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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ein Gespräch mit dem Frankfurter Illustrator Philipp Waechter

Freiheit oder wie die Welt sein könnte

Stephanie von Selchow sprach mit Philipp Waechter

Der Zeichner und Autor Philip Waechter, 1968 in Frankfurt am Main als Sohn des Karikaturisten F. K. Waechter geboren, studierte Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Mainz mit dem Schwerpunkt Illustration. Er illustrierte viele Kinderbücher, darunter auch die von Barbara Gelberg herausgegebene Anthologie »Starke Freunde« und, gemeinsam mit Anke Kuhl, »Einmal, als der Bär ans Meer kam«. Außerdem erschienen von ihm so schöne Bilderbücher wie »ich«, »Rosi in der Geisterbahn«, »Sehr berühmt«, »Sohntage«, »Der Krakeeler« (mit Moni Port), »Der fliegende Jakob«, »So ein Tag. Familienskizzen«, »Philip Waechters unglaubliche Kinderzimmerplakate«, »Kuchen bei mir«, »Endlich wieder zelten!« und »Toni – Und alles nur wegen Renato Flash«. In der Frankfurter Ateliergemeinschaft LABOR veröffentlicht er so berühmte KINDER KÜNSTLERBÜCHER wie »Ich so du so«.

Der Illustrator und Autor Philipp Waechter, Foto: CARLSEN Verlag

Stephanie von Selchow: Sie sind 1968 in Frankfurt am Mai geboren. Was bedeutet das für Sie? 

Philipp Waechter: Meine Eltern sind von dieser Zeit geprägt und waren politisch engagiert. Ich bin ein Kind dieser Zeit und besuchte einen der ersten Kinderläden.Der Freundeskreis meiner Familie bestand fast ausschließlich aus Menschen, für die die 1968er Bewegung eine große Bedeutung hatte. Ich bin da einfach hineingeboren. Alle meine Freunde waren „Kinderladenkinder“.

Wie ging es denn in Ihrem Kinderladen in den 1970er Jahren zu?

In den Kinderläden der damaligen Zeit hat man sich sehr viel Gedanken darüber gemacht, wie man Kinder aufwachsen lassen kann. Es sollten freie, selbständig denkende, kritische, emphatische und verantwortungsvolle Menschen werden. Das Wort Erziehung hat man nicht verwendet. Grundgedanke war, dass nur aus freien Menschen auch eine freie Gesellschaft entstehen könne.

An was erinnern Sie sich genau? 

Ich erinnere mich, dass es oft um die Frage von Gerechtigkeit ging. Wer hat Macht, wer profitiert von wem, mit welchen Mitteln? Es ging darum, Hierarchien, Machtstrukturen und Status zu hinterfragen. Es ging um Zusammenhalt und Solidarität zwischen den Menschen, um Gleichberechtigung und Emanzipation. Es ging um die Fragen: „Wie hat ein Junge zu sein?“, „Wie hat ein Mädchen zu sein?“ und um den Wunsch, Rollenbilder aufzulösen. Uns Kindern wurden diese Themen durch Gespräche, aber auch über Bücher, Kinderlieder und selbst einstudierte Theaterstücke näher gebracht.

Welche Grundhaltungen sind Ihnen bis heute wichtig und fließen in Ihre Arbeit mit ein? 

Der Wunsch nach Gerechtigkeit ist auch bei mir stark ausgeprägt, aber das würden wahrscheinlich fast alle Menschen von sich behaupten. Ich finde es extrem ungerecht, dass es solch eine große Rolle spielt, auf welchem Flecken Erde man zur Welt kommt. Ich wünsche mir – besonders für alle Kinder – mehr Chancengleichheit, nicht nur in materieller Hinsicht. Ich wünsche jedem Kind freundliche und zugewandte Eltern, tolle Familien, Freundeskreise, Schulen, in die die Kinder gerne gehen, und, und, und! In meinen Büchern möchte ich die Belange von Kindern sichtbar machen. Ich möchte die Kinder in meinen Büchern ernst nehmen. Den kindlichen Blick auf die Welt zeigen, der oft noch grenzenlos ist, der Wünschen, Träumen, Fantasie und Utopien Raum lässt. Ich wünsche mir, dass Kinder sich in meinen Geschichten wiederfinden, dass sie sich verstanden und wertgeschätzt fühlen. Und natürlich will ich sie unterhalten und nicht langweilen, – auch die Eltern nicht, die die Geschichten ja vorlesen.

