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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Parsifal an der Oper am Rhein

Zombies, Nosferatu und ein Clown

von Simone Hamm

In Bayreuth hatte in diesem Jahr ein Parsifal Premiere, bei dem die Zuschauer sich 3D-Brillen aufsetzten. Eine Augmented Reality Show von Jay Schwab. Schwäne kommen geflogen, Steine schweben, Lilien wuchern, ein Speer saust aufs Publikum zu. In Düsseldorf zeigt Michael Thalheimer das exakte Gegenteil. Weil er glaubt, dass wir alle überflutet sind von Reizbildern, mit denen wir tagtäglich bombardiert werden, ist die Bühne (Hendrik Ahr) schlicht gehalten, besteht aus grauen, weißen  oder schwarzen Wänden. In der Mitte öffnen die Wände sich manchmal: ein horizontaler und ein vertikaler Schlitz. Es tut sich nicht viel auf der Bühne. Oft stehen die Sänger minutenlang auf ein und demselben Platz und bewegen sich kaum. Michael Thalheimer setzt ganz auf die Musik.

Richard Wagner, Parsifal, Hier:  Hans-Peter König (Gurnemanz), dahinter von links: Bogdana Bevziuk (1. Knappe), Johannes Preißinger (4. Knappe), Shengwu Ou (3. Knappe), Verena Kronbichler (2. Knappe)., Foto: Sandra Then

…Und auf die Kostüme (Michaela Barth): Es treten Zombies, Nosferatu und  ein Clown auf. Aber der Reihe nach.

Der Gralskönig Amfortas hat eine Wunde, aus der es ununterbrochen blutet. Die Wunde kann nur mit dem heiligen Speer verschlossen werden. Den hat ihm sein Feind Klingsor entrissen. Nur ein „reiner Tor“ kann ihn wiederbringen, den König durch sein Mitleid von dessen Schmerzen erlösen.

Bereits während des Vorspiel ist Parsifal zu sehen: mit fettigen Haaren in weißer Unterwäsche, eher ein Tor als rein.

Gurnemanz, der Gralsritter tritt auf. Auch er ist weiß gekleidet, aber seine Hosen und die Jacke sind blutverschmiert. Er humpelt an Krücken über die Bühne. Hans Peter König singt mit sonorem, vollem Bass, absolut textverständlich. Kundry (bisweilen etwas zu kraftvoll, zu forciert: Sarah Ferede), die Kräuterkundige, kommt hinzu. Sie kann den Schmerz Amfortas zumindest lindern. Bei Thalheimer  trägt sie schwarze Hosen und raucht, ein weißes Kleid, eine rote Robe.

Die Ritter erscheinen. Sie sind wie Gurnemanz weißblutig gekleidet und erinnern in ihren klobigen Bewegungen eher an Zombies denn an Gralsritter. Gurnemanz erzählt langatmig noch einmal die Geschichte des Ordens. Die Gralsritter bringen Parsifal (Daniel Frank) zu ihm. Sie haben ihn gefangengenommen, weil er mit seinem Pfeil einen Schwan erschossen hat.

Sarah Ferede (Kundry), dahinter von links: Bogdana Bevziuk (1. Knappe), Johannes Preißinger (4. Knappe), Shengwu Ou (3. Knappe), Verena Kronbichler (2. Knappe)., Foto: Sandra Then

Zweiter Aufzug: Klingsors Zaubergarten. Schwarze Wände. Klingsor (Joachim Goltz), der mit seiner Glatze stark an Nosferatu erinnert, ist in einem Spalt der Bühnenwand zu sehen. Er hält sich wie ein Spätpubertierender, den eroberten Speer zwischen die Beine, drangsaliert Kundry. Sie soll Parsifal verführen. Dann wäre er kein reiner Tor mehr und könnte ihm nicht gefährlich werden. Parsifal widersteht Kundry – und auch den Blumenmädchen.

Sie haben Beulen an Schultern und Hintern. Ihrem Verlocken kann Parsifal leicht standhalten.

Daniel Frank (Parsifal), umgeben mit Anna Harvey (rechts) und weiteren Blumenmädchen. Foto: Andreas Etter

Im dritten Aufzug schreibt Kundry mit blutiger Farbe „durch Mitleid wissend, der reine Tor“ an die jetzt weiße Wand, wischt die blutbeschmierte Wand wieder ab und beginnt von vorn. Das ist  überdeutlich und überflüssig. Parsifal (jetzt am Stock und geschminkt wie ein Clown) bringt den Speer. Amfortas vollführt noch einmal die Gralszeremonie, enthüllt den Gral. Zu sehen ist nichts als gleißendes Licht (Licht: Stefan Bollinger),. Thalheimer hält seinen radikal reduzierten Parsifal bis zu den letzten Minuten durch.

Chor und Herrenextrachor der Deutschen Oper am Rhein (Leitung: Gerhard Michalski) sind gesanglich wesentlich einfühlsamer und eindrucksvoller als ihre Zombiekostüme es vielleicht vermuten lassen. Hell klingen die Stimmen aus der Höhe (in Düsseldorf von den Rängen). Die Düsseldorfer Sinfonie unter der Leitung von Axel Kober spielen herausragend gut, zart und leise, wenn sie etwa die Frühlingsstimmung wiedergibt, laut, nie zu laut, wenn es dramatischer wird. Das ist sehr sänger – und auch publikumsfreundlich, denn sie übertönen die Sänger nicht.

Es ist also ein sehr verhaltener Parsifal in Düsseldorf, musikalisch, vor allem szenisch. Nicht genug für fünf lange Stunden.

Weitere Vorstellungen:

Sa 23.09.2023. Opernhaus Düsseldorf. 17:00 – 22:00.

So 01.10.2023. Opernhaus Düsseldorf. 17:00 – 22:00.

 So 15.10.2023. Opernhaus Düsseldorf. 17:00 – 22:00.

 Sa 21.10.2023. Opernhaus Düsseldorf. 17:00 – 22:00. …

 Fr 29.03.2024. Opernhaus Düsseldorf. 17:00 – 22:00. …

 So 07.04.2024. Opernhaus Düsseldorf. 17:00 – 22:00.

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