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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ernst Weils malerisches Werk im Museum Giersch

Zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion

Von Hans-Bernd Heier

Erstmals stellt das Museum Giersch der Goethe-Universität (MGGU ) den vielseitigen Maler Ernst Weil (1919–1981) in seiner Geburtsstadt Frankfurt am Main umfassend vor. Mit rund 120 Werken von privaten wie öffentlichen Leihgeber*innen wird unter dem Titel „Spontan und konstruktiv“ das beeindruckende Oeuvre Weils in seiner ganzen Bandbreite präsentiert. Die gezeigten Arbeiten bewegen sich zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion und umfassen dabei Malerei, Zeichnung, Druckgraphik und angewandte Kunst.

„Kleine Baustelle (Kleines Haus im Frühling)“, um 1950, Öl auf Leinwand, 40 x 50 cm; Sammlung Gregor Hiltner; Foto: Frank Altmann

Basierend auf einer Teilübernahme der 2020 in der Kunstvilla Nürnberg gezeigten Retrospektive von Weils malerischen Arbeiten setzt die Ausstellung im MGGU auf „die Sichtbarmachung der fruchtbaren Vernetzung des zeichnerischen und angewandten Schaffens mit den Gemälden des Künstlers. Der Titel der Ausstellung ‚Spontan und konstruktiv‘ bezieht sich auf zwei wichtige Merkmale von Weils Arbeiten, die zwischen spontaner Geste und sorgfältiger Konstruktion des Bildraums changieren. Gleichzeitig zeigen Weils Arbeiten eigentlich immer einen Rückbezug auf die klassischen Bildformen wie Landschaften, Stillleben oder menschliche Figur“, sagt Laura Domes, Kuratorin der sehenswerten Ausstellung.

„Stillleben“, 1953, Öl auf Papier auf Hartfaser, 63 x 45 cm; Sammlung Gregor Hiltner; Foto: Frank Altmann

Ursprünglich sollte sein Werk bereits vor zwei Jahren im Museum Giersch gezeigt werden, als Übernahme der Retrospektive „Ernst Weil – Abstraktion in Nürnberg“ der Kunstvilla Nürnberg. Die Bilder waren sogar schon ins Depot in Frankfurt am Main gereist. Dann allerdings sorgten die Corona-Pandemie und die technische Sanierung des Museums für eine Verschiebung der Planungen. Doch nicht immer erweisen sich solche Verzögerungen als Nachteil: Durch die zusätzliche Zeit ergab sich die Möglichkeit für eine Erweiterung des Ausstellungkonzepts.

So kann in der umfassenden Schau Weils Verbindung zur „Frankfurter Sezession“ dokumentiert werden. Darüber hinaus wurden auch graphische und angewandte Arbeiten in das kuratorische Konzept miteinbezogen. Dadurch unterstreicht die gut strukturierte Ausstellung die beachtliche Vielseitigkeit des Künstlers. In der Frankfurter Präsentation ergänzen knapp 60, zum Teil noch nie gezeigte Zeichnungen, Druckgraphiken und angewandte Arbeiten wie Illustrationen und Trickfilme sowie ein Beispiel einer Raumausstattung die chronologische Übersicht über Weils malerische Entwicklung.

Dazu Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität: „Die Ausstellungen des MGGU bereichern seit Jahren das breite Forschungsspektrum der Goethe-Universität. Die Ausstellung zu Ernst Weil, der einen engen Bezug zur Stadt Frankfurt hat, ist ein weiteres Beispiel dafür, wie eine wissenschaftliche Begleitung eine Ausstellung bereichert und wie diese wiederum zu einem Beitrag der Wissenschaft und auch der Wissenschaftskommunikation unserer Goethe-Universität wird.“

„Boxer“, 1958, Filzstift auf Papier, 65 x 50 cm; Claudia und Thomas Weil; Foto: Frank Altmann

Nach dem Abitur konnte der 1919 in Frankfurt am Main geborene Weil im Rahmen von Fronturlauben in zwei Wintersemestern zunächst 1940/41 Kunstgeschichte in Frankfurt am Main studieren und dann 1942/43 Architektur in Stuttgart. Mit 26 Jahren begann er an der Akademie der Bildenden Künste München das Malereistudium, das er 1950 als Meisterschüler von Willi Geiger abschloss.

Bereits als Student gelang es dem jungen Maler, erste Arbeiten in Galerien in Düsseldorf und München auszustellen. Nach dem Studium nahmen die Ausstellungsbeteiligungen Weilers Fahrt auf. So konnte das interessierte Publikum seine Werke im Kunstverein München sowie in den renommierten Galerien von Günter Franke sowie Etta und Otto Stangl entdecken; außerdem in der Kestnergesellschaft in Hannover und der Düsseldorfer Galerie von Hella Nebelung. Ab 1954 beteiligte sich Weil regelmäßig an den Ausstellungen der lockeren Künstler*innengruppierung „Frankfurter Sezession“. Trotz positiver Rezensionen musste der Künstler seinen Lebensunterhalt allerdings zunächst als Gebrauchsgraphiker, Pressezeichner, Designer, Raumgestalter und Filmemacher in München verdienen.