Ihr Vater – F. K. Waechter  (Friedrich Karl) – war der große Karikaturist und Mitbegründer der Satirezeitschrift „Titanic“. Wie haben Sie ihn als Kind erlebt? 

Er konnte sich sehr gut in eine Kinderseele hineindenken. Er hat mit mir und meinen zwei Brüdern gespielt und war dabei selbst oft wie ein Kind, hat mitgemacht und mitgefiebert. Manchmal hatte er nicht die Distanz, die man von einem Vater erwarten würde und konnte sich beim Spielen richtig freuen, aber auch ziemlich ärgern. Er war ein leidenschaftlicher Mensch, hat gerne gearbeitet, immer gezeichnet, sich immer etwas ausgedacht, war durch und durch kreativ. Leben, arbeiten, spielen, kreativ sein waren eins. Manchmal war er dadurch aber auch wenig zugänglich, dann, wenn er ganz bei sich und seiner Kunst war. Das fand ich besonders als Jugendlicher und junger Erwachsener manchmal schwierig. Als ich älter wurde, wurde mir klar, wie frei er in seiner Arbeit war. Er hat sich immer darum bemüht, nur das machen zu können, wozu er wirklich Lust hatte. Er hat sehr stark auf seine innere Stimme gehört.

Tun Sie das auch? 

Ich versuche es. Spätestens, seit ich mir zutraue, eigene Geschichten zu machen und nicht mehr nur auf Texte zum Illustrieren angewiesen bin, fühle ich mich ziemlich unabhängig. Ich vertraue darauf, dass mir immer wieder eigene Ideen kommen.

Welches Kinderbuch Ihres Vaters lieben Sie besonders und warum?

„Opa Huckes Mitmachkabinett“. Das ist ein großartiges Buch, das geradezu explodiert vor guten Ideen. Außerdem habe ich bei keinem anderen Buch meines Vaters so sehr das Gefühl, selber mitgemacht und mitgestaltet zu haben. Eigentlich war es auch das Buch meiner Brüder und von mir. Wir haben stundenlang am Schreibtisch meines Vaters gestanden, haben ihm beim Zeichnen zugesehen, haben Ideen ausgetauscht, haben Dinge besprochen und ausprobiert, die mein Vater dann umgesetzt hat.

Zärtlicher, sparsamer kann man vom Ich, vom Du und Wir nicht erzählen“, befand das Darmstädter Echo

Wie war Ihre Kindheit? 

Es war eine schöne Kindheit mit vielen Freunden, vielen Menschen, vielen tollen Erlebnissen, aufregenden Reisen. Eigentlich war immer eine Menge los. Meine Eltern haben sich dann getrennt, als ich sechs Jahre alt war. Wir drei Söhne haben fortan dann bei meiner Mutter gelebt, waren aber auch häufig bei meinem Vater. Aber den Alltag hat er eher selten mit uns geteilt. Wir wohnten mit meiner Mutter Ute in einem Haus mit vielen Kindern, die oft etwas zusammen unternommen haben. Meine Eltern haben uns ziemlich machen lassen. Sie wussten meistens nicht, wo wir uns im Einzelnen so herumgetrieben haben.

Sind Sie antiautoritär erzogen worden?

Ich bin niemals gehauen worden, sehr selten ausgeschimpft, weder in der Familie, noch im Kinderladen oder in der Schule. Alle waren bemüht, ein „gleichberechtigtes“ Verhältnis zu uns Kindern aufzubauen, wie man damals sagte. Ich habe meine Eltern mit Vornamen angeredet. Und sie haben mich frei machen lassen. Wenn Probleme auftauchten, gab es keine Verbote oder Drohungen, sondern es wurde gesprochen, erklärt und gemeinsam nach einer Lösung gesucht. Aber der Begriff „antiautoritär“ führt oft in die Irre. Natürlich waren meine Eltern für mich Autoritäten.

