Eröffnung der Ruhrtriennale
Barbary Freys „Ein Sommernachtstraum“ spielt auf einem Autofriedhof
Von Simone Hamm
Es ist die Grundidee der Ruhrtriennale, die alten Industrieruinen zu beleben. Es gibt Regisseure, die sich erst die Spielstätten in Hüttenwerken, Glasbläsereien, Zechen anschauen, bevor sie entscheiden, was und wie sie inszenieren. Umso verwunderlicher ist es, dass Barbara Frey, Intendantin der Ruhrtriennale im dritten und letzten Jahr, für ihre Inszenierung des „Sommernachtstraums“ die Spielstätten in den imposanten Industriebauten völlig außer Acht gelassen hat.
Ein Sommernachtstraum, v.l.n.r. Ensemble Burgtheater, hinten John Sneesby, rechts Oliver Nägele © Matthias Horn, Ruhrtriennale 2023
Dieser „Sommernachtstraum“ ist ein Stück für eine konventionelle Bühne. Barbara Frey hat wohl eher an die Aufführungen am Burgtheater, mit dem sie den „Sommernachtstraum“ koproduziert, als an die auf der Ruhrtriennale gedacht.
In Duisburg sind in die Kraftzentrale, die das stillgelegte Meidericher Hüttenwerks mit Strom versorgte, eine Drehbühne und eine Zuschauertribüne gebaut worden. Davor eine riesige, ungenutzte Halle. Was hätte hier für ein Wald stehen können!
Von Shakespeares Zauberwald ist in Duisburg nicht viel übrig geblieben. Dort leben Oberon, der König der Elfen (Sylvie Rohrer) und Titania, die Königin (Markus Scheumann).
Zwei Paare verirren sich in einem kümmerlichen Wald. Und auch sechs Handwerker, die zu Ehren der Hochzeit von Herzog Theseus (Markus Scheumann) und Hyppolita (Sylvie Rohrer), der Königin der Amazonen, ein Stück proben wollen.
Der Kobold Puck (Dorothea Hartinger), der Hofnarr, träufelt ihnen Zauber – und Liebessäfte auf die Augen. Und das Schicksal nimmt seinen verrückten Lauf. So verliebt sich die Elfenkönigin Titania in den Webermeister Zettel (Oliver Nägele), dessen Kopf Puck in einen einen Eselskopf verwandelt hat. Hermia (Meike Droste), mit dicken Kissen ausgepolstert und über die Bühne tapsend, wird von Lysander (Marie-Luise Stockinger) verlassen, der sich in die schöne Helena (Lili Wunderlich) mit der silbernen Brille verliebt. Am Ende kommt alles wieder in Ordnung und es heiraten die, die sich heiraten sollen.
Regisseurin Barbara Frey erklärt den „Sommernachtstraum“ zum Stück der Stunde – in einer Zeit, in der an deutschen Bühnen allenthalben „Macbeth“ gespielt wird. Über vierhundert Jahre lang aber begeisterte gerade die Zeitlosigkeit des „Sommernachtstraums“.
Ein Sommernachtstraum, v.l.n.r.: Meike Droste, Marie-Luise Stockinger, Sabine Haupt, Markus Scheumann, Sylvie Rohrer, Gunther Eckes, Oliver Nägele, Langston Uibel © Matthias Horn
Konzentrieren wir uns also auf die Gegenwartsbezüge, als da sind:
Der „Sommernachtstraum“ spielt in einem gläsernen langen Pavillon mit bodentiefen Fenstern oder auf einem Autofriedhof zwischen vier verrosteten Wagen, die im Sand zu versinken scheinen. Davor stehen winzige Bäume. Kein Zauberwald. Ein zerstörter Wald, ein kranker Wald, der Wald von heute.
Transidentität, Genderfluidität: Frauen spielen Männer, Männer spielen Frauen. Und fast alle spielen Doppelrollen: So ist Markus Scheumann als Theseus ein harter Herzog, der der Tochter Egeus auf dessen Wunsch hin mit dem Tode droht, wenn sie nicht den heiratet, den er für die vorgesehen hat. So ist das Athener Gesetz. Hermia solle aufsehen zu ihrem Vater wie zu einem Gott. Zugleich ist er eine schmeichelnde Titania im Glitzerkleid mit absurd hoher Perücke und unendlich langen Beinen. Kokett legt sie eine Schulter frei, um Zettel/Esel zu verführen.
Im Sommernachtstraum gibt es die erste Triggerwarnung der Theatergeschichte. Weil Zettel fürchtet, dass es die zuschauenden Damen nicht aushalten könnten, wenn Pyramus, den er darstellen soll, sich mit dem Schwert tötet und sie zudem Angst vor dem Löwen hätten, will er einen Prolog voranstellen, in dem gesagt wird, dass alles nur gespielt sei.
Barbara Frey hat Shakespeares Komödie außerdem radikal gekürzt. Doch kürzer, kurzweiliger wird der Abend dadurch nicht.
Zwar gibt Oliver Nägel als Zettel mit Bravour den begeisterten Laienschauspieler Zettel, der sich am liebsten fast alle Rollen unter den Nagel reißen will, der Mond und Löwe und Pyramus sein will. Seine Mitspieler trippeln über die Bühne, eng beieinander, die Angst, etwas von dem, was sie aufführen wollen, könnte falsch verstanden werden, sitzt tief. Das hat fast etwas Rührendes.
Auch Dorothee Hartinger als Puck agiert, sie spielt, sie zieht die Strippen, sie verzaubert, entzaubert.
Alle anderen Schauspieler müssen meist unendlich langsam agieren. Das hätte poetisch wirken, ja einen Zauber ausstrahlen können. Es hätte der Komödie eine feine Ernsthaftigkeit gegeben. Bei dem lächerlich komischen Spiel der Handwerkerschauspieler hat Barbara Frey diesen Unterton gefunden. Und auch ganz zu Beginn, als nur die Köpfe von Theseus, dem Herzog von Athen, seiner Frau Hippolyta, der beiden um Hermine werbenden Männer, von Egeus, Hermias Vater zu sehen sind, als sei das ein einziges, vielköpfiges Wesen, das da über Leben und Tod Hermias verhandelt.
Doch solche Momente sind viel zu selten.
Auf Dauer zog sich der Abend. Die Schauspieler hatten einfach zu wenig Raum. Auch stimmlich. Ständig beschwerte sich jemand aus dem Publikum lauthals, dass er nichts verstünde, die Stimmen aus den Ports waren wohl nur in den ersten Reihen gut zu hören. Die Köpfe flogen nach links oder rechts, wo die englische Originalversion zu lesen war. So war es ein langer Abend in einem stickigen Raum. Schade!