Das Museum Ludwig in Köln zeigt Fotografien der großen Walde Huth
Die Rüschen von Dior, die buntbestrumpften Beine auf dem Teppich, der Vorhang im Wind
von Simone Hamm
In diesem Jahr wäre Walde Huth 100 Jahre alt geworden. Anlässlich ihres Geburtstages widmet das Museum Ludwig in Köln ihr eine Ausstellung „Walde Huth: Material und Mode“. Berühmt geworden ist Walde Huth mit Modefotografien. In den fünfziger Jahren sind die französischen Modeschöpfer wieder zurück. Die Pariser Starmannequins tragen Tüll und Seide, Pailletten aus Muscheln und Nussschalen bei Jacques Fath oder Schleifen und Rüschen bei Christian Dior.
Alle, die an Mode interessiert sind, blicken nach Paris. Auch Walde Huth. Sie fotografiert für deutsche Modezeitschriften und Gesellschaftsmagazine. Sie fotografiert für die FAZ, für Vogue. Und sie fotografierte völlig anders als ihre männlichen Kollegen. Für sie sind die Mannequins (sie sagte niemals Models) selbstbewusste junge Frauen. Und so zeigt sie sie.
Walde Huth hat die Mannequins vom Laufsteg auf die Straße geholt. Sie hat sie vor den Brücken fotografiert, vor dem Eiffelturm, zwischen Straßenkehrern und Flaneuren. Passanten am Nachmittag neben einer Frau im Diorkleid, das ist so ein typisches Walde Huth Motiv.
Lucky trägt ein rabenschwarzes Cocktailkleid, hauteng, knielang, trägerlos. Im Hintergrund, vor einer Treppe, flanieren junge Männer. Paris am Nachmittag.
Das Kleid hat einen tiefen U – Bootausschnitt. Die Schultern liegen frei. Um Dekollette, Schultern und Rücken zieht sich ein breiter Kragen, ein Band aus pechschwarzen üppigen Rüschen. Lucky beugt sich in Richtung Kamera. Walde Huth ist es gelungen, Lucky einzubetten in die Pariser Stadtarchitektur und zugleich den kapriziösen Ausdruck der jungen Frau hervorzuheben.
Walde Huth hat Lucky, das Starmannequin im Kleid von Dior 1955 fotografiert. Frauen wie Lucky verkörpern ein neues Frauenbild. Sie sind schön und stark. Zwei beruflich sehr erfolgreiche Frauen begegnen sich, die eine vor, die eine hinter der Kamera. Sie präsentieren Christian Diors New Look perfekt. Lucky im Kleid von Dior ist eines der berühmtesten Fotos von Walde Huth. 208 warb das Plakat der Dior-Ausstellung im Kölner Museum für Angewandte Kunst mit diesem Motiv.
Andere Fotografen haben auch auf der Straße fotografiert, etwa ein Abendkleid vor der großen Oper. Immer hatten Fotografie und Kleid einen örtlichen Bezug zueinander. Walde Huth braucht diese Rückbeziehung auf die Örtlichkeit nicht. Sie sieht es linear, geht von der Form aus, der Gestaltung der Robe.
Patrizia im Kleid des Pariser Couturiers Jacques Fath so ein Foto, ebenfalls ein sehr berühmtes. Die große junge Frau trägt ein eng anliegendes, bodenlanges Kleid. Pechschwarz. Ihre dunklen Haare sind streng zurückgekämmt. Kühler Blick unter starken Brauen. Beinahe herausfordernd. Große Perlen hängen an ihren Ohren. Sie steht am Ufer der Seine vor einer Pariser Brücke. ihr Gesicht schimmert weiß vor dem dunklen Brückenstein. Sie hat die Arme in die Hüften gelegt. Ihren Oberkörper beugt sie leicht, ganz leicht nach hinten. Die Biegung der Brücke spiegelt sich darin wieder: Patrizia, der Star der Pariser Modeschöpfer. Walde Huth ist tief berührt von der Ästhetik der Pariser Brücken. Sie solle, so sagt sie zu Patrizia, einfach mit ihrem Körper das Pendant dazu bilden.
Mit Fotos wie dem von Lucky mit dem Rüschenkragen und von Patrizia im Kleid des Pariser Couturiers Jacques Fath hat Walde Huth in den fünfziger Jahren Furore gemacht. Ihre Fotografien sind mehr als Werbebotschaften. Sie zeigen Aufbruch und Hoffnung, sie feiern das Schöne. Der Krieg ist gerade ein paar Jahre vorbei. Köln liegt noch halb in Trümmern. Walde Huths Fotos bringen den Flair von Paris in deutsche Modezeitschriften.