Welche Grenzen gab es?

Es gab viele Grenzen. Es war klar, dass man rücksichtsvoll und empathisch miteinander umzugehen hat, dass man seinen Freunden nicht an den Haaren zieht oder schlägt, dass man Verantwortung trägt, sich vor dem Essen die Hände wäscht, sich auch an gemeinschaftlichen Aufgaben und Arbeiten beteiligt. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass ich hätte selber bestimmen dürfen, wann ich ins Bett zu gehen hatte.

Wie war Ihre Mutter?

Sie war und ist toll! Sie hat das mit uns drei Söhnen gut hingekriegt. Sie hat gearbeitet, hat sich um uns gekümmert, uns aber auch immer machen lassen. Als ich 16 Jahre alt war, bin ich zum ersten Mal mit einem Freund für einige Wochen alleine zum Zelten nach Frankreich gefahren. Das hat sie erlaubt, obwohl sie sich wahrscheinlich auch Sorgen gemacht hat. Aber sie hat sich nichts anmerken lassen. Und sie hat mich mein ganzes Leben unterstützt, in dem was ich vorhatte. Weder von meinem Vater noch von meiner Mutter habe ich jemals gehört: „Mach doch was Sicheres oder Anständiges“, also nichts Künstlerisches. Deshalb war es für mich ganz natürlich, Zeichner zu werden.

Wie finden Sie die Kindererziehung heute im Vergleich zu Ihrer eigenen?

Schwierig zu sagen, es gibt ja auch heute nicht die eine Kindererziehung. Ich denke aber, dass die Kinder heute wesentlich weniger Zeit für sich selber haben, Zeit, in der sie wirklich unbeobachtet sein können. Die Kinder sind heute, so ist zumindest mein Eindruck, sehr eingebunden in Termine, Schule, Sportvereine, das Erlernen eines Musikinstruments. Meine Frau erzählt manchmal von Nachmittagen, an denen sie mit Freundinnen durch die Wälder gezogen ist, bis es dunkel wurde. Ich bin mit Freunden durch Frankfurt gestreift, ohne dass unsere Eltern Bescheid wussten. Das gibt es in dieser Form nur noch sehr selten, glaube ich.

Was geht dabei verloren?

Ich denke, Kinder brauchen unbedingt Momente, in denen sie komplett unbeobachtet sind und sich mal nicht begutachtet und schlimmstenfalls bewertet fühlen. Momente, in denen sie machen können, was sie wollen. Selber Entscheidungen zu treffen haben, sich ausprobieren – und auch Grenzen für sich ausloten können, um an ihnen zu wachsen und selbständiger zu werden. Kinder können in der Regel oft sehr gut selber einschätzen, was sie sich zutrauen können. Wir Erwachsene sind oft zu schnell mit unseren Vorsichtsmaßnahmen, weil wir natürlich wissen, dass man sich beim Klettern auch den Arm brechen kann, wenn man vom Baum fällt.

F. K. Waechter an seinem Arbeitstisch, Foto: Inge Sauer

Wann haben Sie angefangen zu zeichnen?

Schon als Kind. Mit meinem Vater und mit meiner Mutter. Auch meine Brüder haben gezeichnet. Wenn wir auf Reisen waren, haben wir in unsere Skizzenbücher gezeichnet – wie mein Vater. Und das hat bei mir eben nie aufgehört. Ich habe es geliebt, bei meinem Vater am Schreibtisch zu stehen und zu sehen, wie er was macht. Ich fand es magisch, wie er die Dinge zeichnerisch zum Leben erwecken konnte. Außerdem hatte ich das Gefühl, mein Vater hat einfach ein grandioses Leben, – selbstbestimmt, er konnte von dem was er so gerne tat, gut leben und wurde geschätzt: Das fand ich alles toll.

Wie haben Sie später zu Ihrem eigenen Stil gefunden?

