Trinkwasser: „Die große Trockenheit“ – Hitze, Dürre, Wassernot“ von Tim Smedley
Ein aufrüttelndes Buch, um die Welt vor dem Verdursten zu retten
Von Hans-Bernd Heier
Der britische Umweltjournalist Tim Smedley zeichnet ein schockierendes Bild vom Zustand der weltweiten Trinkwasserreserven. Seine Ausgangsthese: Wir leben in einer beginnenden Dürrezeit. Die Welt leidet seit Jahren unter einer Hitzewelle nach der anderen. Mit dem Klimawandel schwinden unsere Wasserreserven in erschreckendem Tempo. Selbst Zentraleuropa trocknet aus. Europa verzeichnete 2022 den heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Auch beim Gletscherschwund in den Alpen wurden neue erschreckende Rekordwerte erreicht. Dies belegt beispielsweise auch der neue Jahresbericht des europäischen Klimabeobachtungsdienstes „Copernicus“, der im April dieses Jahres veröffentlicht wurde.
Aufgrund der großen Wassermassen, die rund 70 Prozent der Erdoberfläche bedecken, wird unsere Erde „Blauer Planet“ genannt. Doch 97,5 Prozent dieses Wassers sind Meer- oder Salzwasser und damit für den Menschen ungenießbar. Gerade einmal 2,5 Prozent sind Süßwasser. Davon sind allerdings fast zwei Drittel im Eis an den Polen und im Permafrost gebunden. Wurde lange Zeit Süßwassermangel als lokales Problem betrachtet, gilt es heute als weltweite Bedrohung – Tendenz zunehmend. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) bezeichnet die Wasserkrise in den jährlichen Risikoberichten seit 2012 als eine der fünf größten Gefahren für die Weltwirtschaft. Der weltweite Wasserbedarf ist in den vergangenen hundert Jahren um 600 Prozent gestiegen – auch wegen der enormen Zunahme der Bevölkerung, während laut Weltwasserbericht der Vereinten Nationen von 2022 die verfügbare Süßwassermenge in den letzten 20 Jahren um 22 Prozent geschrumpft ist.
Wassermangel und die Verunreinigung von Wasser sind schon seit Jahren Ursache für Flüchtlingswellen. Schwarzseher meinen gar: Wasserkriege seien die neuen Ölkriege. Wenn auch diese Sicht überzeichnet erscheinen mag, werden Wasserkonflikte zwischen den Staaten, die es bereits heutzutage gibt, erheblich zunehmen. Der globale Süden verdurstet, vierzehn der größten Städte weltweit sind von Wasserknappheit betroffen. Die Hälfte der größten Wasserreservoire der Welt – ob in Indien, China, den USA oder Frankreich – schrumpft.
Tim Smedley; © gnc media/Geoff Crawford ©Ludwig Verlag, München
Nach Experten-Meinung trägt der Klimawandel zur Verschlechterung der Wassersituation bei, indem er den Wasserkreislauf beeinflusst, das Wasser unberechenbarer macht und die Häufigkeit von Überschwemmungen und Dürren steigert. Denn Dürren und Überschwemmungen sind zwei Seiten der gleichen Medaille, da die Menge an Wasser im Wasserkreislauf immer gleich bleibt. Neu seien aber die Intensität, Dauer, Häufigkeit und regionale Ausdehnungen, die über das Normalmaß hinausgingen. Verstärkt werde die Situation unter Umständen durch sog. Blitzdürren. Unklar ist Klimaforschern zufolge jedoch, ob diese einen sich durchsetzenden Trend darstellen. Denn auch konventionelle langsamere Dürren häufen sich. Die Daten zeigen jedoch, dass Blitzdürren in fast drei Viertel der Welt vorkommen. Besonders in Ost- und Nordasien, Europa, der Sahara und der Westküste Südamerikas sind sie dominant.
Dr. Jennifer Francis, leitende Wissenschaftlerin am Woodwell Climate Research Center, erklärt: „Wenn wir die Ozeane und die Atmosphäre erhitzen, nimmt die Verdunstung zu und es gelangt mehr Wasserdampf in die Atmosphäre. Wasserdampf ist ein bedeutender Faktor des Klimawandels, der nicht genügend Aufmerksamkeit erhält. Wasserdampf ist ein Treibhausgas. Er trägt zur weiteren Erwärmung bei“. So entstehe einer dieser „Teufelskreise“, der bewirke, dass „es in den trockenen Regionen trockener und heißer wird, unterbrochen von extrem starken Niederschlagsereignissen“.
Tim Smedley zeichnet in dem soeben erschienen Buch „Die große Trockenheit – Hitze, Dürre, Wassernot“ ein erschreckendes Bild vom Schrumpfen unserer Trinkwasserreserven, wie es dazu kam und fragt, was die Welt noch vor dem Verdursten retten kann? Dabei lenkt er den Fokus auf hoffnungsvolle und hochinteressante Lösungsansätze. Er spricht mit Experten, Forschern, Opfern der Trockenheit und Aktivisten auf der ganzen Welt, um ein klares Bild der Krisen und der möglichen Lösungen zu gewinnen.
Was machen Singapur und Israel richtig und was Kalifornien nicht? Wie effizient sind Salzwasseraufbereitung und Regenwasserreservoire? Was bringt es, wenn wir auf Konsumgüter aus wasserarmen Regionen verzichten? Kann man Eisberge vor wasserarme Küsten schleppen? Wodurch sind die Bürgerinnen und Bürger der Vier-Millionen-Stadt Kapstadt vom sog. Day Zero verschont geblieben, an dem die städtische Wasserversorgung abgestellt worden wäre und die Menschen sich an Notbrunnen hätten anstellen müssen? Der britische Autor nimmt in seinem Sachbuch u.a. auch Bezug auf die aktuell diskutierten PFAS-Chemikalien, die Regenwassernutzung in Deutschland und die Hochwasserkatastrophe von Ahrweiler 2021.
Tim Smedleys Sachbuch „Die große Trockenheit“ ist ein spannendes, faktenreiches und eindringliches Plädoyer zur Rettung des lebensnotwendigen Trinkwassers – unseres wichtigsten Lebensmittels.
Tim Smedley ist ein britischer Umweltjournalist und schreibt u.a. für den „Guardian“, die „Sunday Times“ und die „Financial Times“. “Die große Trockenheit“ ist sein zweites Buch. Schon sein erstes Buch „Clearing the Air“ über globale Effekte der Luftverschmutzung war 2019 auf der Shortlist für den Royal Society Science Book Prize.
Tim Smedley „Die große Trockenheit“ – Hitze, Dürre, Wassernot – Was kann die Welt noch vor dem Verdursten retten? Ludwig Verlag, München; Deutsche Erstausgabe, April 2023; Klappenbroschur, 512 Seiten; Preis: 20 €; ISBN: 978-3-453-28158-5