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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Neoklassisches Ballett aus Prag und San Francisco in Bonn

„Der Prozess“ und „Deep River“

Von Simone Hamm

Zu den „Highlights des internationalen Tanzes“ kamen das Ballett des Nationaltheaters Prag und „Lines“ aus San Francisco mit Choreografien von Mauro Bigonzetti und Alonzo King.

Mauro Bigonzetti choreografierte Kafkas „Prozess“, Foto: © Tschechisches National Ballett

Allein liegt K. in seinem Zimmer. Papier raschelt, eine junge Frau, eingehüllt in ein Gewand aus Zeitungspapier tritt ein. Polizisten kommen hinzu. Herrn K. soll der Prozess gemacht werden. Wann, wo und vor allem warum, erfährt er nicht. Er wird einfach verhaftet.

Mauro Bigonzetti hat Franz Kafkas Roman: “Der Prozess“ für die Ballettbühne adaptiert. Dazu hat Barockmusik und Musik des 20. Jahrhunderts. ausgewählt. Es tanzt das Ballett des Nationaltheaters Prag.

Carlo Cerri  hat ein grandioses Bühnenbild geschaffen. Ganz in Grautönen. Videoprojektionen zeigen einen kargen Raum. Hier sitzt Herr K. bei der Arbeit. Einsam. Verloren. Dazu erklingt – und der Gegensatz könnte nicht größer sein – „Jesu, meines Lebens Leben“ von Dietrich Buxtehude. Das geht unter die Haut.

Die Videoprojektionen zeigen auch Gerichtsgebäude und Gerichtssaal. Riesige Säulen. Dann zerfließt alles. Fast das gesamte Ensemble sitzt auf Stühlen und beobachtet Herrn K. Sind es die Geschworenen? Sie wirken bedrohlich.

Diesen bisweilen düster wirkenden Tänzen des Ensembles werden zarte erotische Duette gegenübergestellt.  In einem Raum, in dem die Akten turmhoch gestapelt sind, tanzen Herr K. und eine Pflegerin ein hinreißend anmutiges Pax de deux. Gibt es vielleicht doch einen Ausweg?

Die Wäscherinnen, die auf ihren Waschbrettern fast martialisch klingende rhythmische  Geräusche erzeugen, machen diese Hoffnung zunichte.

„Deep River“ – Alonzo Kings „Lines“ Ballett aus San Francisco , Foto: © RJ Muna

Alonzo Kings „Lines“ Ballett aus San Francisco zeigte die abendfüllende Choreografie „Deep River“ in Bonn. Dazu wählte er afrikanische und jüdische Musiken aus, Musik des Pianisten Jason Moran und Songs von Lisa Fisher, die an Gospels erinnern.

“Deep river“ ist ein spiritueller Tanz auf Spitzenschuhen. Die Kostüme sind in tiefen Erdtönen gehalten, die Männer tragen Chiffonröcke, die Frauen Bodies mit Pailetten oder weite, luftige Kleider.

Alonzo King hat die große Anstrengung der letzen beiden Jahre unter Covidbedingungen vertanzt, die Einsamkeit, die Ängste, wenn sich die Tänzer am Boden krümmen, hin – und her taumeln. Das Ensemble bewegt sich nicht im Gleichklang, sondern wie in Wellen. Das schafft eine ganz besondere Atmosphäre.

Dominiert aber wird der Abend von großartigen Soli und intensiven Duetten. Die Tänzerinnen drehen sich auf der Spitze, werfen die langen Beine nach oben, schaffen sich Raum, sind sicher, selbstsicher.

Die Tänzer dehnen sich, strecken sich nach oben. Das ist unglaublich elegant. Dazu die elegische Musik. Diese Tänzer, dieser Choreograph wollen Hoffnung verbreiten, Aufbruch.

Weitere Infos: 

https://www.theater-bonn.de/

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