home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Leo Muscato inszeniert Händel „Agrippina“ an der Bonner Oper

Die Dicken und die Eitlen – besiegt von den klugen Frauen

von Simone Hamm

Viva il caro Sassone!“ – „Hoch lebe der liebe Sachse!“ So jubelten die Venezianer vor gut  300 Jahren dem erst 24-jährigen Georg Friedrich Händel zu – nach der Premiere seiner Oper „Agrippina“. Das Libretto hatte Kardinal Vincenzo Grimani verfasst, dem Vizekönig von Neapel. 27 mal wurde die Oper aufgeführt und damit sehr viel häufiger als viele andere.

Marie Heeschen (POPPEA), Pavel Kudinov (CLAUDIO), Louise Kemény (AGRIPPINA), Lada Bocková (NERONE) Foto:© Thilo Beu / Theater Bonn

Das Spiel von der Macht (der Frauen) hat bis heute nichts von seinem Charme verloren. Kaiserin Agrippina erfährt, dass ihr Mann Claudius bei der Rückkehr von Britannien in einem Sturm ums Leben gekommen sei. Schnell will sie ihren Sohn, den kindischen und minderbegabten Nerone zum neuen Kaiser machen. So kann sie das tun, was sie am liebsten tut: herrschen.

Dann aber stellt sich heraus, dass Kaiser Claudius gar nicht ertrunken ist. Ottone hat ihm das Leben gerettet und zum Dank dafür will Claudius seinen Lebensretter zum Kaiser machen. Er ist müde vom Herrschen und möchte seiner Liebe zu Poppea frönen. Die wiederum liebt Ottone und er sie.

Agrippina will so schnell nicht nachgeben. Sie hat ein Motto: „Keine Zeit mehr vergeudet! Voran, voran! Ruhm erlangt, wer mit List zu Werke geht.“ Sie erzählt dem Höfling Narciso, dass er mitmachen solle bei ihrem Intrigenspiel, dann dürfe er mit ihr herrschen. Dasselbe erzählt sie dem Höfling Pallisante. Poppea aber steht ihr, was die Kunst der Intrige angeht, in nichts nach. Sie will weder die Geliebte des alten lüsternen Kaisers noch die des zündelnden Nerone werden, der ihr auch nachstellt, sondern die des verführerischen Ottone.

Silvia Aymonino hat wunderbare Kostüme geschaffen. Fat Suits für Narciso und Pallante, die damit so dick sind, dass sie eher torkeln als laufen, überfressen und übersättigt. Künstliche Kurven für die lasziv Kaugummi kauende Poppea im kurzen blauen Hosenrock mit Strümpfen, die oberhalb des Knies enden und Agrippina, die sich ununterbrochen neu einkleidet, neue Tücher, neue Turbane, neue Perücken trägt, alles farblich perfekt aufeinander eingestimmt. Nerone ist kugelrund, Claudius trägt eine weiße Trumptolle, Ottone einen Sixpack aus Plastik.

Für die knallbunten Vorhänge und die Drehbühne mit den Säulen, die die Ortswechsel blitzschnell möglich macht, ist Federica Parolini verantwortlich. Poppea wandelt durch einen Garten mit riesigen Blumen, Aggripina sitzt vor großen Zeichnungen, wie sie auf antiken römischen Van zu sehen sind. Das krachendbunte Bühnenbild unterstrich die Inszenierung von Leo Muscato. Er zeigte „Agrippina“ als opera buffa, als ironische, komische  Parabel auf die Macht.

Der Händelspezialist Rubin Dubrovsky dirigiert das Beethovenorchester mit großer Leichtigkeit.

Louise Kemény (Sopran) ist die intrigante Titelheldin. Meisterhaft sind ihre Koloraturen. Ihre Stimme ist sehr wandelbar. Ihr dramatischer Sopran klingt bisweilen fast scharf.  Und genau so ist Agrippina ja.

Marie Heeschen (Sopran) ist ein wunderbare, vielseitige Poppea. Gesanglich und schauspielerisch. Sie trippelt auf der Stelle, tanzt, wackelt mit den Hüften, verführt. Immer hält sie dabei die Fäden in der Hand.

Charlotte Quadt ist der eitle Narciso, Carl Rumstadt der affige Pallante. Sie können kaum gehen vor Eitelkeit und Bräsigkeit.

Pavel Kudinov (Bass) hat sichtlich Spaß an seiner Rolle als ein Claudio, der die besten Jahre schon hinter sich hat. Er liebt das Komödiantische. Und sein Schalk ist auch in der Stimme zu hören. Aber er kann auch ganz den gestrengen Kaiser geben.

Diener Lesbo (Bass) agiert und singt zurückhaltend – aber stets weiß er genau, was an Ränkespielen vor sich geht.

Ottone ist ein verzweifelnder Mann. Benno Schachter (Countertenor) gibt ihn sehr empfindsam, kann aber bisweilen auch hart werden (und singen), wenn er seine militärische Macht zeigen will. Aber im Grunde wird er nur gelenkt von seiner Liebe zu Poppea. Für sie gibt er gerne den Thron auf.

Wunderbar klar und völlig frisch klingen die Koloraturen und Arien von Lada Bocková (Sopran). Sie ist der ungezogene Nerone, der mit einem Feuerzeug spielt. Sie springt in die Luft vor Freude als sie hört, dass Agrippinas Plan aufgegangen ist und Nerone Kaiser werden wird. Von ihr ist noch viel zu erwarten.

„Agrippina“ an der Bonner Oper ist noch zu sehen am :
4.2., 10.2.,12.2.,26.2.,9.3., 11.3.,19.3.,15.4., 22.4.

Comments are closed.