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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Don Pasquale“ Dramma buffo von Gaetano Donizetti – im Bockenheimer Depot

Alte Männer und junge Frauen. Ein Verwirrspiel

von Renate Feyerbacher

Fotos: Matthias Baus /Oper Frankfurt

Gebannt war der Blick auf die Bühne. Kein Moment durfte verpasst werden. Die Inszenierung fesselte, eine grandiose Sängerin und vier tolle Sänger begeisterten ebenso wie das Museums-Orchester der Frankfurter Oper unter Simone Di Felice. Schwelgen bei herrlicher Musik. Wieder eine Glanznummer an der Frankfurter Oper, die soeben erneut den Titel Opernhaus des Jahres bekam und das zum siebten Mal. Die Geschichten sind immer wieder ähnlich. Kurz zuvor hatte Molières „Der Geizige“ Premiere in Schauspielhaus. Der alte, reiche Harpagon versucht, seine Kinder reich zu verheiraten, zu Zwangsehen zu drängen. Der Geiz ist die Triebfeder. Er selbst, der Alte, will die junge, mittellose Marianne heiraten, die mit Sohn Cléante liiert ist.

Božidar Smiljanic (Don Pasquale)

Der kinderlose Don Pasquale ist auch alt und reich und will seinen Besitz gewahrt sehen. Ihm missfällt, dass sein Neffe Ernesto, die mittellose Witwe Norina heiraten will. Ernesto erfährt von den Heiratsplänen seines Onkels, der ihn enterben will und seinen Bekannten Doktor Malatesta bereits beauftragt hat, ihm eine junge Braut zu finden. Mit ihr will er auch Kinder haben.

Ernesto schreibt Norina, die sich daraufhin an Malatesta wendet. Dieser überredet sie, sich Don Pasquale als Braut vorzustellen – unter dem Namen Sofronia. „Ich bringe dir nun die Rolle bei“, so Malatesta zu Norina.

Der tückische Pakt, verwirrend auch die Doppelbödigkeit für das Publikum, hat halluzinzatorische Züge. Ist Don Pasquale Donizetti selbst?

Gaetano Donizetti (1797-1848) schrieb das Dramma buffo im Jahr 1843. Es war sein letztes, aber sehr berühmtes Werk. Bassbariton Božidar Smiljanic als Titelheld ist nicht auf alt getrimmt, könnte also dem Alter des Komponisten als er das Dramma schrieb, entsprechen.

Der Komponist Donizetti kam aus einer kinderreichen Familie in Bergamo und wurde bereits mit neun Jahren in die Musikschule für Kinder aus armen Verhältnissen aufgenommen. Der aus Bayern stammende Domorganist und Komponist Johann Simon Mayr (1763-1845), in Italien bekannt als Giovanni Simone Mayr, förderte ihn schon früh, öffnete ihm später die Tore zu den Theatern.

Das Dramma „Enrico di Borgogna“ wurde im November 1818 am Teatro San Luca in Venedig uraufgeführt. Es war das gefeierte Opern-Debüt des 21jährigen Gaetano Donzetti. Immer wieder gab es große Triumphe, aber auch herbe Niederlagen in der weiteren Karriere. Internationale Anerkennung bekam er in Mailand 1830 für die lyrische Tragödie „Anna Bolena.“ Nun wurde er nicht mehr als Epigone von Giaccomo Rossini wahrgenommen. In den 1840iger Jahren war er Kammerkapellmeister in Wien und durfte Monate in Paris verbringen, wo 1843 „Don Pasquale“ uraufgeführt wurde.

Schon vorher hatte er über Kopfschmerzen geklagt, bekam hohes Fieber und seine Freunde stellten bei dem erst 45-Jährigen deutliche Altersspuren fest. „Seine glühenden und ausdrucksvollen Augen hätten tief in den Höhlen gelegen. Damals glaubte man auch die ersten psychischen Symptome seiner Krankheit zu erkennen. Seine in ‚Makkaroni Latein‘ verfassten Briefe hinterließen zeitweilig einen merkwürdigen Eindruck.“ (Zitat: aus „Fieber?“ Beitrag von Franz Hermann Franken Auszug aus: „Die Krankheiten großer Komponisten“ 1999 – Programmheft S.28)

Bewusstseinstrübungen, Zustände von Verwirrung, Schwäche in den Beinen nahmen zu.

Heute weiß man, dass diese Zustände nicht durch Überarbeitung und durch zu vieles Reisen verursacht waren, sondern vermutlich die Folge einer in jungen Jahren eingefangenen Syphilis-Infektion, die Lähmung der motorischen Nerven und krankhafte Veränderung des Gehirns nach sich zog.

Drei Jahre lang verbrachte Donizetti in der ‚Matratzengruft‘ wie der im selben Jahr wie der Komponist geborene Dichter Heinrich Heine (1797-1856), seinen eigenen späteren Zustand betitelte. Heine brachte ab 1848 ganze acht Jahre lang in seiner ‚Matratzengruft‘ zu. An der Ursache für seine Krankheit, das Rückenmarkleiden, wird auch heute noch geforscht.

