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FeuilletonFrankfurt

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PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Kabinettausstellung „Frank Brabant entdeckt Karl Otto Hy“ im Landesmuseum

Dem großen unbekannten künstlerischen Chronisten Wiesbadens auf der Spur

Von Hans-Bernd Heier

Der Wiesbadener Sammler und Mäzen Frank Brabant wurde anlässlich seines 85. Geburtstags eingeladen, in den Depots des Museums Wiesbaden auf Entdeckungsreise zu gehen. Aufgefallen ist ihm dort der heutzutage nahezu unbekannte Karl Otto Hy (1904 – 1992), der zwischen 1920 und 1937 als Maler und Architekt in Wiesbaden gewirkt hat. Das Landesmuseum widmet dem Maler heuer die feine Kabinettausstellung „Frank Brabant entdeckt … Karl Otto Hy“.

Hotel Vierjahreszeiten / Nassauer Hof“, 1937; Wolff Mirus, Hallgarten im Rheingau; Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Überrascht stellte Brabant bei seinem Depot-Rundgang fest, dass das Landesmuseum sechs Arbeiten von Hy besitzt. Er selbst hatte den Wiesbadener Architekten, Dekorationsmaler und Werbegestalter bereits früher entdeckt. Aufmerksam geworden war der rührige Sammler auf den Maler durch das vergleichsweise großformatige Porträt „Anna“, das der griechische Reeder George Economou auf einer Auktion bei Ketterer in München erworben hatte. “Irgendwie ist mir klargeworden, dass dieser Wiesbadener Künstler noch immer in meiner Sammlung fehlt, er gehört mit Alois Erbach und Otto Ritschl zu den spannenden Wiesbadener Malern der Neuen Sachlichkeit – für mich eine empfindliche Lücke“, wie Brabant in einem Gespräch mit Kurator Dr. Roman Zieglgänsberger erläutert; siehe Begleitheft zur Ausstellung, erhältlich für 3,– Euro an der Museumskasse.

Frank Brabant vor dem Porträt „Anna“; Foto: Hans-Bernd Heier

Diese Lücke in seiner Kollektion wollte der Sammler unbedingt schließen, weil Werke von Hy genau in seine Sammlungsstrategie passten: neusachliche Präzision und Wiesbadener Verbundenheit. Frank Brabant erläutert: „Für mich waren immer auch die in der Region ansässigen Künstler relevant. Natürlich Alexej von Jawlensky, der 20 Jahre hier von 1921 bis 1941 gelebt hat  Aber neben diesem großen, weltweit bekannten Künstler gab es auch viele andere Maler, die es zu entdecken galt und gilt – wie Karl Otto Hy, einer der wohl unbekanntesten der hiesigen Künstlerschaft“.

Waldstraße in Wiesbaden“, 1935, Museum Wiesbaden; Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Umso mehr freute es den Sammler, dass das großartige Anna-Porträt 2018 in der Londoner Ausstellung „Magic Realism“ in der Tate Modern zu sehen war und danach auch zweimal öffentlich zum Kauf angeboten wurde. „Das erste Mal habe ich es glatt übersehen, aber viele andere haben den Wert des Porträts auch nicht erkannt, vermutlich allerdings nur, weil sie nicht wie ich in Wiesbaden sitzen und Karl Otto Hy schlicht einfach keinen Namen hat“, so Brabant. „2021 hat es dann aber beim zweiten Anlauf geklappt und mein erster Hy war plötzlich in der Sammlung. Inzwischen sind es übrigens fünf Arbeiten, die ich von ihm besitze, eine Rheinansicht in Pastell sowie drei Porträtzeichnungen in Bleistift sind inzwischen noch dazugekommen“. Alle fünf Arbeiten sollen übrigens später einmal ins Landesmuseum kommen, wo sie – laut Sammler – hingehören.

