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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Laura J.Padgett: Regenerating Permanence“ im Kabinettraum des Jüdischen Museums

Modernes jüdisches Leben in der Stadtgesellschaft

von Petra Kammann

Die Jüdischen Kulturwochen, die 1980 auf Initiative von Michel Friedman und Hilmar Hoffmann entstanden, sind seither fester Bestandteil des Kulturprogramms der Jüdischen Gemeinde. Einen zentralen Ort im Selbstverständnis der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, die 2023 ihre Wiederbegründung vor 75 Jahren feiert, bildet mit ihrer komplexen Geschichte die Westend-Synagoge. Im Rahmen der diesjährigen Jüdischen Kulturwochen (22.10. – 97.11) stellt das Jüdische Museum Frankfurt nun in der zweiten Etage der Dauerausstellung „Wir sind Jetzt“ im Raum „Kunst und Tradition“ eine Fotoserie von Laura J. Padgett aus, welche die Künstlerin von der Architektur der Westend-Synagoge angefertigt hat. „Regenerating Permanence“ lautet der Titel der in Frankfurt lebenden US-amerikanischen Foto- und Film-Künstlerin Laura J. Padgett.

Die Foto-Künstlerin Laura J. Padgett vor einer ihrer Synagogen-Fotoarbeiten, Foto: Petra Kammann

Der Titel legt es nahe: Hier geht es um eine Art Renaissance mit frischen Impulsen. Padgetts fotokünstlerische Serie bezieht sich auf die hiesige, einst vom Architekten Franz Roeckle entworfene und prächtig im Jugendstil ausgestaltete und 1910 eröffnete Synagoge im Frankfurter Westend, die über mehrere Gebets- und Versammlungsräume verfügte und während des Novemberpogroms 1938 in Brand gesetzt wurde. Dabei war das Gebäude nicht zuletzt der umliegenden Wohnhäuser wegen erhalten geblieben und wurde während der Nazi-Zeit für unterschiedliche Zwecke genutzt, zuletzt als Lagerraum für die Frankfurter Oper.

Laura J. Padgett im Gespräch mit Sara Soussan, Kuratorin Jüdische Gegenwartskulturen im Jüdischen Museum, Foto: Petra Kammann

Eigentlich habe sie zunächst vor allem über den Grafiker des „Neuen Frankfurt“ Hans Leistikow, (1892-1962), der den neuen Formen des Bauens, Wohnens, Miteinanderlebens in den 20er Jahren Frankfurt unter Stadtbaurat Ernst May Gesicht und Gestalt gegeben hatte, forschen wollen, erzählt die stets gründlich recherchierende Künstlerin im Gespräch mit der Kunst-Kuratorin Sara Soussan vom Jüdischen Museum. Doch dann sei sie fasziniert und bisweilen auch entsetzt gewesen, als sie sich zwischen 2019 und 2021 während der Pandemie intensiv mit der Geschichte der Westend-Synangoge auseinandergesetzt habe und immer wieder zum Fotografieren hingegangen sei, um dort mit den „Geistern“ zu kommunizieren.

Blick in die Ausstellung, Foto: Petra Kammann

Ihre großformatig angelegten Fotoarbeiten vergegenwärtigen die in das Gebäude eingeschriebene Geschichte: den Wiederaufbau und eine Art Rekonstruktion unter den Architekten Werner Hebebrand und Max Kemper nach dem Krieg unter finanziell knappen Mitteln. Da lag nicht nur die Bauleitung bei Hans Leistikow. Er hatte auch die Fenster der Synagoge, das Mosaik der Ostwand und die Ausmalung der Kuppel entworfen. 1950 war es dann so weit. Die Synagoge konnte wieder eingeweiht werden, auch wenn man noch nicht wusste, ob man bleiben würde.

Die Stellvertretende Direktorin Dr. Eva Sabrina Atlan hatte schon in ihrer Begrüßungsrede Rede Eva Atlan über Laura J.Padgett einen detaillierten Blick in die komplexe Geschichte der Westend-Synagoge gegeben, deren Nachlesen sich lohnt. Sie stellt darin auch die Bezüge zur Dauerausstellung und zu Judaica-Objekten im Jüdischen Museum her. 

