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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Der 10. DAM-Hochhauspreis: Was zeigt er an?

Nachhaltigkeit gilt der Jury als wichtigstes Kriterium – Siegerturm steht in Sidney

 Von Uwe Kammann

Zum zehnten Mal wurde der gemeinsam vom Deutschen Architekturmuseum (DAM), der Stadt Frankfurt und der DekaBank ausgelobte Internationale Hochhauspreis vergeben. Statistisch interessant: Jedes dritte Gebäude über 100 Meter wird inzwischen in China gebaut. Unser Autor verbindet die Berichterstattung zu diesem Ereignis mit einigen weiterführenden Überlegungen.

In Frankfurt wachsen die vier Hochhäuser eines immens verdichteten Innenstadtblocks am Roßmarkt mit rasantem Tempo in den Himmel, selbstredend benannt als „Four“ – das sicher letzte Projekt mit einem solchen Ausmaß in der Stadt. Übrigens, lange hat es gedauert, bis sich jetzt am scharfen letzten Knick der Neuen Mainzer Straße die ersten Kräne drehen, für den „Central Business Tower“. Schon 2001 gab es die ersten Pläne für einen Riesen mit gut 200 Meter Höhe, doch es dauerte und dauerte – 50er-Jahre-Relikte erhielten eine Gnadenfrist und dienten als Graffitti-Grund. Sowohl bei „Four“ als auch jetzt beim Helaba-Turm werden am Sockel massive Gründerzeit-Fassaden erhalten, eine optische Quasi-Verankerung in der Frankfurter Geschichte. Parallel ist zu lesen und zu hören, dass Investoren zurückhaltender werden, manche sagen schlicht: viel vorsichtiger aus guten ökonomischen Gründen.

Frankfurter Hochhauskulisse, Foto: Petra Kammann

Welch’ ein Kontrast zu der Hochhauskulisse, die Ende letzten Jahres Tag für Tag bei der Berichterstattung von der Fußball-Weltmeisterschaft zu sehen war: gleichsam als langgezogenes Super-Wahrzeichen des Wüstenstaates Katar. Kurz, eine Modernitätsdemonstration in Form einer Kette von Einzeltürmen, die sich formal aufplusterten und in jeder Hinsicht laut ‚hier’ riefen: seht her, ich bin der größte, originellste, spektakulärste, funkelndste unter lauter exzentrischen Himmelsstürmern. Alles in allem: ein Manifest der Prachtentfaltung und eines ungebrochenen Hochglanzwillens. Ein Bauschild wie jetzt an der prominenten Frankfurter Kreuzung von Neuer Mainzer und Junghofstraße – mit einem Selbstlob auf eine „nachhaltige Baustelle“ –, es wäre wahrscheinlich in Katar eine Kuriosität gewesen.

Aber hier, speziell auch in der begleitenden architektonischen und bautheoretischen Diskussion, wird das Wort „Nachhaltigkeit“ in übergroßen Buchstaben geschrieben, ist es zu einem Basisbegriff des modernen Bauens geworden. Nirgends schlagender ist das zu lesen und zu lernen als beim Wettbewerb um die „Best High-Rises“, den das Deutsche Architekturmuseum (DAM) nun zum zehnten Mal ausgetragen hat (früher hieß es immer, ganz ohne Bindestrich, „Highrises“) und dessen Ergebnisse noch bis zum 22. Januar wegen der derzeitigen Renovierung des Architekturmuseums im Museum Angewandte Kunst am Schaumainkai 17 zu sehen sind.

Frankfurt: Hochhausdichte mit dem „Omniturm“ des dänischen Büros BIG (Hochhauspreis 2016) in der Neuen Mainzer Straße, Foto: Petra Kammann

Das DAM selbst hat wegen der umfangreichen Sanierungsarbeiten im eigenen Haus am Schaumainkai eine Zwischendependance im ehemaligen Telekom-Komplex am Ostbahnhof bezogen. Die DAM-Leute sind übrigens sehr angetan von ihrer Bleibe an diesem insgesamt trostlosen, völlig verwahrlosten Frankfurter Platz. Sie sehen darin ein hohes Nutzungspotential, bewerten es als Beleg dafür, dass bestehende Gebäude sinnvoll weitergenutzt werden können, wenn man sie intelligent an neue Bedürfnisse anpasst – und auf diese Weise Material und Energie einspart, welche sonst für einen kompletten Neubau notwendig wären. Eine ganzes Ausstellungs- und Veranstaltungsmodul hat das DAM diesem Großthema gewidmet, betitelt „Nichts Neues – Besser Bauen mit Bestand“, bezogen auf „Umbauen, Anbauen, Weiterbauen“.

