Musikdrama „Hercules“ von Georg Friedrich Händel an der Oper Frankfurt
Dejanira, eine starke Frau, jedoch blind eifersüchtig
Von Renate Feyerbacher
Fotos: Monika Rittershaus / Oper Frankfurt
Der Jubel für den außergewöhnlichen Opernabend „Hercules“ wollte nicht enden. Vorzüglich die Sängerinnen und Sänger, das Orchester, der Chor und das Team um den Regisseur Barrie Kosky. Die Frankfurter Erstaufführung ist eine Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin, wo sie ab März 2024 zu sehen sein wird. Paula Murrihy als Dejanira wird auch in Berlin dabei sein.
v.l.n.r. Elena Villalón (Iole) und Paula Murrihy (Dejanira)
Um Herkules alias Herakles ranken sich verschiedene Sagen. Er war der Sohn von Jupiter und Alkmene, ein Halbgott. Berühmt war er wegen seiner Stärke. Dejanira soll seine zweite oder dritte Frau gewesen sein und Iole, seine Geliebte, Hyllus sein ältester Sohn, Lichas sein Diener.
Diese fünf Personen sind die Handelnden im Musikdrama von Georg Friedrich Händel (1685-1759), der in Halle geboren wurde, aber in London lebte und wirkte. Erlösung finden sie am Ende des Geschehens durch den Priester des Jupiter.
Das weltliche Oratorium „Hercules“, 1745 in London uraufgeführt, wurde damals vom Publikum abgelehnt. Die biblischen Oratorien Händels gehörten in Großbritannien dagegen zum Repertoire.Aber wie kommt ein Oratorium auf die Opernbühne?
„Hercules“ hat eine sehr dramatische Form und Regisseur Kosky hält Händels Oratorien überhaupt für viel dramatischer als seine Opern. Sie seien eine radikale Form von Theater. „Die Opern waren zu dieser Zeit hauptsächlich für Liebhaber der Stimme gemacht.“ (Programmheft S. 6)
Lichas, in der mythologischen Legende und bei Händel ursprünglich auch als Bote konzipiert, wurde zur Schwester von Hercules umgewidmet. Eine seiner Lieblings-sängerinnen hatte der Komponist engagiert, daraufhin schrieb er für sie acht Arien. Aus Lichas wurde die jüngere Schwester des Helden. „Große Loyalität zu Hercules“ wird dadurch vertieft.
Paula Murrihy (Dejanira; in der Bildmitte stehend, mit gestreifter Bluse) und Chor der Oper Frankfurt
Es beginnt mit Lichas, die über den Zustand von Dejanira, Hercules Frau, die in Trauer versinkt, verzweifelt ist. Diese sitzt auf einem Sofa – tief verschleiert – neben ihr die Nachbildung einer Hercules-Figur. Lange war der Mann abwesend. Wird Dejanira ihn wiedersehen? Sohn Hyllus kommt mit schlechter Nachricht, das Orakel habe verkündet, Hercules werde sterben. Er will ihn suchen.
Dann kommt Lichas aber mit der Nachricht, Hercules hat gesiegt und kehrt zurück.
Nur ein Sofa steht auf der großen Bühne. Bühnenbild, Kostüme sowie die Hercules-Figuren hat Katrin Lea Tag mit ihrem Team geschaffen. Bis auf wenige Szenen bestimmt Helligkeit den Bühnenraum. „Die Helligkeit und dass es keinen Raum gibt, sich zu verstecken, verstärkt den Horror der Geschichte“, so Barrie Kosky im Gespräch. (Programmheft S.11) Lichtdesigner Joachim Klein verstärkt das Geschehen durch Schattendarstellungen.
Der Klagegesang von Dejanira, die endlich ihren Schleier runterzieht, endet als Hercules mit Gefangenen unter ihnen Prinzessin Iole, deren königlicher Vater von Hercules ermordet wurde, erscheint. Hercules will die Waffen für immer ablegen, um die Zeit mit der geliebten Ehefrau Dejanira zu verbringen. Zunächst große Wiedersehensfreude.
Paula Murrihy (Dejanira) und Anthony Robin Schneider
Aber dann zerstört Eifersucht ihre Beziehung. Dejamira ist überzeugt, Hercules habe Ioles Vater getötet, um sie als Geliebte mitnehmen zu können. Sowohl Iole, die Hercules hasst, und Lichas versuchen vergeblich, ihr diesen Gedanken auszureden. Hercules weist den Vorwurf der Untreue zurück.
Eifersucht treibt den schrecklichen Verlauf voran und Dejamira kommt auf eine zerstörerische Idee. Kentauer Nessos hatte seinerzeit versucht, Dejanira zu entführen und zu vergewaltigen. Hercules tötet ihn. Und ausgerechnet das blutverschmierte Hemd des Nessos von Pfeilen durchbohrt, soll ihre Beziehung wieder stabilisieren. So hatte es Nessos sie weisgemacht.
