Augusto Varnesi – ein Italiener, der in Frankfurt Spuren hinterließ
Bildhauer, Medailleur und außerordentlicher Professor
Von Davide Zecca
Wenn man Neapel gesehen hat, kann man laut Goethes Zitat „Vedi Napoli e poi muori“ dann auch sterben. Eine Reise nach Italien an die beliebten Sehnsuchtsorte der Deutschen wie Gardasee, Toskana, Rom oder Neapel gehörte früher wie auch heute noch zum guten Ton eines jeden gut situierten Bildungsbürgers. Ganz anders sah es für die Italiener aus, die Anfang der 50er und 60er Jahre in die noch junge Bundesrepublik aus dem armen, industriell unterentwickelten Süden der Halbinsel kamen. Napoli hatten viele von ihnen schon gesehen. Sie wollten in Deutschland vor allem wirtschaftlich ihr Glück finden. Doch schon vor der Welle der angeworbenen italienischen Gastarbeiter gab es Italiener, die, wie Augusto Varnesi (1866-1941), nach Deutschland immigrierten und dort ihre Spuren hinterließen.
Die Abbildung des Künstlers wurde in einem L.I.S.A.-Beitrag der Gerda-Henkel-Stiftung gefunden
Unter diesen waren auch Künstler, die in Frankfurt am Main Spuren hinterlassen haben. Zu diesen gehören Mateo Cristiani (1890 – 1962), Lino Salini (1889 – 1944) und Augusto Varnesi (1866-1941), wobei die ersteren gebürtige Frankfurter waren, wohingegen Augusto Varnesi ein Einwanderer aus Rom war.
Mateo Cristiani sowie Lino Salini waren beides Städelschüler. Letzterer wurde für sein typisches Sujet bekannt: Er zeichnete das Milieu der Apfelweinwirtschaft in Sachsenhausen. Dabei skizzierte er insbesondere Porträts und Skizzen der Menschen, die er auf seinen Streifzügen durch die Gassen und Gastwirtschaften der Stadt traf. Durch dieses typische Sujet wurde er auch zum sogenannten „Ebbelwoi-Zille“.
Anders sah es bei dem immigrierten Augusto Varnesi aus. Er wurde im Jahre 1866 als Sohn eines Bildhauers und Erzgießers in Rom geboren. Seine künstlerische Ausbildung genoss er an der Accademia di San Luca in Rom, wo er mit einem deutschen Bildhauer, Wilhelm Widemann (1856 – 1915), schon früh Bekanntschaft schloss.
Im Jahre 1883 zog Varnesi als Schüler und Gehilfe Widemanns nach München. Nur ein Jahr später zogen sie weiter nach Frankfurt, wo Widemann einer Berufung als Dozent an die Städelschule folgte.
1891 gingen sie gemeinsam nach Berlin. Dort unterstützte Varnesi Widemann bei der Ausführung plastischer Dekorationen im Reichstagsgebäude. Ab 1895 lehrte er ornamentales Zeichnen und Modellieren an der TU Darmstadt. Nach zwei Jahren wurde er dort zum außerplanmäßigen Professor ernannt.
Ab 1907 folgte dann daraufhin sogar die Berufung als außerordentlicher Professor. Im Jahre 1915 wurde er ebenfalls Mitglied der Frankfurter Freimaurerloge Zur Einigkeit. Am 30. September 1933 wurde er emeritiert, da sein künstlerisches Schaffen mit der Kunstauffassung und dem Schönheitsideal der Nationalsozialisten nicht im Einklang stand – und das deshalb als sog. „Entartete Kunst“ deklariert wurde.
Sein künstlerisches Schaffen und Können entfaltete Varnesi jedoch überwiegend in Frankfurt am Main. Seine Kunstwerke sind für die Stadt Frankfurt am Main mannigfaltig.
Für das Frankfurter Marienkrankenhaus schuf er ein Vesperbild, für das neue Schauspielhaus die Figurengruppe „Dichtung“ und die Reliefdarstellungen „Tragödie“ und „Komödie“, die Grabmale verschiedener Frankfurter Persönlichkeiten, wie etwa des ehemaligen Oberbürgermeisters Johannes von Miquel, der Bankiers-Familie und von Bethmann und de Ridder sowie den Skulpturenschmuck der Matthäuskirche in Frankfurt.
Neben seiner Tätigkeit als Bildhauer verfolgte er ebenfalls Tätigkeiten als Medailleur. So entwarf er im Jahre 1926 die Brücken-Medaille zur Einweihung der neuen Alten Brücke und im Jahre 1932 die Goethemedaille der Stadt Frankfurt am Main. Zwischen 1904 und 1907 führte Varnesi das Goldene Buch der Stadt Frankfurt am Main aus. Dabei schuf er für dieses Gästebuch den wertvollen Einband und die Elfenbeintafel.
Frankfurt, Südfriedhof, Gewann F 638, Grabstätte von Augusto Varnesi, Stele: A. Sprückmann 1866
Heute kann man seine Grabstätte auf dem Frankfurter Hauptfriedhof besichtigen, die gänzlich im Sinne des Historismus angelegt ist.