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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Himmel – Die Entdeckung der Weltordnung“ – Eine besondere Ausstellung in der DZ-Bank-Kunststiftung

Kosmologische Entwürfe, himmlische Spuren, fasziniernde Ein- und Ausblicke

Foto-Kunst im Dialog mit realen Himmelsobjekten und naturwissenschaftlicher Forschung

Von Petra Kammann 

Über 30 Kunstwerke von insgesamt 20 Künstlerinnen und Künstlern und damit entsprechend verschiedene künstlerische Positionen präsentiert derzeit die seit nunmehr 30 Jahren auf Fotografie spezialisierte Kunststiftung DZ BANK in Frankfurt, darunter eine Filmskulptur von Rosa Barba sowie ein 16mm-Film „Set“ von Peter Miller aus dem Jahre 2016. Beide Arbeiten wurden eigens für die Ausstellung erworben. Eine weitere Besonderheit: die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung stellte der Sammlung leihweise fünf reale Meteoriten zur Verfügung, was den Blick für den Zusammenhang von Kunst und Naturwissenschaft schärft.

So kommt man an – Blick in die Ausstellung, Foto: Petra Kammann

Wer wünschte sich nicht den „Himmel auf Erden“  wie zum Beispiel die romantische Figur des Kleinen Prinzen von St. Exupéry, der auf einem winzigen Planeten, dem Asteroiden B612, auf dem es drei Vulkane gibt, von denen einer erloschen ist, lebte und wo er auf die einzige Rose trifft?

Allein der Blick nach oben gen Himmel öffnet bei den meisten schon einen geheimnisvollen Seelenraum. Nicht nur bei St. Exupéry, auch bei etlichen romantischen Poeten wird ein „gedichteter Himmel“ heraufbeschworen, der das transzendentale Vakuum der rein rationalen Aufklärung mit Seele füllt. Davon ließen sich immer schon die Bildenden Künstler inspirieren. Ebenso und zunehmend tun es auch die Fotografen-Künstler, deren vielfältiger Umgang mit dem Thema der Wahrnehmung oder Imagination des gestirnten Himmels in der Ausstellung der DZ-Bank-Stiftung zu bestaunen ist.

Kuratorin Dr. Katrin Thomschke bei der Erläuterung einzelner Werke, Foto: Petra Kammann

Dr. Katrin Thomschke, die Kuratorin der Schau in der DZ-Bank-Stiftung, zeigt, auf welche Weise sich die Künstlerinnen und Künstler den Himmelsvorstellungen, kosmischen Körpern und Ordnungssystemen nähern, indem sie zum Beispiel mit dem fotografischen Material experimentieren und ihre je eigenen Herstellungstechniken entwickeln. „Sie gelangen dabei zu ausgesprochen faszinierenden Kunstwerken, die weit über eine Abbildung von etwas Realem hinausgehen“, sagt sie und erläutert, dass ein zentraler Bestandteil dieser speziellen Ausstellung genau dem Zusammenhang von Kunst und Wissenschaft gewidmet ist, der ohnehin seit der technischen Entwicklung der Fotografie im 19. Jahrhundert auch eine zentrale Rolle in der Untersuchung astrophysikalischer Phänomene spielt.

Rosa Barba widmet der US-amerikanischen Astronomin Henrietta Swan Leavitt ihre Filmskulptur, Foto: Petra Kammann

Das tritt besonders in einem der ausgestellten Werk zutage, in Rosa Barbas Filmskulptur „Send me Sky, Henrietta“  aus dem Jahre 2018. So widmet die deutsch-italienische, heute in Berlin lebende Künstlerin und Filmemacherin Rosa Barba (*1972, Agrigent) ihre ,Filmskulptur‘ der US-amerikanische Astronomin Henrietta Swan Leavitt (* 1868 † 1921), die sich  um 1900 mit der Analyse von Fotografien pulsierender Sterne in fernen Galaxien beschäftigte. Dieses Werk ist einem eigens eingerichteten Raum am Ende der Ausstellung aufgebaut, wo Bildprojektionen, Erinnerungen, Porträts der Astronomin in einen Dialog zueinander gebracht werden. Sie widmet sich dabei im Wesentlichen drei Themenschwerpunkten, dem religiösen, dem romantischen und dem astronomischen Himmel. Nebenbei erlebt man als Zuschauer wegen der parallel zur Projektion  der 16 mm-Filme die parallel laufenden Rotation der Stills in der Filmmaschine noch so etwas wie eine visuelle Konzeption von Zeit.