Das Juridicum soll nach alten Plänen einem Neubau der Musikhochschule auf dem Kulturkampus weichen, Foto: Petra Kammann

Dabei wird auch diskutiert, ob es nicht besser wäre, das jetzige Juridicum – ein hochgestelltes Quader mit Rasterfassade – auf dem Platz der alten Bockenheimer Universität zu erhalten und neu zu nutzen, statt es zugunsten eines Neubaus der Musikhochschule abzureißen. Was das DAM selbst davon hält, zeigt – leicht zum Prinzip verallgemeinert – der Schlusssatz des Einladungstextes: „Gemeinsam mit dem Publikum wird zum Abschluss der Veranstaltung bei Freigetränken auf die Bestandserhaltung angestoßen.“

Eine eindeutige Positionierung also, die auch als ebenso eindeutige Tendenz und Präferenz beim letzten Hochhauspreis zu erkennen ist. Nach langer Debatte, so heißt es zusammenfassend für die Jury, sei der „Katergorie Nachhaltikeit die höchste Priorität“ eingeräumt worden. Mit entsprechender Konsequenz für die Kurzliste mit den fünf Finalisten, die aus folgenden Ländern stammen: Kanada, USA, Österreich, Singapur und Australien. Sieger wurde beim diesjährigen Wettbewerb der „Quay Quarter Tower“ in Sidney, gelegen im wassernahen Stadtquartier mit direktem Blickbezug auf die  weltberühmten Dachsegel der Oper.

Das Besondere bei diesem erstplazierten Turm, entworfen vom dänischen Architekturbüro 3XN: Er bezieht das vorherige Bestandsgebäude ein, durch Integration der alten Tragestruktur in den Neubau. So blieben zwei Drittel der Träger, Geschossplatten sowie fast der komplette Kern des alten Turm s aus den 70er Jahren erhalten. Ein „radikales Nachhaltigkeitskonzept“, so heißt es im Begleittext, das – verglichen mit vollständigem Abriss und komplettem Neubau – 7500 Tonnen Kohlenstoff eingespart habe.

DAM-Direktor Cachola Schmal bei der Preisverleihung, Foto: Petra Kammann

Darin sieht DAM-Direktor Peter Cachola Schmal eine klare „Win-win-Situation“. Einmal, weil die Kohlenstoffeinsparung maximiert werde. Aber auch, weil der im Vergleich zum Vorgängergebäude wesentlich höhere neue Turm auf der gleichen Grundfläche mehr Raum biete – ein wichtiger Faktor, weil die Städte aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung nachverdichtet werden müssten: „Um dies zu erreichen, müssen wir schlicht und einfach höher bauen.“

Die Jury beurteilt das „radikale Nachhaltigkeitskonzept“ als modellhaft für nachfolgende Hochhausprojekte in modernen Städten. Denn in vielen Metropolen seien existierende Hochhäuser „in die Jahre gekommen“ und müssten ersetzt werden; gleichzeitig müsse die Bebauungsdichte erhöht werden. Dem klassischen Ansatz vor allem in Europa – Abriss, dann Neubau wesentlich höherer Türme – stelle der Sydney-Turm einen „grundlegend anderen Ansatz“ entgegen und sei damit ein „massiver und zutiefst überzeugender Schritt  in Richtung einer Netto-Null-Architektur“.

Nun, dieser Begrifflichkeit (Negation als beste Eigenschaft?) könnte der Architekturkritiker Niklas Maak sicher nicht allzuviel abgewinnen, das war seiner Dankesrede bei einer kürzlichen Preisverleihung in Darmstadt zu entnehmen. Überhaupt hatte er dort das Grunddilemma viel schärfer umrissen: Eigentlich dürfe man unter Gesichtspunkten der Umwelt- und Ressourcenschonung gar nichts mehr bauen; zum anderen aber verlange die rapide wachsende Menschenzahl nach schnellem Bauen neuer Behausungen.