Ich habe Kommunikationsdesign studiert, habe viel gezeichnet und illustriert, habe viel angeguckt. Ich habe mich auch an meinen Kommilitonen orientiert und mich mit meinen Profs auseinandergesetzt. Jeder, der zeichnet, muss sich irgendwann die Frage stellen: Was möchte ich eigentlich? Wie entwickele ich einen eigenen Stil? Diese Fragen zu lösen, war irgendwann einfacher, ohne meinen Vater um Rat zu fragen.

Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

Das überlasse ich lieber Anderen. Aber ich wechsle gerne mal den Stil, obwohl man meine Sicht auf die Dinge wohl immer erkennt. Ich liebe es, für Kinder zu zeichnen, brauche aber auch die Abwechslung und zeichne dann gern für Erwachsene. Ich war froh, als sich etwa die Möglichkeit ergab, John Steinbecks „Die Straße der Ölsardinen“ oder Jacob Arjounis „Happy Birthday, Türke!“ für die Büchergilde Gutenberg zu illustrieren. Es macht auch Spaß für die FAZ zu zeichnen – Gesellschaftliches oder Politisches.

Was war Ihre letzte politische Zeichnung für die FAZ? 

Das ist schon einige Zeit her. Ich glaube, es ging dabei um „Exit-Programme“, also Aussteigerprogramme für Menschen, die aus der rechtsradikalen Szene ausbrechen möchten, und sich ein neues Leben aufbauen wollen.

Sie zeichnen jeden Tag in Ihr Tagebuch. Warum?

Ich zeichne nicht in ein Tagebuch, sondern seit dem 1.1.2000 auf postkartengroße Papiere, die sogenannten „Tageskarten“. Ich habe das vor vielen Jahren bei einer Kollegin gesehen und hatte viel Spaß daran, mir die täglichen Aufzeichnungen anzugucken. Dann schenkte mir meine Frau zum Jahrtausendwechsel einen Stapel leere Postkarten zu Weihnachten. Es ist eine fantastische Übung, jeden Tag zu zeichnen, ohne dass es einen Zweck erfüllen muss. Es ist auch großartig, gucken zu können, was man am 3. November 2005 gemacht hat. Man vergisst so schnell, was den Alltag ausmacht.

Worum ging es zuletzt bei der Eintracht? 

Um die Europaleague. Also um den Tag des Triumphes, die Siegesfeier und wie ich mich da gefühlt habe.

Wie denn?

Gut! Ich bin ja Eintrachtfan und es passiert so selten, dass die Eintracht einen Titel gewinnt – mal abgesehen von 2018. Es war schön zu sehen, was solch ein Ereignis mit einer Stadt macht. Die Vorfreude, die Aufregung, das Mitgenommensein, das Fertigsein vor Freude. Nachts um 2 Uhr durch die Straßen zu laufen, alle noch wach und völlig erschöpft sind, weil das Elfmeterschießen so sehr an den Nerven zerrt.

Dem Fußball gehört Philipp Waechters ganze Leidenschaft

Was begeistert Sie so am Fußball?

Ich habe immer gespielt und wollte mit 13, 14 Jahren sogar Profifußballer werden. Utopisch, wie ich im Vergleich mit anderen dann schnell merkte. Aber sich mit Freunden einen Ball zu schnappen und spielen zu können, egal wo man hinkommt – ist einfach fantastisch. Als wir einmal nach Venedig fuhren, hatten wir einen Fußball dabei, weil mein Sohn das so gerne wollte. Wir hätten es nicht gedacht, aber schließlich standen wir jeden Tag auf irgendeiner Piazza und haben gekickt. Es hat jedes Mal keine drei Minuten gedauert und wir waren zu fünft oder zu zehnt, und die Kellner kamen aus den Restaurants dazu, bevor ihre Schicht anfing. Das war einfach ganz großartig. Und ich bin bekennender Fan. Das erste Mal waren wir 1974 mit meinem Vater im Stadion, und da ist es wohl passiert mit mir.

Fußball ist ja auch immer wieder Thema in Ihren Kinderbüchern, zuletzt in „Toni – Und alles nur wegen ‚ Renato Flash‘. Worum geht es dabei?