Filmskulptur Rosa Barba, Send me Sky, Henrietta, 2018, © VG Bild-Kunst, Bonn 2023 Installationsansicht Kunststiftung DZ BANK, Foto: Petra Kammann

So bestechend wie herausragend in seiner minimalistischen Formsprache ist auch ein ungewöhnliches Bild des in Düsseldorf lebenden Künstlers Imi Knoebel (* 1940, Dessau) mit den klaren und geraden Linien in Schwarz auf Schwarz, das hier nicht etwa bedrohlich wirkt, sondern etwas Sphärisches ausstrahlt. Entstanden ist es aus astronomischen Aufnahmen des Sternenhimmels aus Zeitschriften, die der Künstler gesammelt, abfotografiert und zu einem neuen Tableau aus 54 lackartigen Teilen collagiert hat, um eine imaginäre Galaxie entstehen zu lassen.

Dem Himmel fügte er einen neuen Stern hinzu, indem er mit einer Nadel ein Loch in eines der Negative stach. Diese Installation fotografierte der Künstler für seine Tochter Olga Lina in deren Geburtsjahr 1974. Was für ein poetisches Geschenk zur Geburt eines Kindes! Dieses Tableau wurde für die Dauer der Ausstellung vom Städel Museum ausgeliehen, dem Knoebel es als Dauerleihgabe vermacht hat. In seiner Eindrücklichkeit und Größe beansprucht es hier eine Wand für sich.

Imi Knoebel, Ohne Titel (für Olga Lina), 1974 © VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Ausstellungsansicht Kunststiftung DZ BANK, Frankfurt am Main 2023, Foto: Norbert Miguletz

Interessant, dass einige der hier ausgestellten Werke in manchem an experimentelle Bilder von ZERO-Künstlern erinnern, etwa an die „Rauch- und Feuerbilder“ des Pioniers der internationalen Lichtkunst Otto Piene (*1928 – 2014), auf denen man die Sonne als glühenden Feuerball betrachten kann. So die „Pyrographie“ von Helena Petersen (*1987, München), die von einem verdunkelten Schießstand aus eine Waffe auf ein Fotopapier ab feuert, wodurch das Fotopapier blitzartig belichtet wird und von Schmauchspuren gezeichnet ist. Das wird im anschließenden Entwicklungsprozess als Farbverlauf erkennbar.

Blick in die Ausstellung, Foto: Petra Kammann

Als Pyrotechnikerin arbeitet auch Sandra Kranich (*1971, Ludwigshafen) mit Feuerwerkskörpern. Durch kontrollierte Explosionen, die ephemere Lichtzeichnungen entstehen lassen, werden große wirbelnde Energien freigesetzt, die wiederum nicht nur an gewisse Nagelkompositionen eines Günther Uecker (*1930 in Wendorf ) erinnern, an seine spiralförmig genagelten Reliefs, die durch die Ausrichtung der Nägel und die Wechselwirkung von Licht und Schatten ihre eigene Dynamik entwickeln, sondern auch an astrophysikalische Prozesse, nämlich an das letzte Aufleuchten einer Supernova. Da leuchtet der Stern, bevor er verglüht, ein letztes Mal auf. Kranich untersucht die dabei entstehenden strudelartigen Bewegungen, derer sie sich wiederum mit dem Zeichenstift von außen nach innen nähert.

Blick in die Ausstellung, Foto: Petra Kammann

Ähnlich wie Helena Petersen arbeitet auch Raphael Heftig (*1978, Neuenburg, CH). Für sein „Lycopdium“ setzt er sein lichtempfindliches Fotopapier einer besonderen Direktbelichtung aus, indem er die Sporen der Pflanze über der lichtempfindlichen Oberfläche abbrennt, wodurch auf dem Papier ein Farbverlauf entsteht.

