Museum Wiesbaden zeigt „Zeitfenster – Stephan Balkenhol trifft Alte Meister“
Moderne Skulpturen in spannendem Dialog mit alter Gemäldesammlung
Von Hans-Bernd Heier
Der international renommierte Bildhauer Stephan Balkenhol hat sich das Material Holz zu eigen gemacht und öffnet im Museum Wiesbaden ein Zeitfenster der besonderen Art: Seine Figuren, Abbilder des zeitgenössischen Menschen, treten in der Sonderausstellung „Zeitfenster: Stephan Balkenhol trifft Alte Meister“ in einen faszinierenden Dialog mit den Kunstwerken der vorzüglichen Gemäldesammlung alter Meister des Landesmuseums. 45 Skulpturen seiner von ihm geschaffenen „Kunstfamilie“ hat der Bildhauer dazu in den Themenräumen der Dauerausstellung auf der zweiten Etagen versammelt.
Ausstellungsansichtmit Besucherin; Foto: Museum Wiesbaden/ Bernd Fickert
„Wir freuen uns sehr, dass Stephan Balkenhol unsere Einladung angenommen hat, mit seinen Skulpturen die Alten Meister zu besuchen“, betont Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden. „In diesem einzigartigen Kontext entwickelt Balkenhol ein so ästhetisch bezauberndes wie intellektuell funkensprühendes Treffen über die Jahrhunderte hinweg. Wir sind glücklich, dass wir den bedeutendsten deutschen figurativen Bildhauer unserer Zeit zum ersten Mal im Museum Wiesbaden präsentieren können.“
Das Museum Wiesbaden legt in seiner Präsentation der Alten Meister seit 2013 den Fokus auf unterschiedliche Themenschwerpunkte: Sakrale Kunst, Porträtkunst, Landschaft oder das Goldene Zeitalter. Höhepunkte sind das „Walsdorfer Kruzifix“ aus dem 12. Jahrhundert oder „Die Falschspieler“ von Gerard van Honthorst. Auch die Zusammenarbeit mit lebenden Künstlerinnen und Künstlern nimmt dabei einen hohen Stellenwert ein. So begrüßt die raumgreifende Installation Grapheme von Robert Seidel die Gäste bereits beim Eintritt in den Sammlungsbereich.
Mit der Schau Zeitfenster begibt sich ein Teil von Stephan Balkenhols „Kunstfamilie“ auf einen Museumsbesuch der besonderen Art. „Dabei entsteht ein ungezwungener Dialog zwischen aktueller Gegenwartskunst und deren künstlerischen Vorläufern. Die Besucherinnen und Besucher kommen in das so entstandene Raumbild hinzu und werden selbst Teil der gemeinsamen Kunstbetrachtung. Tradierte Betrachterverhältnisse werden aufgebrochen, in Bewegung versetzt und vereinen alle Beteiligten“, erläutert Kurator Dr. Peter Forster, der die Idee zu dieser höchst beeindruckenden Schau hatte. „Vor zehn Jahren wurde der Sammlungsbereich der Alten Meister neugestaltet und in Themenräume gegliedert. Wir freuen uns, dieses Jubiläum nun mit Stephan Balkenhol feiern zu dürfen“, freut sich Forster, Kustos der Sammlungen 12. bis 19. Jahrhundert. Dem Künstler sei es gelungen, ein Experiment mit Perspektivwechseln und Begegnungen zu inszenieren.
„Meine künstlerische Arbeit ist eine Auseinandersetzung mit dem Menschsein und der Welt, in der wir Menschen verhaftet sind. Dazu gehört auch die Historie. Nur mit Geschichtsbewusstsein lassen sich Gegenwart und Zukunft bewältigen“, so Stephan Balkenhol. „Stellvertretend für den Ausstellungsbesucher stehen meine Figuren in einer Gemäldegalerie, betrachten Kunst und Geschichte und versuchen sich dadurch selbst zu verorten“.