Ein Junge wünscht sich sehnlichst die besten, tollsten und blinkenden Fußballschuhe – Renato Flash eben. Seine Mutter findet das Quatsch, und so versucht er, sein Taschengeld aufzubessern. Dabei hat er lauter Begegnungen und erlebt Situationen, die sein Leben bereichern. Die Schuhe sind dann gar nicht mehr so wichtig, aber am Ende …

Nicht spoilern.

Nein.

Sie haben Venedig erwähnt. Reisen Sie gerne?

Ja, gerne und viel: Meine Frau, Moni Port, hat noch viel größeres Fernweh als ich, beim Unterwegssein kommen ihr die Ideen. In den letzten Jahren sind wir viel mit unserem Sohn gereist. In Europa, meistens zum Zelten in Frankreich, aber wir waren auch in den USA und in Südafrika.

In dem Carlsen Taschenbuch reist die 11-jährige Kid mit ihren Eltern nach New York. Auch das inspiriert den Künstler

Was ist so spannend am Reisen? 

Beim Reisen kann ich sehr gut und sehr schnell abschalten. Ich schließe die Wohnungstür ab und vergesse ab diesen Moment meinen Alltag. Dann bin ich neugierig, offen für Neues, habe Zeit und gute Laune und bin im Idealfall an wunderschönen Orten. Plötzlich riecht es anders, man hört anders und entdeckt interessante Dinge. Man ist im Hier und Jetzt.

Was inspiriert Sie noch?

Der Alltag. Dinge die um mich herum passieren, Beobachtungen, auch Erinnerungen und Erlebnisse aus meiner Kindheit. Vieles ist erlebt, Erfundenes kommt hinzu. Wenn ein aufwändiges Bilderbuch abgeschlossen ist, mache ich in der Folge meist eher kleinere Projekte. Aber irgendwann kommt dann wieder der Wunsch, komplett abzutauchen und mir zu überlegen, was ich noch erzählen könnte. Das ist ein Prozess, in dem ich mich manchmal eine Woche abschotte oder alleine wegfahre. Dann denke ich oft, was habe ich für ein privilegiertes Leben, dass ich meine Geschichten zeichnen kann und die Verlage drucken das auch noch.

Wie findet Ihre Frau es, wenn Sie so abtauchen?

Meine Frau, die ja auch zeichnet, findet das gut. Sie macht das übrigens auch immer wieder mal. Wir gönnen uns gegenseitig diese intensiven Arbeitszeiten, die gleichzeitig Auszeiten für uns sind.

Waschbär, Fuchs, Dachs und Bär erledigen alles miteinander und haben eine tolle Zeit

Ihr neustes Bilderbuch „Ein Tag mit Freunden“ ist vom Zeitgeschehen inspiriert. Wie ist es entstanden?

Das war in der Coronazeit: Die Idee kam mir 2020. Ich hatte dieses Kinderlied im Kopf „Ein Loch ist im Eimer, Karl-Otto, Karl Otto, ein Loch ist im Eimer …“. Wenn da ein Problem gelöst ist, ergibt sich ein neues und die Geschichte kommt ins Rollen. Während ich zeichnete, merkte ich, wie sehr die Geschichte in die Zeit passt und was uns allen in der Coronazeit sofehlt. Es war ja nicht möglich, spontan Freunde zu treffen und die Dinge auf sich zukommen zu lassen. Das habe ich sehr vermisst.

Warum wird es ein schöner Tag für die fünf Freunde im Buch?

Weil sie etwas erleben, ohne dass es geplant ist. Sie leben so in den Tag hinein und die Dinge ergeben sich. Waschbär geht zu Fuchs, weil ihm langweilig ist und er einen Kuchen backen will und keine Eier hat. Aber Fuchs will gerade seine Dachrinne reparieren und braucht … es kommt zu einer Kettenreaktion, die schließlich Waschbär, Fuchs, Dachs, Bär und Krähe zusammenbringt. Es passiert nichts Spektakuläres, aber sie freuen sich, zusammen sein zu können, das reicht.

Die Geschichte ist im besten Sinne einfach: Auf das Wesentliche reduziert. Wie gelingt Ihnen das?