„Bleichstraße in Wiesbaden“ 1932, Privatsammlung Wiesbaden; Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Von den bei seinem Depotbesuch entdeckten Werken Hys war Brabant so begeistert, dass er meinte, „den müssen wir endlich entdecken“. Nun haben alle Kunstinteressierten Gelegenheit, Stadtansichten und Porträts des nahezu vergessenen Malers kennenzulernen, von dem nicht einmal bekannt ist, wie sein Nachname ausgesprochen wurde – vermutlich „Hü“: Bis zum 25. Juni 2023 bieten 18 erlesene Werke einen Überblick über das Schaffen des vielseitigen Künstlers, der in seinen neusachlichen Stadtbildern das noch vom Krieg unversehrte Wiesbaden der 1930er-Jahre in Öl, Aquarell und Bleistift festgehalten und dokumentiert hat. Neben Artefakten aus der musealen Sammlung und der Kollektion Frank Brabant ergänzen Leihgaben die kleine, aber feine Schau.

Kiedricher Straße (Wiesbaden)“, 1937, Privatsammlung Wiesbaden; Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Der Maler Karl Otto Hy, geboren 1904 in der Rüdesheimer Drosselgasse, gestorben 1992 in Wiesbaden, war auch als Architekt und Werbegestalter tätig. Er erhielt größere öffentliche Aufträge und war u.a. an der Ausgestaltung der Herbert-Anlage und den Theaterkolonnaden in Hessens Landeshauptstadt beteiligt. Hy entwarf Werbeprodukte für die Wiesbadener Firmen wie Albert, Dyckerhoff, Glyco und Kalle und bemalte für die Mainzer Aktien- und die Wiesbadener Germania-Brauerei sowie für das Hotel Schwarzer Bock und das Opelbad Hauswände mit großflächigen Werbebildern. Als Architekt begleitete er Bauprojekte im Wiesbadener Stadtgebiet, darunter die Bebauung des äußeren Rheingauviertels.

Entwurf für ein Werbeplakat um 1930, Museum Wiesbaden; Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Als künstlerischer Chronist hat Hy, der mit architektonischem Blick auf die Stadt geschaut hat, „den Puls der Zeit mit seinen neusachlichen Wiesbadener Ansichten getroffen – sie wirken klar und poetisch gleichermaßen und zeigen Straßenzüge, Plätze sowie Alltagsmomente“, so Roman Zieglgänsberger. Trotz seines langen Lebens ist sein malerisches Werk überschaubar geblieben. Die meisten und wichtigsten Werke, von denen er sich nur schweren Herzens trennte, entstanden zwischen 1927 und 1937.

„Im ersten Moment scheinen all diese Stadtansichten mit ihren rollerfahrenden Kindern, den schicken Hutläden oder der Trambahn entlang der Alleen unbedarft, fast naiv“, erläutert der Kurator, „aber je länger man schaut, macht sich durch die grauen Himmel, das Marionettenartige der Spaziergänger oder einfach durch eine zerknüllte Zeitung auf dem sonst blitzblank gekehrten Trottoir ganz nebenbei eine große Unheimlichkeit breit, die es verhindert, dass wir es uns zu gemütlich machen beim Betrachten der Bilder, die in einer Zeit entstanden sich, die man nicht mehr heraufbeschwört sehen möchte.“

Kurator Roman Zieglgänsberger beim Presse-Rundgang vor der Stadtansicht „Waldstraße“, Foto: Hans-Bernd Heier

Das trifft besonders für das späte Gemälde „Hotel Vierjahreszeiten / Nassauer Hof“ in Wiesbaden zu. Die roten Fahnen der Nationalsozialisten bleiben zwar noch eingerollt, aber die düster dräuenden Wolken lassen sich als Vorahnung auf die Gräuel des Nazi-Regimes deuten.

Die reizvolle Kabinettausstellung „Frank Brabant entdeckt … Karl Otto Hy“ ist bis zum 25. Juni 2023 im Hessischen Landesmuseum für  Kunst und Natur zu sehen

weitere Informationen

unter: www.museum-wiesbaden.de und Frank Brabant entdeckt … Karl Otto Hy.

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