Raphael Hefti, From the series: Lycopodium, 2012 / DZ-Bank-Stiftung

Besonders überraschend in der Ausstellung ist die Beschäftigung zeitgenössischer Künstler mit religiösen Symbolen, allen voran mit Richard Longo (*1953, Brooklyn). Seine Vision der gotischen Kathedrale in „Untitled“ (Cathedral, 2010) erlebt man vordergründig als Blick in den Himmel, gleichzeitig durch eine optische Irreführung aus der Bodenperspektive.

Mithilfe seiner traditionellen  Chiaroscuro-Technik und dem extremen Kontrast von Licht und Dunkelheit ruft er intensive Emotionen hervor: Sein Bild  bekommt so einerseits etwas Geheimnisvolles, andrerseits richtet sich der Blick fast automatisch gen Himmel, d.h. nach oben, während die addierten Seitenschiffe einer gotischen Ideal-Kathedrale in ihrer perspektivischen Verzerrung auf einen zuzukommen scheinen und daher bedrohlich wirken.

Ebenso besonders ist auch seine Technik. Als Grundlage für seine spektakulären Kohlezeichnungen nutzt Longo häufig stark vergrößerte Fotografien, die er um eigene Details ergänzt und so auf eine neue Dimension der Wirklichkeit hebt. Seine großformatigen Zeichnungen reproduziert er dann als Tintenstrahlausdruck.

Interessant der Blick auf  die Struktur der realexistierenden Meteoriten, welche die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung zur Verfügung stellte, Foto: Petra Kammann

Der niederländische Konzeptkünstler Jan Dibbets,(*1941, Wehrt, Niederlande), dessen Schaffen sich hauptsächlich um Licht, Beobachtung, Perspektive und Raum dreht, möchte mit seiner Kamera auch nicht nur die Wirklichkeit einfach abbilden, sondern mithilfe von Phantasie neue Perspektiven gewinnen. In seiner  Serie „Untitled“ von 1998 nimmt er in „Three cuppolas“ Kuppeln als Symbol des Himmelsgewölbes in der sakralen Architektur in den Blick.

Dabei experimentierte er und fügte der durch die Kamera erzeugten perspektivischen Illusion eine zweite plane Illusion hinzu, in dem er den Hintergrund einfarbig abdeckte, welche die verschobene Kuppelansicht einrahmt. Auf diese Weise  entstand eine Art Trompe l’oeil, eine Sinnestäuschung zwischen Fläche und Tiefe. Allein das Licht, mit dem er spielte und das hier durch die Kuppeln dringt, lässt am Ende etwas von der Tiefe des Raumes erahnen.

Blick in die Ausstellung und auf  kleinteiligere Arbeiten, Foto: Petra Kammann

Faszinierend sind natürlich Licht und Raum aus der Perspektive des Himmels. Das bestimmte bislang das unvollendete Lebenswerk „Rode Crater“ von James Turrell (* 1943, Los Angeles, Kalifornien, USA), an deren architektonischer Struktur aus Kammern und Tunneln der US-amerikanische Künstler seit den 1970er Jahren arbeitet. In seinem Lebenswerk entwirft er ein solches Observatorium in Gestalt eines großangelegten Kunstprojektes.

Die in den ausgehöhlten Kratern gegrabenen und nach obenhin geöffneten Räume geben den Blick auf den Himmel frei. Durch das einfallende Licht  und den damit verbundenen Stand von Sonne, Mond und Sternen im Tagesrhythmus verwandelt sich die unterirdische Architektur in eine spektakuläre Lichtinstallation. Für Turells in der Ausstellung gezeigte Arbeit „Overall Site Plan with White Bowl“ von 1992 zeichnet der Künstler auf einer Luftaufnahme des erloschenen Roden Crater-Vulkans sein ausgeklügeltes System an Gängen und Kammern ein, welches er in die Kraterlandschaft hat bauen lassen. Ein faszinierendes Projekt, das an traumähnliche Erfahrungen anknüpft, bisweilen auch an nächtliche Dunkelheit erinnert.