Reduktion entsteht vermutlich durchs Immer Wieder Machen. Man merkt: Es braucht nicht soviel, um bestimmte Dinge zu verdeutlichen. Wenn ich etwa ein bestimmtes Gefühl ausdrücken möchte, dann schaffe ich das, in dem ich den Mund auf eine bestimmte Art setze und die Körperhaltung variiere, manchmal sind es Kleinigkeiten. Das habe ich ja oft geübt. Was den Text betrifft: Beim Schreiben fühle ich mich unsicherer. Das ist ein Schreiben und nochmal Schreiben und dann wieder Weglassen, Streichen. Weniger ist am Ende oft mehr.

Sie haben 1999 zusammen mit Anke Kuhl die Ateliergemeinschaft „Labor“ in Frankfurt gegründet. Wie kam es dazu?

Eines Tages bekam ich Post von Anke. Nach dem Studium wollten wir nicht alleine zuhause sitzen, sondern fortführen, was wir an den Hochschulen so genossen haben: Gleichgesinnte zu treffen und sich auszutauschen, im Blick zu behalten, was die Anderen so machen. Heute besteht das Labor aus Anke Kuhl, Zuni Fellehner, Kirsten Fabinski, Jörg Mühle, Natascha Vlahovic und mir. Auch meine Frau Moni Port war dabei, hatte aber nach 20 Jahren Labor Lust auf einen Tapetenwechsel und Veränderung.

Was bedeutet diese Gemeinschaft für Sie? 

Im Labor ist unheimlich viel entstanden. Im Laufe der Jahre haben wir erfahren, was sich für eine Kraft entwickelt, wenn man als Gruppe auftritt, zu acht zu Ausstellungen einlädt und Feste veranstaltet. Wenn man sich austauscht, von seinen Schwierigkeiten erzählt und sich gegenseitig unterstützt. Wir haben angefangen zu kochen, zusammen Mittag zu essen, dann kamen die Kinder und wir sind gemeinsam verreist. Bis heute kann ich sagen, dass wir uns gegenseitig unterstützen, dass wir uns helfen. Das ist einfach wahnsinnig viel wert.

Gemeinsam mit den Anderen sind die Kinder Künstler Kritzelbücher entstanden. Was ist das für ein Konzept und wie heißt das Neuste?

Das Neuste heißt: „Das wird bestimmt ganz toll“. Es geht um einen Blick auf die Welt in 100 Jahren. Wir wollten ein Zeichen setzen, dass die Zukunft vielleicht doch irgendwie ganz toll werden kann. Dabei haben wir uns hauptsächlich von unseren Wünschen und Träumen leiten lassen. Wir wollten zum Träumen anregen: Wie könnte die Welt denn sein?

Wie denn zum Beispiel?

Wir haben uns ganz einfache Dinge einfallen lassen, die den Alltag schöner machen würden, wie zum Beispiel das Anti Läster-Spray oder Zuckerwattenpullover, aber auch wirklich Bedeutendes wie die Rückkehr der Dinosaurier und den Beschluss, dass jeder Krieg grundsätzlich verboten ist. Auch bei diesem Buch haben wir wieder gespürt, welch tolle und abwechslungsreiche Bücher entstehen können, wenn acht Künstler und Künstlerinnen mit unterschiedlichen Stilen all Ihre Ideen zusammenpacken.

Ein Sommer ohne Meer? „Toni will ans Meer“. Das Buch erschien im Verlag Beltz & Gelberg

Welchen Traum würden Sie sich gerne noch erfüllen?

Ich würde gerne einmal eine Zeit lang am Meer leben, vielleicht ein halbes Jahr oder so. Ich hätte dann ein Fischerboot und würde zum Angeln fahren. Ich hätte nicht das Gefühl  ich muss noch dieses und jenes tun, noch ganz dringend Bilder fertig zeichnen, was erledigen. Für den Moment wäre alles getan und ich könnte einfach aufs Meer hinausfahren und angeln  – vielleicht eine Makrele.

*Das Gespräch wurde zuerst in der Zeitschrift Chrismon veröffentlicht.

 

 

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