Kim Herford Nielsen, Gründer des dänischen Architekturbüros 3XN, und Fed Holt, Partner und australischer Leiter des Büros, Foto: Petra Kammann

Mit der äußeren Gestalt des Siegerturms würde er wahrscheinlich keine großen Probleme haben. Denn das Gebäude ist mit seinen klar artikulierten horizontalen Fensterprofilen bei großzügiger Verglasung durchaus von markanter Eleganz, und dies bis zum sorgfältig gestalteten abgeschrägten Dach. Zugleich bietet es, wie die Jury hinsichtlich der äußeren Faktoren hervorhebt, eine natürliche Belichtung und auch „großartige Ausblicke“ (auf eine in der Tat sehr reizvolle Umgebung, geprägt durch die Kombination von Wasser, Park und klassischer Großstadtarchitekur eines dichten Geschäfts- und Büroquartiers) – lauter Eigenschaften, welche durch eine Drehung von fünf „gestapelten“ Gebäudeabschnitten um die zentrale Achse ermöglicht würden.

Eine ausgeprägte Höhenstaffelung weist auch das zur Kurzliste gehörende Ensemble aus drei Wohntürmen in Wien auf  (Henke Schreieck Architektekten), bei versetzten Fassaden-Falllinien. Zurückhaltend klassisch, eingefügt in eine Straßenschlucht, geriert sich der New-Yorker Wohn- und Hotelturm „The Bryant“ von David Chipperfield (2020 Träger des DAM-Architekturpreises für seinen Eingangstempel auf der Berliner Museumsinsel). Am exzentrischsten unter den Finalisten wirkt das „Vancouver House“, das aus einem gemischt genutzten Sockel ein in sich gedrehtes Segel entwickelt, gleichsam kühn gegen die Schwerkraft kämpfend, aber elegant akzentuiert in den horizontalen Fensterbrüstungen (entworfen von der Bjarke Ingels Group, in Frankfurt mit dem „Omniturm“ prominent vertreten, und schon 2016 mit dem Hochhauspreis des DAM ausgezeichnet und dort auch mit einer Ausstellung zum Thema Klimawandel und Architektur engagiert).

Es lohnt sich natürlich noch, die bis zum 22. Januar laufende Ausstellung zum diesjährigen Wettbewerb zu besuchen, vor allem, weil die gezeigten Modelle ein genaueres Studium von Proportionen, Winkelwirkungen und Details ermöglichen. Aber besonders lohnend, wie immer, ist es, sich in den hervorragenden Katalog (JOVIS-Verlag) einzusehen und einzulesen. Hier lassen sich die nominierten Hochhäuser eingehend vergleichen, nicht nur anhand von ausgezeichneten Fotos, sondern auch von Schnitt- und Bauzeichnungen; hier finden sich tabellarische Übersichten und aufschlussreiche Fakten zum Großthema, dazu dokumentarisches Feinmaterial und Tabellen.

Verblüffend (oder auch gar nicht?) ist die Übersichtskarte aller 34 nominierten Projekte aus 13 Ländern. Denn es zeigt bei China eine auf verschiedene Städte verteilte Vielfalt von insgesamt zehn Projekten, während Europa gerade einmal mit vier Bauten vertreten ist, darunter zwei in Frankfurt (das „Senckenberg-Quartier“ von Cyrus Moser und das „One“ im Europaviertel von Meurer Architektur) und jeweils einer in London (das „One Crown Plaza“ der in Frankfurt mit der DG-Bank vertretenen Universalmeister Kohn Pedersen Fox und eben des Finalisten in Wien). In Nordamerika finden sich, wie in China, ebenfalls zehn der nominierten Bauten.

Ist diese gespreizte west-östliche Dominanz (zu der auch Sidney, Melbourne und Singapur zu zählen sind) nun schon symptomatisch? Schwer zu sagen. Lesenswert ist unter dem Signum Futur auf jeden Fall der Essay des Bandes unter dem schlichten Titel „Hochhäuser“ und dem aufschließenden Untertitel „Gestern. Heute. Und morgen?“. Auch hier wird unterstrichen, „dass Nachhaltigkeit bei der Bewertung von Architektur längst keine untergeordnete Rolle mehr spielt,  sondern zum Schlüsselkriterium geworden ist.“