Dies sind nur einige der dort gezeigten spannenden Beispiele, die uns deutlich machen, wie sehr wir bereits auf dem Weg sind, nicht nur uns auf neue fotografische Techniken, sondern auch auf ein neues Himmelsuniversum einzulassen. Ein einzelner Besuch der Ausstellung reicht trotz der übersichtlich und gut strukturierten Schau kaum aus, sich ein umfassendes Gesamtbild zu machen. Sie vermittelt eher den Eindruck, dass wir selbst uns noch inmitten eines unabgeschlossenen Experiments befinden.

Eindruck beim Verlassen der Ausstellung, Foto: Petra Kammann​

Insofern sind die zusätzlich angebotenen Vorträge und Zusatzveranstaltungen als „Denkanstöße“ sicherlich zu empfehlen. Neben einem vielseitigen Vermittlungsprogramm  zur Ausstellung mit Führungen, einem Vortrag sowie einem Künstlerinnengespräch wird die Werkschau im Rahmen einer Kooperation mit dem Physikalischen Verein Frankfurt von Vorträgen aus der Reihe „Astronomie am Freitag“ begleitet, was uns hilft, dieses Neuland zu betreten.

Die Ausstellung

„Himmel – Die Entdeckung der Weltordnung“
9. Februar bis 20. Mai 2023
Kunststiftung DZ BANK
Platz der Republik
60325 Frankfurt am Main
www.kunststiftungdzbank.de

Öffnungszeiten

Dienstag bis Samstag 11 bis 19 Uhr. Eintritt frei.

Öffentlicher Zugang:
Friedrich-Ebert-Anlage/Cityhaus I.
Öffentliches Parkhaus „Westend“

Publikation zur Ausstellung

„Himmel – Die Entdeckung der Weltordnung“, gratis

Kunststiftung DZ BANK

Die Kunststiftung DZ BANK macht es sich zur Aufgabe, der Öffentlichkeit Kunstwerke aus der Sammlung der DZ BANK zu vermitteln Ihr Sammlungsschwerpunkt liegt auf fotografischen Ausdrucksformen von 1945 bis zur Gegenwart. Als Unternehmenssammlung ist sie in Europa eine der größten ihrer Art und umfasst mittlerweile rund 10.000 Werke von nahezu 1.100 internationalen Künstlerinnen und Künstlern. In ihrer Ausstellungshalle zeigt sie den umfangreichen Bestand im musealen Rahmen mit jährlich drei wechselnden Ausstellungen.

Führungen, Workshops und Veranstaltungen in der Ausstellungshalle der Kunststiftung DZ BANK 

Öffentliche Führungen 

Donnerstags um 18 Uhr, an jedem letzten Freitag im Monat um 17.30 Uhr 

Denkanstöße 

„Himmelserscheinungen“ Mittwoch, 29.03.2023, 18 Uhr;
Pfarrer David Schnell (Pfarrer für Stadtkirchenarbeit am Museumsufer) zu Gast in der Kunststiftung DZ BANK 

Vortrag 

„Unsichtbar? Dunkle Materie und Energie im Universum“,
Prof. Dr. Bruno Deiss (Astrophysiker, Physikalischer Verein, Frankfurt am Main)
am 16.03.2023, 18 Uhr

Künstlerinnengespräch 

Dirk Wagner (Journalist und hr-iNFO-Weltraumexperte) im Gespräch mit der Künstlerin Rosa Barba
Freitag, 19.05.2023, 18 Uhr  

Begleitendes Vortragsprogramm im Physikalischen Verein, Frankfurt am Main 

Begleitend zur Ausstellung bietet der Physikalische Verein, Frankfurt am Main in Kooperation mit der Kunststiftung DZ BANK Vorträge im Rahmen der Reihe „Astronomie am Freitag“ an.
Die Veranstaltungen finden im Hörsaal des Physikalischen Vereins, Robert-Mayer-Straße 2, Frankfurt statt. 

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