„Prinz von Homburg – Schlacht bei Fehrbellin“ von Heinrich von Kleist im Theater Willy Praml Naxoshalle
Die Schlacht im Lazarett erlebt
Vont Renate Feyerbacher
Sechs Betten, davon fünf belegt: der Kurfürst mit schwerer Kopfverletzung, seine Frau hat keine Arme mehr, die Hand des Prinzen und sein Kopf sind verbunden, sein Auge mit Klappe zugedeckt, hat er es verloren? Obrist Kottwitz wird beatmet und der Graf von Hohenzollern hat eine Beinschiene. Betreut werden sie von der Krankenschwester alias Prinzessin Natalie von Oranien. Das brandenburgische Schlachtfeld… Spielfläche ist die Längsseite der Naxoshalle, das Publikum sitzt dem Geschehen sehr nah.
Birgit Heuser, Jakob Gail, Anna Staab, Foto: Rebekka Waitz
Die Idee zu diesem Inszenierungs-Aufbau bekam Regisseur Michael Weber, der das Theater Willy Praml leitet, als er sich an seinen Großvater Wilhem O. erinnerte, dem 1943 mit 21 Jahren ein russischer Granatsplitter ins Hirn drang und sein Auge zerriss. Damit lebte er ein Leben lang. Bestärkt wurde er durch den Satz, den er im Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque fand: „Erst das Lazarett zeigt, was Krieg ist“.
Der deutsche Dramatiker Heinrich von Kleist (1777-1811) stammte aus einer Familie, die Generäle, Feldmarschälle in ihren Reihen hatte. Auch der Vater war ein hoher Militär. Getreu der Familientradition trat er mit 15 Jahren in Potsdam in den militärischen Dienst und blieb sieben Jahre dabei. Am Rheinfeldzug gegen Frankreich zwischen 1793 und 1795 nahm er teil. Heinrich von Kleist kannte also das Schlachtfeld. Er beschrieb es im Drama „Die Hermannsschlacht“ (1807-1808) und dann im Schauspiel „Prinz von Homburg“ (1809 /1810). Nie jedoch hat er die Aufführung dieser Stücke zu Lebezeiten erlebt.
Im „Prinz von Homburg“ geht es um die Schlacht des Kurfürsten gegen die Schweden in Fehrbellin. Ein historisches Ereignis, das vielen Schweden und Brandenburgern das Leben kostete. Das Schauspiel beginnt mit des Prinzen Traum. Der Prinz von Homburg träumt, träumt vom Sieg, von Natalie und hört nicht zu, welche Order der Kurfürst für die Kriegsführung gibt. Dieser ist ratlos, als er den schlafenden Prinzen sieht: „der junge Mann ist krank, so wahr ich lebe“. Spotten solle man nicht über ihn. Aber später, als der Prinz im Traum redet, ist der Kurfürst mürrisch: „Im Traum erringt man solche Dinge nicht.“ Damit meint er Siege und Natalie.
Der Kurfürst hatte die Order gegeben, der Prinz sollte „vom Platz nicht, der ihm angewiesen, weichen“, wie immer sich die Schlacht auch wenden würde. Der Prinz versucht aus dem Infusions-Kabel, mit dem Kottwitz beatmet wird, einen Kranz zu formen. Er sah sich im Traum gekrönt.
Birgit Heuser, Anna Staab, Foto: Rebekka Waitz
Der schmale Spielraum wird bei großer Hitze im zweiten Akt verlassen. „Doch dann wird er Fanfare blasen lassen“, wird mit Kreide auf die Schiebewand geschrieben, die aufgeschoben wird. Es geht zur Schlacht. Die Helden ziehen in die große Halle, Turbulenzen, Kriegs- und schließlich Triumphgeschrei ertönen von dort. Zu sehen ist von Weitem Getümmel. Der Prinz hat sich nicht an die Vorgabe des Kurfürsten gehalten. Er hat in die Schlacht eingegriffen und wahrscheinlich einen entscheidenden Schlag gegen die Schweden getan. Dennoch wird er zum Tode verurteilt, weil er den Befehl missachtete.
An Kleists Worte wird sich in dieser Aufführung gehalten, selbst seine Regie-Anweisungen werden gesprochen. Dennoch fehlen die wichtigen Passagen zum Beispiel zwischen dem Kurfürsten und dem Oberst Kottwitz, der den Prinzen verteidigt, in der Ausführlichkeit: „Die Schweden wankten, auf dem linken Flügel und auf dem rechten wirkten sie Sukkurs; Hätt er auf deine Order warten wollen, Sie faßten Posten wieder, in den Schluchten, und nimmermehr hättest Du den Sieg erkämpft“. Der Kurfürst: „[.] das Gesetz will ich, Die Mutter meiner Krone, aufrecht halten, Die ein Geschlecht von Siegen mir erzeugt!“ Kottwitz: „Herr, das Gesetz, das höchste, oberste, Das wirken soll, in deiner Feldherrnbrust, Das ist der Buchstab deines Willens nicht [..]Was kümmert dich, ich bitte dich die Regel.“ (5. Akt, 5. Auftritt – Zitiert aus Kleist Sämtliche Werke Band II Hanser Verlag 1982).
Dieser Disput zwischen dem Kurfürsten und Kottwitz ist hochbrisant und entscheidend, denn es kommt zum Treffen mit dem Prinzen und schließlich zu seiner Begnadigung. Alle jubeln ihm zu „Dem Sieger in der Schlacht bei Fehrbellin.“ Prinz: „Nein, sagt! Ist es ein Traum? “, „Ein Traum, was sonst?“ antwortet Kottwitz. Die Schlacht geht weiter. Der Schluss und vor allem der Disput zwischen Kurfürst und Kottwitz in Webers Inszenierung gelingen nicht überzeugend, zu langatmig. Dann nehmen alle ihre Verbände ab.
Jokob Gail, Birgit Heuser, Muawia Harb, Anna Staab, Foto: Renate Feyerbacher
Die Rollen Kurfürst und Prinz sind weiblich besetzt: mit Birgit Heuser, stark auftretend, und Anna Staab als Prinz – träumerisch, aber auch durchsetzungsstark. Die Rolle von Oberst Kottwitz, gespielt von Reinhold Behling, hätte mehr Beachtung finden müssen. Jakob Gail mit verstümmelten Armen war mal Kurfürstin und mal Kommentator – sprachlich stark und ein stimmlisch prima Trompeter und Muawia Harb vor allem als Graf Hohenzollern und mehr. Last but not least die natürlich-lockere Hannah Bröder als Krankenschwester und Prinzessin Natalie, die auch akustisch das Schlachtgetümmel begleitet.
Der Abend verging schnell. Eine Inszenierung, die an die vielen kriegerischen Einsätze, an die vielen Toten, an die traumatisierten Soldaten erinnert. Insofern ist es berechtigt, sie im Lazarett spielen zu lassen. Bedrückt verlässt man den Spielort, es bleibt wenig Hoffnung. Auch der „Prinz von Homburg“ von Heinrich von Kleist endet mit dem Aufruf: „Zur Schlacht!..Zum Sieg! Zum Sieg! In Staub mit allen Feinden Brandenburgs!“
Das Schauspiel-Team mit Willy Praml und Michael Weber, Foto: Renate Feyerbacher
Der Verteidigungskampf war berechtigt, hatten die Schweden doch Brandenburg attackiert.
Weitere Aufführungen
am 10. September und im Oktober
Kartentelefon: 069 – 43054734
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