Autor Matthias Schuler (der auch spezifische Überlegungen des verstorbenen Architekten Helmut Jahn zum Post-Tower in Bonn einbezieht) verschweigt nicht die negativen Faktoren von Hochhäusern: so seien sie gegenüber einer dichten Blockrandbebauung „klar im Nachteil“, was den Materialeinsatz zur Gebäuderstellung betreffe; ebenso erforderten die Gründung und die Aufnahme hoher Windlasten einen erhöhten Aufwand. Vorteile, die er in den potentiell größeren Abständen möglichst ohne Sockelgebäude sieht – wie geringere Verschattung durch Nachbargebäude und „maximale solare Gewinne“ – werden nicht alle teilen. Denn die entstehenden Freiräume sind natürlich ‚Gift’, wenn man geschlossene Straßen- und Platzräume als großen Gewinn für eine auch ästhetisch anziehende Stadtgestaltung betrachtet; oder die Höfe bei klassischen Blockrändern als willkommene Spiel- und Ruhezonen.

Eines ist ohnehin auffällig bei vielen aktuellen Diskussionen um richtiges und zukunftsfähiges Bauen: Wie die äußere Form und ihre Auswirkung auf die gesamte Stadtgestalt vielfach oder gänzlich in den Hintergrund tritt, wie Materialwahl (etwa beim in der ökologischen Gesamtbilanz gar nicht mehr so unumstrittenen Holz) und Klimaeffekte durch Begrünung (der 2014 mit dem Hochhauspreis ausgezeichnete „Bosco Verticale“ in Mailand gewann geradezu Kultstatus) eindeutig in den Vordergrund treten.

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Bosco Verticale, Mailand, Architekten: Boeri Studio, Foto: DekaBank/Kirsten Bucher

Das ist Zeitgeistwandel pur, bestens zu belegen an einem Buch, das vor vier Jahrzehnten Furore gemacht hat. „Zeit für Wolkenkratzer oder die Kunst, Hochäuser zu bauen“, so lautet der Titel, der unbedingt euphorisch-positiv zu verstehen ist. Dort verfasste Ada Louise Huxtable, jahrzehntelange Architekturkritikerin der New York Times (später ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize for Distiguished Criticisme), ein geradezu flammendes Plädoyer für diesen Bautypus. Darin findet sich ein fundamentaler Satz, der heute sicher Seltenheitswert hätte: „Die Kunst des Bauens besteht in der Gestaltung, die physische Notwendigkeiten und Gegebenheiten umsetzt in ein ästhetisches Erlebnis von persönlichem und allgemeinem Wert.“

Es lohnt sich sehr, dieses 1982 erschienene Buch gerade vor der Folie der heutigen Debatten noch einmal zu lesen und sich die reich belegten historischen Phasen des Hochhausbaus als „überwältigendstes architektonisches Erzeugnis“ noch einmal zu vergegenwärtigen – auch, um in ihm „das größte Gewinn- und Verlustspiel der Stadt“ zu erkennen. Huxtable scheut nicht vor Begriffen wie Wahrheit und Schönheit zurück, mit genauem Blick seziert sie „reine formale Effekte, Moden und Selbstdarstellungen“, einschließlich der „starren Prinzipien der Moderne“.

Zahlreiche Beispiele belegen, wie sehr gerade diese Prinzipien oft zu einer äußerten Reduktion geführt haben, zu einer abweisenden Geschlossenheit, deren technisch-materielle Perfektion vordergründig große Bewunderung hervorvorrufen kann, doch dem Auge im kleinen Maßstab keinen Halt und keinen Reiz bietet. Wer über diesen Verlust (den viele Menschen gleichsam automatisch empfinden, ohne ihn benennen zu können) nachdenken will, dem sei übrigens ein Buch empfohlen, das mit „Ornament und Vergebung“ einen vielleicht zu kryptischten Titel (natürlich eine Anspielung auf die Loos-Formel „Ornament und Verbrechen“) trägt; das aber mit einer unvergleichlichen Detail-Kenntnis und –verliebtheit am Beispiel der Äußeren Neustadt Dresdens aufzeigt, welche ästhetischen Wirkungen mit den Fassadengestaltungen und Farbfassungen des Historismus verbunden sind.

