Ein besonderes Salon-Konzert im Schlosshotel Kronberg mit Puschan Mousavi Malvani
Wirbelwind, Atemschaukel, Augen- und Gaumenschmaus
von Petra Kammann
Der Pianist und Violinist Puschan Mousavi Malvani spielte im Rahmen eines Salonkonzerts im Schlosshotel Kronberg. Voller Leidenschaft und Wissen erklärte der Ausnahme-Musiker die ausgewählten Stücke der Komponisten Schubert, Mozart und Bach, die er im stimmungsvollen Ambiente der dortigen historischen Bibliothek vorspielte und erläuterte, was er so außergewöhnlich an den jeweiligen Komponisten und ihren Kompositionen findet. Auf der Suche nach neuer Expressivität in der Musik verbindet der gebürtige Frankfurter mit deutsch-iranischen Wurzeln in seinem Klavier- und Violinspiel die Werke der europäischen Klassik mit neuen interpretatorischen Elementen.
Puschan Mousavi Malvani bei der Erläuterung der Klaviersonate von Schubert vor dem Flügel der Kaiserin Friedrich, Foto: Petra Kammann
Schon allein das Ankommen am Rande des idyllischen Taunusstädtchens Kronberg in dem herrlichen Park, welche die majestätische Schlossanlage umgibt, versetzt einen gleich in eine besondere Stimmung. Alltagssorgen scheinen wie im Nu verflogen. Und unwillkürlich taucht man auch in eine frühere Epoche ein, wenn man das Innere des Schlosshotels betritt. Das von Victoria Kaiserin Friedrich erbaute Kronberger Schloss, das 1893 fertig wurde, ist zwar heute im Besitz der Hessischen Hausstiftung und wird seit 1954 als Hotel betrieben. Aber das exquisite Mobiliar, die edlen Antiquitäten sowie die ungewöhnliche Gemäldesammlung, die größtenteils noch aus dem Besitz der Kaiserin und Mutter des letzten deutschen Kaisers stammt, zieht einen unmittelbar in den Bann, wenn man sich in der historischen Bibliothek, in die das späte Herbstlicht strömt, umblickt und wohlig niedergelassen hat. Dort steht auch der kaiserliche Flügel und der Blick nach oben fällt unwillkürlich auf die kostbaren alten Gemälde, bevor das Gesprächkonzert beginnt, das unter dem Motto steht: „Wo Licht ist, ist auch Schatten“.
Und schon rauscht auch der wendig-flinke Musiker Puschan Mousavi Malvani mit seiner romantisch üppigen Mähne herein und geht mit seinen leidenschaftlich vorgetragenen Erläuterungen gleich medias in res, bevor er sich an den Flügel setzt. Es sprudelt nur so aus ihm heraus, was er zur Person des Musikers Franz Schubert zu sagen hat, auf welche Weise der Komponist, der nur 31 Jahre alt wurde, kurz vor seinem Tod im Jahre 1828 den ein Jahr zuvor verstorbenen Ludwig van Beethoven mit seiner spezifisch eigenen Sonatenform überwindet.
Schubert habe – so Malvani – seine musikalischen Mittel, die doch alles Wesentliche kondensiert enthalten, aufs äußerste reduziert, damit das Leben mit seinen Licht- und Schattenseiten die Zuhörer ganz unmittelbar ergreift. Damit gelinge es dem Komponisten, der niemals in seinem kurzen Leben ein offizielles Konzert gegeben und stattdessen immer nur unter Freunden in Wiener Gasthäusern aufgespielt habe, der Durchbruch in die Moderne.