Ausstellungsansicht, Foto: Hans-Bernd Heier
Balkenhols künstlerisches Schaffen ist tief verwurzelt in der europäischen Kunstgeschichte und deren humanistischen Anspruch. Bisweilen greift der Bildhauer direkt auf diesen kulturellen Fundus zurück, überträgt ihn in seinen ihm ganz eigenen Stil und schenkt den Betrachtern, wie beispielsweise im Falle der der Venus von Milo, eine moderne zeitgemäße Variation der Göttin. Auf höchst lebendige Art und Weise repräsentieren seine Figuren aus farbig gefasstem Wawa-Holz oder patinierter und bemalter Bronze unseren Alltag und schaffen somit eine große Nähe zu uns selbst.
Portrait Stephan Balkenhol, 2023, Foto: Kathrin Balkenhol
Stephan Balkenhol wurde 1957 als jüngster von vier Söhnen im hessischen Fritzlar geboren. Nach dem Abitur im Jahre 1976 ging Balkenhol nach Hamburg und studierte dort an der Hochschule für Bildende Künste. Ab 1979 arbeitete er in der Bildhauerklasse des abstrakten Bildhauers Ulrich Rückriem. Gegen Ende des Studiums, 1982, vollzog Stephan Balkenhol einen radikalen Schnitt: Er beschäftigte sich vermehrt mit menschlichen Köpfen aus Ton und schließlich aus Holz. Nach dem Studium entstanden die ersten hölzernen Menschenfiguren. Seit 1983 gab es über 100 Einzelausstellungen in bekannten Galerien und internationalen Museen. Für den öffentlichen Raum realisierte der vielfach ausgezeichnete Bildhauer zahlreiche Skulpturen. Von 1992 bis 2023 war Balkenhol Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe.
Noch besitzt das Museum Wiesbaden keine Skulptur des bedeutenden figurativen Bildhauers, wie Kurator Forster bedauert. Doch das soll sich bald ändern: Der Verein der Freunde des Museums Wiesbaden e.V. unterstützt das Wiesbadener Landesmuseum seit 1994 bei der Förderung von Ausstellungen, kultureller Bildung, dem Erwerb von Kunstwerken und insbesondere als Bindeglied zur Wiesbadener Stadtgesellschaft. Die 2012 vom Kuratoriumsvorstand Stephan Ziegler ins Leben gerufene Museumsgala ermöglichte dem Museum Wiesbaden Ankäufe von Kunstwerken bedeutender Künstler, u.a. von Wilhelm Lehmbruck, Alexej von Jawlensky oder Ellsworth Kelly. In diesem Jahr unterstützen die Kunstförderer den Ankauf des Kunstwerkes „König auf Stuhl“ von Stephan Balkenhol. Dr. Gerd Eckelmann, Vorstandsvorsitzender der Freunde des Museums Wiesbaden, überreichte Museumsdirektor Dr. Andreas Henning am 8. November 2023 einen Check über 50.000 Euro. Mit Hilfe der großzügigen Spende der Museumsfreunde hofft die Museumsleitung, den Kaufpreis aufzubringen.
Dr. Gerd Eckelmann Vorstandsvorsitzender der Freunde des Museums Wiesbaden (2. von links), überreicht einen 50.000 Euro-Scheck an Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden (von rechts); Foto: Josh Schlasius
Die Edition „Waage / Justitia“ von Stephan Balkenhol ist über die Ausstellungslaufzeit im Museum Wiesbaden erhältlich. Die Erlöse kommen anteilig der Finanzierung des Ausstellungskataloges zugute, der im Februar 2024 erscheint.
Die Ausstellung „Zeitfenster: Stephan Balkenhol trifft Alte Meister“ in den Themenräumen der Dauerausstellung wird gefördert durch die Freunde des Museums Wiesbaden e.V. und ist noch bis zum 2. Juni 2024 zu sehen. Im Vortragssaal des Museums werden Videos über Stephan Balkenhols Arbeit in seinem Atelier gezeigt.
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