Sehr genau, an einer Fülle von Beispielen in vergleichenden Abbildungen belegt, demonstriert der Kunsthistoriker Stefan Bürger, welche Wahrnehmungs- und Beziehungsschichten schon durch kleinste architektonische Detaillösungen bei ornamentalen Fassadengestaltungen ausgelöst werden können. Es ist, wenn man so will, der Gestaltungskanon einer auf den menschlichen Maßstab bezogenen Raumwelt, welche ein Gegenbild zur oft überwältigenden Großmaßstäblichkeit darstellt, deren Ambitionen, Machtdemonstrationen und Großartigkeitsphantasien Huxtable im vorher erwähnten Hochhaus-Buch sehr treffend beschrieben hat.

Stefan Bürger übrigens – der sich sehr intensiv mit Themen wie  Denkmalpflege, Architekturikonologie, Raumsoziologie und Medialität befasst – will kein lauter Rebell sein, will nicht in großer Geste Gestaltungsprinzipien der Moderne verdammen und historistische Rückbezüge als Allheilmittel predigen. Er zieht am Schluss seines ausgesprochen schön gestalteten Buches (großes Kompliment an den Sandstein-Verlag) ein fast bescheiden anmutendes, aber in der Konsequenz doch sehr nachdrückliches Fazit für unser Bauen: Es sei uns möglich (und wünschenswert), „über das Nachdenken und Nachempfinden von Gestaltungen, die beispielsweise die Zeit des Historismus betreffen, dieses Wissen und Gestaltempfinden in unsere gegenwärtige Umwelt zu transferieren und dadurch zu bereichern.

Das spricht nicht grundsätzlich gegen Hochhäuser, beileibe nicht. Aber darin steckt ein wichtiger Moment: sehr, wirklich sehr genau zu überlegen und dann zu entscheiden, mit welchen baulichen Elementen wir unsere Städte weiterentwickeln; mithin: was wir mit welchen Häusern und Raumfolgen gewinnen, was wir aber womöglich auch blockieren und in feindliche Kulissen des Alltagslebens verwandeln.

Finalist TrIIIple Towers, Wien, Österreich- Ein Ensemble von Wohnhochhäusern von Henke Schreieck Architekten, Wien, Österreich: Foto: Christian Pichlkastner

Bei den jetzt allseits gelobten Wohnhochhäusern beispielsweise müsste sich automatisch die Frage stellen: Was bedeuten sie für das Leben von Familien, was ist mit dem Umstand verbunden, wenn Eltern im 25. Stock wohnen, Kinder aber auf normaler Bodenhöhe spielen wollen? Wie steht es um die Abhängigkeit von aufwändigen technischen Installationen, angefangen bei den Aufzügen? Oder: Was bedeutet es für das städtische Straßenleben, wenn ein Hochhaus wie jenes in Sidney, das gerade in Frankfurt auf das Siegerpodest gehoben wurde, gleichsam alle Alltagstätigkeiten, alle Besorgungen und sozialen Aktivitäten der dort Arbeitenden in sich selbst beherbergt und organisiert? Denn natürlich steckt darin ein Zug zur baulichen Großmonade, die nur innere Bewegung kennt, in einer Mischung aus Vertikal- und Horizontalmobilität – im geschlossenen Hohlraum, einem Behältnis, das zugleich einschließt und ausschließt.

Ist die Sache schon in der Generaltendenz entschieden? Sind beispielsweise die Versuche, Landwirtschaft in städtischen Vertikalfarmen zu betreiben, tatsächliche schon Vorboten einer umfassenden und tiefgehenden Umgestaltung auch des Verhältnisses von Stadt und Land? Ist die kürzliche Beerdigung des Ausnahmefußballers Pelé in einem 14-stöckigen Hochhaus-Friedhof in Santos ein prominentes Beispiel für eine radikale Neuausrichtung unserer Lebensweisen, auch für ein Umdenken bei tief verankerten herkömmlichen kultischen Formen? „Zeit für Wolkenkratzer“, der Titel sei nochmals zitiert: Das kann heute kein absoluter Imperativ mehr sein. Und sei das Etikett ‚nachhaltig’ noch so fest angeklebt.

Highrise Award-Preisverleihung in der Paulskirche , v.l.n.r: Planungsdezernent Mike Josef, DAM-Direktor Peter Cachola Schmal,  Kim Herford Nielsen, Gründer des dänischen Architekturbüros 3XN, und Fed Holt, Partner und australischer Büroleiter, Dr. Matthias Danne), Deka-Bank, Vorstand, Foto: Petra Kammann

 

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