Entwurf für eine Zeitungsillustration (Hummer), o. J., Mischtechnik auf Papier; Claudia und Thomas Weil; Foto: Uwe Dettmar

Nach dem Studium orientierte sich Weil, der keiner Schule angehörte, zunächst an der „Klassischen Moderne“ und entwickelte eine zunehmend abstrakte Arbeitsweise. Mitte der 1950er Jahre gelangte der experimentierfreudige Künstler in seinen freien Arbeiten zu der charakteristischen Ausdrucksform des „kubistisch-tektonischen“ Landschaftsbildes, von denen einige in der Ausstellung zu sehen sind. Zeichnungen bildeten die Grundlage für diese Gemälde. „Trotz der Hinwendung zur Abstraktion wich Ernst Weil nie vom Bezug zum Sichtbaren ab – den Ausgangspunkt seiner Bilder und Zeichnungen bildete die Dingwelt, eine Landschaft oder die menschliche Figur. Stark vereinfacht, auf Grundformen reduziert und durch die Farbauswahl teilweise verfremdet, lassen sich seine Motive nicht immer auf Anhieb erkennen“, erläutert Domes.

Obwohl Weil sich in erster Linie als Maler sah und die Malerei in Öl auf Leinwand sein Oeuvre bestimmte, ziehen sich zahlreiche Arbeiten auf Papier durch alle Schaffensperioden. Zeichnen diente Weil dazu, optische Eindrücke rasch zu erfassen und für sich selbst zu speichern. Er beschränkte sich nicht auf eine einzige Zeichentechnik, sondern arbeitete in unterschiedlichen Werkphasen mit verschiedenen Materialien wie Ölkreide, Filzstifte, Tusche oder Graphitstift. Gerade in Zeiten künstlerischer Krise kehrte er stets zur Zeichnung zurück, die er auch später in Öl ausführte.

Ohne Titel, 1962; Gouache auf Papier, 29 x 19.5 cm; Claudia und Thomas Weil; Foto: Uwe Dettmar

1957 entschloss sich Ernst Weil nach Paris zu gehen, wo er mit neuen Ausdrucksformen zu experimentieren begann. Zuerst zeichnete er die Boxerhalle, die ihm tagsüber als Atelier diente, und dann auch die Boxer selbst. Damit einher ging ein Wechsel seines Malmaterials, weg von Ölfarbe und Ölkreide, hin zu simplem Filzstift auf Papier. „Als er sich den Boxern zuwandte, veränderte sich auch seine Darstellungsweise enorm. Mit schnellen, kurzen Strichen fertigte er Bewegungsstudien und brachte mit vibrierenden Strichanhäufungen weniger die Bewegungen der Sportler, sondern vielmehr das ihnen innewohnende Potential von schneller Bewegung und Schlagkraft zum Ausdruck“, so die Kuratorin.

„Schlucht“, 1972, Öl auf Leinwand, 147 x 97 cm; Sammlung Gregor Hiltner; Foto: Frank Altmann

1965 kehrte der Künstler nach Deutschland zurück, um in Nürnberg eine Professur für Freie Malerei an der Akademie der Bildenden Künste anzutreten. In dieser Zeit beschäftigte er sich mit der Entwicklung einer eigenen Farbtheorie und den bis heute nicht vollständig entschlüsselten „Zahlenbildern“. In seinen späten Landschaftsdarstellungen und figurativen Bildern betonte er das Gestische und Rhythmische, wobei die Farbe weiterhin eine wichtige Stellung einnahm. Seine Kompositionen verlieren trotz hohem Abstraktionsgrad nie den Bezug zur wahrnehmbaren Umwelt. Ernst Weil stirbt am 1. September 1981 auf Gran Canaria nach einem dritten Herzinfarkt. Bis zuletzt war er künstlerisch tätig.

Renate Zimmermann, geb. Bruhn: Ernst Weil in seinem Atelier in der Elisabethstraße 7, München, 1950er Jahre; Fotografie aus dem Nachlass Weil

Alle Abbildungen: Museum Giersch der Goethe-Universität

Die beeindruckende Schau „Spontan und konstruktiv – Ernst Weil (1919–1981)“ ist noch bis zum 27. August 2023 im MGGU – Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen;

Zur Ausstellung ist ein Begleitheft mit einem Essay von Laura Domes, erschienen.

Der Ausstellungkatalog „Ernst Weil – Das malerische Werk“ der Kunstvilla Nürnberg ist ebenfalls im Museumsshop erhältlich.

Weitere Informationen unter:

www.mggu.de

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