75 Jahre Jüdische Gemeinde Frankfurt – „Jüdische Gemeinde gab Halt für das Leben nach dem Überleben“
Zur 75-Jahr-Feier der Wiederbegründung
Am kommenden Freitag beginnt das zweitägige Neujahrsfest Rosch ha-Shana, mit dem das Jahr 5784 begrüßt wird. Traditionell wird im Neujahrsgottesdienst das Schofar, das ausgehöhlte Horn eines Widders, geblasen. Gleichzeitig feiert die Jüdische Gemeinde Frankfurt 75 Jahre ihrer Wiederbegründung nach der Zeit des Nationalsozialismus. Anfang der 1930er Jahre war sie die zweitgrößte Jüdische Gemeinde Deutschlands. 1933 zählte sie mehr als 30.000 Mitglieder. Während der Shoah wurden etwa 12.000 Mitglieder ermordet. 1948 wurde die Gemeinde wieder aufgebaut. Heute zählt die Gemeinde rund 6300 Mitglieder und gehört damit wieder zu den größten des Landes.
Blick in die Kuppel der Westend-Synagoge, Foto: Petra Kammann
Oberbürgermeister Mike Josef ist sich bewusst, dass auch heute jüdisches Leben in Frankfurt immer wieder bedroht ist und bringt das in seiner Gratulation zum Ausdruck, wenn er sagt: „Ich gratuliere ganz herzlich zum Jubiläum. Kultur, Wirtschaft, Bildung – die Jüdische Gemeinde ist in all diesen Bereichen ein fester Partner. Dafür mein herzlicher Dank. Heute wie damals gilt: jüdisches Leben gehört fest zu unserem Frankfurt. Aber es gilt auch, sicheres jüdisches Leben ist nicht selbstverständlich. Deshalb müssen wir alles dafür tun, jüdisches Leben in Frankfurt am Main zu schützen“.
Bürgermeisterin und Diversitätsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg wünscht ein gesegnetes Rosh ha-Shana und gratuliert ebenfalls aus Anlass zu diesem besonderen und feierlichen Anlass: „Die Jüdische Gemeinde Frankfurt wurde zu einer Zeit wiederaufgebaut, als die Täterinnen und Täter oftmals unbescholten noch das gesellschaftliche Leben in Deutschland bestimmten. Angesichts der schmerzhaften Verluste, der Verfolgungserfahrungen und der Traumatisierungen war dieserr Neubeginn ein unbeschreiblicher Kraftakt, getragen von Mut, Fürsorglichkeit und Selbstbehauptung. Das Leben nach dem Überleben war für viele kaum vorstellbar. Die Jüdische Gemeinde gab ihnen Halt und Verbundenheit.“
Im Laufe der Jahre prägte die Jüdische Gemeinde immer mehr das Leben der Stadt Frankfurt. Ein jüdischer Kindergarten und eine Schule wurden gegründet, ein Familienzentrum, ein Willkommenszentrum, das Museum Judengasse wurde neu eröffnet, das Jüdische Museum baulich erweitert, TuS Maccabi zu einer Säule des sportlichen Frankfurts und im kommenden Jahr wird die jüdische Akademie eröffnet.
„Wir haben das große Glück, eine der aktivsten und engagiertesten Jüdischen Gemeinden überhaupt in Frankfurt zu haben“, sagt Eskandari-Grünberg. „Die Gemeinde wirkt positiv weit in die Stadt hinein. Auch politisch wirbt die Bürgermeisterin für Demokratie und Menschenrechte und arbeitet entschlossen gegen Antisemitismus. Das war 1985 so, als gegen ein antisemitisches Theaterstück protestiert wurde, 1987, als Gemeindemitglieder den Börneplatz besetzten, und in diesem Jahr, als sie gegen das Konzert von Roger Waters in der Festhalle aufstanden. „Es ist die Aufgabe der ganzen Stadtgesellschaft, die Gemeinde dabei zu unterstützen.“
Unabhängig davon wird das Jubiläum allerdings getrübt vom plötzlichen Tod des langjährigen Vorstandsmitglieds der Gemeinde, Harry Schnabel. Schnabel war am vergangenen Donnerstag, 7. September, verstorben und wurde am Sonntag darauf beigesetzt. „Das neue Jahr 5784 beginnt ohne unseren Freund Harry Schnabel. Wir hätten uns gewünscht, noch viele Neujahrsfeste mit ihm feiern zu können. Möge sein Andenken uns ein Segen sein, im neuen Jahr und für alle Zeit. Schana tova“, so Eskandari-Grünberg. Möge es ein süßes, gesundes und glückliches neues Jahr werden.