Die Violinistin Antje Weithaas solo bei den Frankfurter Bachkonzerten in der Alten Oper
Virtuose Volten und Welten
Von Petra Kammann
Es ist schon eine arge Herausforderung, wenn man glaubt, zu zweit auf der Bühne der Alten Oper aufzutreten, um dialogisch zu musizieren und dann kurzfristig erfahren muss, dass der Cembalo-Partner Mahan Esfahani wegen Krankheit ausfällt und man geschwind ein neues Programm auf die Bühne bringen muss. Bedauerlich auch, dass damit die vorgesehene – wegen des empfundenen Kriegsendes – berührende „Sonate“ aus dem Jahr 1945 von Darius Milhaud ebenso wie die Bach-Sonaten 3 und 5 nicht zum Zuge kommen konnten… Mit hoher Professionalität und Virtuosität überzeugte dann aber die Violin-Solistin Antje Weithaas das Publikum stattdessen mit Bach-Partiten und vor allem mit den subtilen Kompositionen des belgischen Komponisten Eugène Ysaÿe (1858 – 1931) bis zu zum Schluss.
Zum Dank ein Blumenstrauß und viel Applaus für die Solistin Antje Weithaas, Foto: Petra Kammann
Die Bachwerke sind einigermaßen bekannt, aber die von Ysaÿe? So führte dieser unvorgesehene, vom ursprünglichen Programm abweichende Abend der „Frankfurter Bachkonzerte“ auch zu Neuentdeckungen.
Merkte man der Solo-Geigerin anfangs noch die große Anspannung und Konzentration an, als sie zur bekannteren Bachschen Partita, Nr. 1 anhob, die voller Doppelgriff- und Akkordpassagen, Staccato-Läufe, Pizzicati und Ricochet-Arpeggien, technischen und interpretativen Tücken steckt, die sie mit Bravour überwunden hatte, da konnte sie sich im Anschluss mit umso größerer Hingabe dem Spiel der seltener gespielten Sonaten des belgischen Geigen-Virtuosen und Kompositeurs Eugène Ysaÿe widmen.
Die Sonne ging förmlich auf, als sie mit Ysaÿes fünfter Sonate anhob, die bezeichnenderweise den Beinamen „L’aurore“ trägt, und sich damit die Tür zu einer neuen akustischen Welt auftat, wenngleich Weithaas dabei die Rückbezüge Ysaÿes auf Bachs Kompositionen durchaus klanglich hörbar machte.
Gleich ob in den Bachpartiten 1 und 3 oder in den Violinsonaten von Ysaÿe, immer war die Herangehensweise der renommierten Solo-Geigerin vielschichtig und abwechslungsreich. Variantenreich setzte sie Bogen und Hand ein. Ihr Repertoire ist breitgefächert, so dass sie mal eben schnell auch mit anderem als dem eigentlich im Programm Vorhergesehen alleine aufwarten kann, denn sie beherrscht die ganze Palette des Geigenspiels.
Mal tanzten ihre Finger rasant über das Griffbrett, mal strich sie elegisch mit dem Bogen über die Saiten und kostete einzelne Töne und melancholische Passagen aus, während sie gleichzeitig zupfte, auf den Geigenkasten klopfte oder mit dem Bogen so auf die Saiten schlägt, dass er anschließend mehrere Male wieder ab- und aufprallt. Sie schaffte es, die Violine spielend zu einem polyphonen Instrument zu machen.
Im weiteren Verlauf des Abends steigerte Weithaas sich vor allem nach der Pause, wo es dann mit Ysaÿes Sonate Nr. 2 weiterging und mit Bachs Partita Nr. 2 d-Moll endete. Dabei erzielte sie ausgeprägte Pianissimi, horchte in ihr Instrument hinein, so dass die Besucher den Eindruck gewinnen konnten, die Stille im Saal förmlich hören zu können. Dann wiederum schöpfte sie aus dem Vollen der Möglichkeiten des Instruments mit großer Brillanz, Leidenschaft und Beweglichkeit , sei es im Tempo, sei es in der Lautstärke.
Schlussapplaus für Antje Weithaas, Foto: Petra Kammann
Überzeugend war dann auch die Wahl der Zugabe der nach der großen Herausforderung sicher erschöpften Geigerin nach großem Applaus. Sie hatte das Andante aus der a-Moll Bach’schen Solosonate mit Bedacht gewählt, diese „Passion ohne Worte“, wie sie selber es nannte. Schlicht meisterhaft und einfach schön. Wirklich ohne Worte.
www.frankfurter-bachkonzerte.de
Das geänderte vollständige Programm:
Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Partita Nr. 1 h-Moll für Violine solo, BWV 1002
Eugène Ysaÿe (1858-1931)
Sonate Nr. 5 op. 27 G-Dur für Violine solo. “L’Aurore” à Matthieu Crickboom
*Pause*
Eugène Ysaÿe
Sonate Nr. 2 op. 27 a-Moll für Violine solo.
“Jacques Thibaud“
Johann Sebastian Bach
Partita Nr. 2 d-Moll für Violine solo, BWV 1004