Der bemerkenswerten, gebrochenen Geschichte ging die Künstlerin mit ihren stillen und menschenleeren Bildern, hinter denen man das jüdische Leben ahnend imaginieren kann, auf die Spur. So spielen in den Fenstern die Töne Grau und Graublau die Hauptrolle, die der archaisch golden schimmernden Kuppel gegenüberstehen und ein spezielles Licht erzeugen. Solche Details wahrzunehmen und in den Bildern zu vermitteln, zeugt von der Könnerschaft der Künstlerin Padgett.

Laura J. Padgett, „Where We Stand“, 2021, JMF, Courtesy Galerie Peter Sillem

Mit ihren Bildern setzt sie nicht etwa auf eine monumentale Inszenierung und Symmetrie. Vielmehr lotet sie das heutige Spannungsverhältnis zwischen „Wiederbelebung“, „Verjüngung“ und „Rückkoppelung“ einerseits und auf „Beständigkeit“ und „Dauerhaftigkeit“ andererseits aus, indem sie den Blick aus den Sichtachsen heraus zu Details hin verrückt, die man oft genug nicht wahrnimmt.

Dabei setzt sie immer auch auf besondere Lichtstimmungen. Ihre Perspektive richtet sie von der Empore, die seinerzeit den Frauen vorbehalten war, auf den Hauptraum oder zum Beispiel auf wehende Vorhänge im „Zwischenbereich“ des Gebäudes, auf abgelegte Gebetsschals oder auf eine provisorische Sukka (Laubhütte) im Vorhof der Synagoge. Dabei überlässt sie es der Phantasie der Betrachter, die dazugehörige Geschichte zu erfahren.

Sichtlich bewegt berichtete Marc Grünberg, Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde, von seinen Kindheitserinnerungen an die Synagoge, die zu seinem Zuhause wurde, Foto: Petra Kammann

Für Marc Grünberg, den Kulturdezernenten der Jüdischen Gemeinde, ist die Westend-Synagoge bis heute nicht nur die „schönste Synagoge der Welt“. In ihr, der einstigen Synode mit liberaler Tradition sowie einer eingebauten Orgel, auf welcher der Komponist Siegfried Würzburger noch bis 1938 seine Kompositionen gespielt hatte, trafen in dieser besonderen Synagoge auch ganz verschiedene religiöse und weltliche jüdische Traditionen aufeinander. Sie mussten nach dem Krieg in dem neu zu definierenden Raum erst einmal zueinander finden.

Emotional bewegt, berichtete Grünberg von seinen Kindheitserinnerungen, wo für ihn persönlich dieser Versammlungsort zu einer Art Ersatzheimat wurde. Sie war es wohl auch für all diejenigen, deren Eltern oder Großeltern ihren Kindern keinen geschützten Raum mehr bieten konnten, weil sie alles verloren hatten…

Galerist Peter Sillem im Gespräch mit der Frankfurter Fotografin Barbara Klemm, Foto: Petra Kammann

Und für Padgett bot die Synagoge ein spannendes Recherche- und Fotografierfeld. Im Kontext „Kunst und Tradition“ des Museums haben ihre Bilder nun einen sinnvollen Platz mit Bezügen zu den ausgestellten rituellen Gegenständen in den davor liegenden Räumen…

Auch die legendäre Frankfurter Fotografin Barbara Klemm war eigens zur Vernissage gekommen, obwohl ihre eigene große Ausstellung „Barbara Klemm – Frankfurt Bilder“ schon am kommenden Donnerstag  im Historischen Museum eröffnet wird.

Remember. Bemerkens- und sehenswert ist Laura C. Padgett Schau bis zum kommenden November.

Laura J. Padgett, Biografie

Laura J. Padgett, 1958 in Cambridge (USA) geboren, erhielt ihren Bachelor of Fine Arts in Malerei am Pratt Institute in Brooklyn, New York. Zwischen 1983 und 1985 setzte sie ihr Studium in Film und Fotografie bei Peter Kubelka und Herbert Schwöbel an der Städelschule fort und erhielt 1994 ihren Magister Artium in Kunstgeschichte und Ästhetik an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Seit den 1990er Jahren stellt Laura J. Padgett aus, ihre Werke und Filme wurden unter anderem in der Galleria d’Arte Moderna, Bologna, im Fotomuseum Winterthur, im Städel Museum in Frankfurt, am Centre Georges Pompidou in Paris, im Pharos Centre for Contemporary Art in Nicosia und im Museum Giersch, Frankfurt am Main, gezeigt. Ihre Arbeiten befinden sich in verschiedenen renommierten öffentlichen und privaten Sammlungen. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

 

www.juedischesmuseum.de

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