie jedoch weniger von ihr zu haben. Das Schöne im Leben sehen sie nicht mehr.

Mit der Puppe Bibidoll will ein Grauer-Agent Momo in die Zeit-Sparkasse locken. Aber Momo widersteht und entlockt dem Agenten mit der Frage, ob ihn denn niemand lieb habe, das Geheimnis der Grauen, die den Menschen nur schaden und nicht helfen wollen.

Der Gedanke an Fake-News ist nah.

Die Schildkröte Kassiopeia, sie kann nicht reden, macht sich musikalisch und durch Schrift bemerkbar, führt Momo zu Meister Hora gerade noch rechtzeitig, denn die Grauen wollen Momo fangen und tauchen an ihrer Hütte auf.

Das Geschehen nimmt rasant seinen Lauf, das Meister Hora nun steuert. Die Stundenblume wirkt.

Momo und die Stundenblume, Foto: Robert Schittko / Schauspiel Frankfurt

Michael Ende (1929-1995), dessen hintersinniger Märchen-Roman „Momo“ 1973  erschien,  nennt die Zeit ein großes Geheimnis, an dem alle Menschen teilhaben, das jeder kennt, aber über das die wenigsten nachdenken. Sieben Jahre hat er an dem Märchen-Roman gearbeitet. Zur Erinnerung: Ende war auch Autor von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ (1960- Deutscher Jugendliteraturpreis), „Momo“ (1973 – Deutscher Jugendliteraturpreis), „Die unendliche Geschichte“ (1979).

1986 realisierte Johannes Schaaf den Film „Momo“ (Drehbuch Ende) mit Radost Bokel, Mario Adorf, Armin Müller-Stahl und John Huston. Erst der Film gab Momo ein Gesicht.

Schlussplaus für das gesamte Team, Foto: Renate Feyerbacher

Momo ist die Anti-Barbie. Regisseurin Christina Rast hatte ein überzeugendes und ausgezeichnetes Team zur Verfügung: Tanja Merlin Graf als Schutz-Suchende, aber selbstsichere und schließlich rettende Momo, André Meyer als ruhiger, aber tatkräftiger Straßenkehrer Beppo, Christoph Pütthoff als quirliger Geschichtenerzähler, ein Sonnenschein, Uwe Zerwer als eiskalter Grauen-Chef, Abdul Aziz Al Khayat als sich schwer schleppende Schildkröte Kassiopeia, Rokhi Müller, Mitglied im Studiojahr Schauspiel, begeisterte und löste spontan Beifall aus für ihre Rolle Bibidoll, von Kathrin Krumbein herrlich kostümiert. Sehr stark auch die Gruppe der Grauen, die ständig an ihren Riesenzigarren ziehen.

Viele schöne ausgefallene Ideen der Regisseurin machen „Momo“ zu einem spannenden, nachdenklichen, hoffnungsvollen und zeitlosen Theaterereignis für Kinder ab acht Jahren.

Frenetisch war der Beifall und keiner wollte so schnell das Theater verlassen.

Ein Wermutstropfen: es gibt für die Vorstellungen bis zum 25. Dezember nur noch Restkarten.

www.schauspielfrankfurt.de

Kartentelefon: 069 -212 49 49 4

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