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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Tristan und Isolde“ bei den Bayreuther Festspielen bejubelt

Unendliche Weiten – unendliche Liebe

Von Simone Hamm

Ein Oval am Boden und eines am Himmel. Dazwischen Tristan und Isolde. Sie könnten am Pool eines Ozeandampfers, eines Luxusschiffes zwischen Plastikliegen stehen. Im Pool spiegeln sich Himmel und Wolken. Tristan soll Isolde zu ihrem künftigen Gatten König Marke nach Cornwall bringen. Doch dann färbt sich das (virtuelle) Wasser im Pool blutrot. Mühelos waten Tristan und Isolde hindurch, nur sie können in diesem Pool gehen, übers Wasser laufen.

Tristan und Isolde bei den Bayreuther Festspielen. „Shashvatam“ Sanskrit für „für Immer und ewig“ steht in neonrot-leuchtenden Lettern am linken unteren Bühnenrand, Foto: Enrico NeurathFoto: Enrico Neurath

Sie glauben, sie trinken den Todestrank, doch Isoldes Dienerin Brangäne hat ihn ausgetauscht. Sie trinken den Liebestrank und werden in einen schwarzweißen Strudel gezogen. Da gibt es keine Farbe mehr, kein Blau, kein Rot. Immer schneller wirbelt der Strudel, erfasst die beiden im Auge des Sturms. Sie können ihrer großen, unendlichen Liebe, dem tödlichen Eros, nicht entrinnen. Sie kennen weder Raum noch Zeit, nur eine tiefe Sehnsucht. Das ist grenzenlose Hingabe. Ihre Liebe wird ihre Erfüllung im Tod finden.

Der Tristan wurde im vergangenen Jahr kurzfristig ins Programm gehoben, falls wegen Coronaerkrankungen andere,chorintensive Vorstellungen hätten abgesagt werden müssten. Nur einen Monat Zeit hatte Regisseur Roland Schwab, den Tristan zu inszenieren und Dirigent Markus Poschner hatte nur wenige Probentage.

Roland Schwabs Inszenierung ist so reduziert wie die berühmte Interpretation von Wieland Wagner. Schwab konzentriert sich ganz auf die Musik Richard Wagners, und auf seine großartigen Interpreten. Bühnenbildner Piero Vinciguerra schafft eine Welt voller Poesie im Nirgendwo und Nicol Hungsberg eine traumsichere Lichtästhetik, Luis ­August Krawen animiert den Pool mit Videos.

Christa Mayer als  warmherzige Brangäne, Foto: Bayreuther Festspiele, Enrico Neurath

Im zweiten Aufzug liegen Tristan und Isolde ganz in weiß gekleidet nebeneinander in dem ovalen Rund, in dem jetzt kleine Sterne funkeln. Sie sehnen sich nach dem „Wunderrreich der Nacht“. Aber sie können nicht ruhen. König Marke und sein Hofsaat nähern sich, angeführt von Melot, der selber ein Auge auf Isolde geworfen hat.

Tristan gilt als Verräter, weil er sich in die Frau, die er doch seinem Onkel König Marke zuführen sollte, verliebt hat. Grelle Neonröhren sinken auf ihn herab. Isolde wird von Melot, dem Vertrauten König Markes, von einem Suchscheinwerfer geblendet.

Tristan wird bei Roland Schwab nicht im Kampf von Melot tödlich verwundet, sondern es sind die Neonstäbe, die ihn verletzten. Also das, was außerhalb von Tristan und Isolde ist, außerhalb auch von König Marke und Melot, vielleicht die Gesellschaft, die ihre Liebe nicht anerkennen kann und will.

Im dritten Aufzug liegt Tristan, umgeben von Kerzen im Oval und stirbt. König Marke, der großzügig ist und Tristan und Isolde miteinander vermählen will, kommt zu spät.

Mit Tristan stirbt auch Isolde.

Ganz und gar überflüssig aber ist ein zweites, stummes Paar, das Roland Schwab einführt: zuerst sind sie Kinder, die während des Vorspiels am oberen Bühnenrand sitzen, dann Jugendliche, die vor grünen Ranken in den Sternenhimmel blicken, zuletzt ein altes Paar, das über die Bühne schleicht. So hätte es wohl auch sein können. Doch in Wagners Musik lässt nichts darauf schließen.

Markus Poschner dirigiert feinfühlig, lässt den Stimmen großen Raum. Manchmal gibt es winzig kleine Unebenheiten zwischen Stimmen und Orchester, aber Poschners sensibles Dirigat, sein Eintauchen in die Entgrenzung der Liebenden machen das mehr als wett. Musikalisch ist der Abend ein einziger Genuss.

Catherine Foster als Isolde, Foto: Enrico Neurath

Catherine Foster ist eine sehr vielseitige Isolde mit warmer Stimme, dann wieder hochdramatisch, gleißend hell. Durch ihre Gesten unterstreicht sie, dass sie eine starke Frau ist.

Clay Hilley hat die Partie des Tristan von Stephen Gould übernommen, der aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Er steigert sich von Akt zu Akt und meistert die Riesenpartie. Unbegreiflich, dass da nach dem zweiten Akt, in dem er sich noch ein wenig schont, einige Zuschauer buhlen.

Überragend ist Georg Zeppenfeld als König Marke. Er hat eine enorme Bühnenpräsenz, eine warme, volle Stimme und eine klare Textverständlichkeit, die man bei den anderen Sängern (außer bei Markus Eiche als Kurwenal) vermisst. Da man in Bayreuth darauf vertraut, dass die Zuschauer die Werke kennen und es demzufolge keine Übertitel gibt, wäre das aber umso wichtiger.

Exzellent ist Markus Eiche als treuer Kurwenal, Christa Mayer als (auch stimmlich) warmherzige Brangäne und auch Ólafur Sigurdarson las eifersüchtiger Melot.

Ein wunderbarerer Abend.

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