Welch ein Irrtum! Während der Opferzeremonie, als Hercules das vermeintliche Versöhnungsgeschenk, das Dejanira überbringen ließ, anzieht, habe die Hitze des Altarsfeuers das Gift im Gewand zum Schmelzen gebracht, so berichtet Lichas.
Anthony Robin Schneider (Hercules; vorne liegend) und Chor der Oper Frankfurt
Vergeblich habe Hercules versucht, es sich vom Körper zu reißen. Er beschuldigt seine Frau und stirbt nach höllischen Qualen. Dejanira wurde zur Vollstreckerin von Nessos Rache. Furien hetzten sie in den Wahnsinn.
Hercules stieg zum Himmel empor und wurde in den Kreis der Götter aufgenommen, verkündet Jupiters Priester. Der Gott befehle, die Heirat von Hyllus und Iole, die Hyllus Antrag immer wieder abgelehnt hatte. Werden diese jungen Menschen, die von traumatischen Geschehen geprägt sind, zusammenfinden?
v.l.n.r. Michael Porter (Hyllus), Paula Murrihy (Dejanira) und Kelsey Lauritano (Lichas)
Dejamira steht im Mittelpunkt des Musikdramas, eine starke Frauenfigur, die durch Eifersucht jedoch schuldig wird. Die gebürtige Irin Paula Murrihy, die von 2009 bis 2017 zum Ensemble gehörte, heute weltweit an allen Opernhäusern singt und mit bedeutenden Dirigenten unterwegs ist, fasziniert als Dejinara.
Verzweifelt sind ihre Angstzustände, leidenschaftlich ihre Liebesbekundungen, bösartig ist ihre Auseinandersetzung mit Iole und psychologisch-überzeugend tief sind ihre Wahnsinnsszenen, die sie besonders mag. Da ist sie in ihrem Element. Unglaublich sowohl die stimmliche Leistung der Mezzosopranistin als auch ihre darstellerische. Einfach Sensationell.
Barrie Kosky, bis 2022 Intendant und Chefregisseur an der Komischen Oper Berlin, der mehrfach an der Frankfurter Oper Regie führt, betonte im Gespräch mit Dramaturg Zsolt Horpácsy, dass er eine weitere Zusammenarbeit mit Paula Murrihy gewünscht habe. „Mit „Hercules“ wird eine Kosky-Murrihy-Trilogie vollständig“. – „Dido und Aeneas“ (2010) und „Carmen“ (2016) und nun „Hercules“ (2023)
Paula Murrihy und Barrie Kosky am Premierenabend 30.4.2023, Foto: Renate Feyerbacher
Elena Villalón, die junge kubanisch-amerikanische Sopranistin, stellte sich als neues Ensemblemitglied vor und wurde in der Rolle der Iole stürmisch gefeiert. Ein Gewinn für die Oper Frankfurt.
Der österreichisch-neuseeländische Bass Anthony Robin Schneider singt Hercules, der sich die wenigste Zeit des dreistündigen Musikdramas auf der Bühne zeigt. Sehr dramatisch seine Sterbeszene. Der groß gewachsene Sänger ist ein ausgezeichneter Partner von Dejanira.
Michael Porter als Hyllus – (in den letzten Opernaufführungen als Tamino in der „Zauberflöte“ David in den „Meistersingern von Nürnberg“, Ken (in der Uraufführung „Blühen“ wurde er vom Publikum gefeiert) ist ein Zerrissener, traumatisiert durch den berühmten Vater und außer Acht gelassen von der Mutter.
Vergeblich versuchte er, Ioles Liebe zu gewinnen, Gott Jupiters Befehl zur Heirat lässt beide schließlich zusammenfinden. Ihr Liebesduett – ein befohlenes Happy End – sehr eindringlich.
Die japanisch-amerikanische Mezzosopranistin Kelsey Lauritano verleiht ihrer Rolle als Lichas glaubhafte Ausgewogenheit – eine schöne Stimme so auch die von Erik van Heyningen als Priester des Jupiter.
Der Chor, einstudiert von Chordirektor Tilman Michael, steht nicht nur da und singt ausgezeichnet, nein, er ist auch Mitspieler. In jeder Szene verwandelt er sich. Aufgebracht, wütend ist er manchmal als ‚Volk‘, dann kommentiert er wie in der griechischen Tragödie die drängenden moralischen Fragen der Geschichte.
Last but not least überzeugt die „lebendige, harmonische Musiksprache“, des „Hercules“, wie Dirigent Laurence Cummings das Händelsche Werk charakterisiert. Es zeigt wie Händel „die Macht der Musik, die menschliche Seele zu bewegen und zu inspirieren“ wusste. Als bedeutender Vertreter historischer Aufführungen, führt er die Musikerinnen und Musiker des Frankfurter Opern- und Museumsorchester, zur Höchstleistung.
Händels „Hercules“ an der Oper Frankfurt sollte man sich nicht entgehen lassen. Der Trailer auf youTube ist verlockend.
Weitere Aufführungen am 6., 14., danach Oper im Dialog, am 18., 21. und 26. Mai.
Telefonischer Kartenverkauf: Tel. 069 212 -49 49 4