Heine, der in Paris lebte, hatte Donizetti gekannt: „Über Donizettis Zustand werden die Berichte täglich trauriger. Während seine Melodien Freude gaukelnd die Welt erheitern, während man ihn über all singt und trällert, sitzt er selbst, ein entsetzliches Bild des Blödsinns, in einem Krankenhaus in Paris.“ (Programmheft S.31)

„Es ist ein Wunder, wenn Du diesen Hammer im Kopf aushältst,“ singt Don Pasquale.

Božidar Smiljanic (Don Pasquale) und Bianca Tognocchi

Die italienische Regisseurin Caterina Panti Liberovici geht im Gespräch mit Dramaturgin Deborah Einspieler auf die Syphilis ein, die beim Komponisten, der sich am Textbuch beteiligte, Halluzinationen auslöste. Sofronia alias Norina lässt sie immer wieder durch die Tänzerinnen Mirjam Motzke und Madeline Ferricks-Rosevear ersetzen. Donizettis Biografie hatte sie bei der Inszenierung im Kopf.

Das große Bett, das der Bühnenbildner Sergio Mariotti, links auf der Bühne immer wieder herausfahren lässt, auf dem sich Don Pasquale räkelt, entspricht dieser Intention. Eine geniale Idee. Klappe auf und zu und das Bett ist weg. Die Kostüme von Raphaela Roses ausgefallen-passend und die Lichtspiele von Joachim Klein verstärken die Verwirrung.

Es wird viel geschrieben. Überall die Bühne übersäendes Schreibpapier und überdimensionale Federkiele, die sowohl Don Pasquale, als auch Doktor Malatesta zur Hand nehmen. Turbulent geht es zu und manchmal fällt der Stuhl zu oft um, aber das sind Kleinigkeiten, die den Abend nicht trüben. Durch das ständige Tragen von Masken à la Commedia dell‘ Arte geht allerdings viel von der Mimik verloren. Schade.

Don Pasquale ist entzückt von Sofronia alias Norina. Schnell kommt der Notar (Pilagoo Kang) zur Unterschrift des Ehevertrags. Gleich danach verwandelt sich die schüchterne junge Frau in eine Furie. „Pass nur auf, verrückter Alter, was ich dir jetzt auftische“, so Norina.

Sie will alleine ins Theater gehen, kauft Kleider und Schmuck für Unsummen, wird sogar handgreiflich. Don Pasquale tobt, verbietet ihr, ins Theater zu gehen. Angeblich hat sie auch ein Rendezvous mit einem Liebhaber, den er gemeinsam mit Malatesta in flagranti erwischen will. Scheidung ist angesagt. Seine freche, bösartige Ehefrau will er sich vom Hals schaffen. Sofronias wahre Identität wird nun enthüllt. Am Ende wird wie so oft alles gut. Ernesto kann Norina heiraten und auf Mitgift hoffen.

Das Schlussfazit von Norina lautet: Alte Männer sollen keine jungen Frauen heiraten. Das kann natürlich jeder einschätzen wie er will.

Bianca Tognocchi (Norina) und Božidar Smiljanic (Don Pasquale)

Herrlich Norina und die vier Sänger, die um sie herum agieren.

Bianca Tognocchi gehört seit drei Jahren zum Ensemble und hat bedeutende Titelpartien übernommen. Die italienische Sopranistin, Preisträgerin zahlreicher Gesangswettbewerbe, Gastauftritte an mehreren europäischen Opernhäusern, meisterte brillant die Rolle der Norina mit unerbittlich hohen Tönen. Nur schüchternes Liebesgeflüster bei der Verstellung, dann fast brutale Sprödigkeit nach der Enthüllung ihrer wahren Identität.

Božidar Smiljanic hat in Frankfurt seit Jahren bedeutende Rollen übernommen und nun die von Don Pasquale. Ab Januar 2024 singt er die Titelpartie in der Neuinszenierung von „Le nozze di Figaro“. Ein stimmlich und spielerisch überzeugender Don Pasquale, der manchmal Not hatte, sich gegen das groß besetzte Orchester durchzusetzen.

In der 2. Aufführung – in der Premiere war es Mikolaj Trabka – gab Bariton Liviu Holender sein Rollendebüt als Doktor Malatesta – ein herrlich bösartiger, intriganter Typ.

Brayan Avila Martinez, ein mexikanischer Tenor, sang Ernesto, eine schöne Stimme, die aber zu verhalten rüber kam. In der Premiere sang Pablo Martinez den Ernesto.

Star des Abends war zweifelllos das üppig besetzte Orchester, das im Graben des Bockenheimer Depots sehr dicht saß, dennoch unter Leitung von Kapellmeister Simone di Felice vorzüglich musizierte und vom Publikum frenetisch gefeiert wurde.

Ein Opernabend in italienischer Sprache mit deutschen Obertiteln, der nicht verpasst werden sollte. Gelegenheit dazu ist am 9.,10., 14. und 15. Oktober.

www.oper-frankfurt.de

Kartenverkauf ohne Vorverkaufsgebühren:

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