Die Kuratorin der Ausstellung Miriam Szwast hat aber aus dem Museumsbestand von hunderten von Fotos nicht nur Walde Huths berühmte Modefotografien herausgesucht. Sie will die roten Linien herauszuarbeiten, zeigen, wie die Modefotografie, die Werbefotografie, die abstrakte Fotografie wirklich ineinander greifen und zusammenspielen. So sind im Museum Ludwig auch viele Fotos aus Walde Huths Kölner Zeit zu sehen.
1956 lernt sie ihren Mann kennen, den Architekturfotografen Karl Hugo Schmölz. Er hatte immer wieder das zerstörte Köln, später dessen Wiederaufbau auf Fotos festgehalten. Noch im selben Jahr heiraten sie. Die beiden gehen nach Köln, eröffnen das Fotostudio„Schmölz und Huth“.
Hugo Schmölz und Walde Huth ergänzen sich perfekt. Sie sind aufregend, vermögend, glamourös. Bald zählt das Fotostudio der Huths zu den ersten der Republik.
Karl Hugo Schmölz fotografiert Industriedesign, Autos, Waschmittel, Bücher. Walde Huth fotografiert Markenartikel wie Einhorn-Hemden oder Strümpfe der Firma Götz. Ihre Modefotos bleiben Schwarz-Weiß, in der Werbung, etwa für einen Radioapparat, fotografiert sie farbig: eine Frau im roten Kleid vor einem roten Auto, die ein winziges Radio in der Hand hält.
Jedes Foto aus dem Studio Schmölz und Huth ist eine Inszenierung. Wie in ihren Modefotografien überlässt Walde Huth auch bei den Werbefotos nichts dem Zufall, alles ist arrangiert.
Zu den bekanntesten Fotos von Walde Huth aus jenen Jahren gehört das Werbefoto für einen Teppichboden. In den oberen zwei Dritteln des Fotos sind Beine zu sehen, viele Beine in bunten Strumpfhose. Bei Walde Huth wird der Teppich zum festen Untergrund für das pralle, farbige Leben.
Nach dem Tode von Karl – Hugo Schmölz will Walde Huth weg von der Werbung hin zur Kunst. Sie fotografiert Erbschoten, Kartoffeln, Federn, Eier, verfremdet sie. Und auch Landschaften. Sie macht lange Spaziergänge in der Eifel, wo sie ein kleines Häuschen besitzt. Auch im tiefsten Winter. Sie geht nie ohne Kamera vor die Tür. So ist „Gefrorene Form“, entstanden. Grau in Grau. Farbstufen. Solche Farbstufen sind Walde Huth stets wichtig gewesen.Denn die Fotografie besteht für sie aus Farbstufen, Klangstufen, Tonstufen.
In ihrem Ferienhaus in Seborga schafft sie den Fotozyklus „100 ungelesene Briefe“. Hundertmal hat Walde Huth dasselbe Fenster, dieselben Vorhänge fotografiert, zu verschiednen Zeiten in unterschiedlichem Licht. Ein einfaches Holzfenster in braugrauen Tönen. Ein Fensterladen, wie man ihn aus dem Süden kennt. Schattenspiele. Licht. Eine Gardine, die auf jedem Foto neue Falten wirft. Doch der große Erfolg bleibt aus.
Walde Huth ignoriert die Gesetzte des Marktes: sie will als Künstlerin anerkannt werden, sie pfeift auf das Urteil der Auktionshäuser, geht keine Kompromisse ein. Bis zu ihrem Tode lebte sie in Köln Marienburg. Sie hat immer mitten in der Stadt wohnen wollen, aber immer auch dort, wo die sie die Vögel zwitschern hören kann.
Doch die Villa gehört ihr nicht mehr. Und sie lebt nicht mehr in der Belle Etage. Nach dem Tode ihres Mannes kamen Steuerforderungen auf sie zu, mit Geld kann die großzügige alte Damen nicht umgehen, ihre neuen Fotografien sind nicht gefragt. Sie hat die Villa – wie auch die Ferienhäuser – verkaufen müssen. Doch sie kann dort wohnen bleiben. Sie hat ihre ehemaligen Laborräume im Souterrain gemietet. Ihre einstige Dunkelkammer.
Sie lebt zurückgezogen, ist völlig verarmt. 2011 stirbt sie bei einem Wohnungsbrand. Ihre Fotos geraten in Vergessenheit.
Es ist das Verdienst des Museum Ludwigs, die Fotografien wieder in den Fokus der Öffentlichkeit zu stellen. Zudem ist in Köln auch etwas von der privaten Walde Huth zu sehen. In Vitrinen hat die Kuratorin liebevoll private Fotos, etwa ein Hochzeitsfoto arrangiert, auch Kontaktabzüge und Negative. Und auf einem Portraitfoto blickt Walde Huth mit großen Augen genauso selbstbewusst in die Kamera wie später ihre Mannequins.
Walde Huth.
Material und Mode
23.9.2023 – 3.3.2024
museum-ludwig.de