Das spiegele sich auch in seinen letzten Kompositionen. Es sei eine Art letzter Verbeugung vor dem Genie Beethoven (1770–1827) gewesen, aus dessen übermächtigem Schatten er sich habe befreien können, indem er seinen anderen Weg der Sonatenkomposition einschlug und dem er speziell mit der Klaviersonate a-moll entkam, indem er ganz neue, moderne Töne anschlägt, verstörend und faszinierend…
Malvani demonstriert es unmittelbar, als er sich konzentriert ans Klavier setzt und die Klaviersonate mit einem fast dahingehauchten Piano beginnt, dem ein akustisches „Bombardement“ mit einem dreifachen Forte folgt, das die Grenzen des historischen Instruments ausreizt. Durch sein virtuoses Spiel der viersätzigen Sonate wurde sowohl spür- als auch hörbar, mit welch musikalisch-radikalen Mitteln sich Schubert hier einen Zugang zu einem Weg in die „Moderne“ verschafft hat. Denn zum Abschluss der sich aufbäumenden und teilweise auch tänzerischen Sonate scheint blitzartig immer wieder die Schubertsche Todesahnung durch. The rest is silence, wie es das aushauchend sensible Pianissimo des Pianisten Malvani nahelegte.
Ihm folgt im klug ausgewählten Programm der scheinbar so heitere und unbekümmerte Mozart. Auch anhand von Mozarts 13. Klaviersonate B-Dur KV 333 erläutert Malvani ebenso lebendig, frei und auch profund Mozarts biografischen und musikalischen Hintergrund. Er legt nahe, wie es dem Komponisten des 18. Jahrhunderts gelingt, die ihm verbleibende Lebenszeit anzuhalten und die allzu gefälligen Täuschungen etwa durch in die Irre führende Triller zu entlarven. Und er deckt die Schichten des spielerisch hochbegabten Musikers und Komponisten auf, der zwar durchaus auch das Gefällige liebe, und vielfältigste Variationen nur so hervorbringe, aber dann auch trotzdem in die Tiefe gehe. Etliches – wie das Bewusstsein der ihm verbleibenden Lebenszeit – habe sich Malvano u.a. aus Mozarts Briefen erschlossen.
Malvani geht nach vollendetem Konzert von Tisch zu Tisch, um unmittelbare Reaktionen zu erfahren, Foto: Petra Kammann
So beginnt das „Wunderkind“ Mozart (1756-91) im zarten Alter von 31, in dem für Schubert (1797-1828) schon das Leben zu Ende war, Bachs „Wohltemperiertes Klavier“ für sich zu entdecken. Und er erkennt sofort dessen Qualität und innere Stabilität. Und er versucht, fortan „Fugen“ zu schreiben. Mit einer gewissen Todesahnung geht er die unvollendete Epoche der Klassik an, versucht dabei die brüchigen Klippen zu umschiffen. . Malvani führt auf dem Klavier vor, wie sich anhört, bisweilen variations- und temporeich, so wie Mozart mit seinen chromatischen Läufen und unvollendeten Tremoli geht. Berührt und nachdenklich hält das Publikum zunächst einmal kurz inne, bevor sich der Applaus Bahn bricht.
Beim Hauptwerk der Matinee, der Sonate für Violine a-Moll des „Übervaters“ Johann Sebastian Bach (1685–1750), überzeugt P. M. Malvani dann, als Geigensolist. Er beherrscht die Saiten dieses Instruments mit den für die Violine angelegten Doppelgriffen und den mehrfachen Akkorden ebenso souverän wie die Tastatur des Flügels. Dabei kommt sowohl die Größe als auch die Stringenz zum Ausdruck.
Er führt damit den intelligenten und unemotional-beobachtendenen Umgang Bachs mit seinem Leidensweg vor. Bach, der mehrfache Vater, war gerade Witwer geworden, als er die Sonate komponierte. Dabei packt er beherzt sein aktuelles Leiden an, indem er die Dualität der Moll- und Durtonarten auf subtile Weise verschränkt. Unendliche Verschachtelungen, die er auch in seinem Wohltemperierten Klavier perfekt beherrscht und in einer Art Metamorphose überwindet. Dabei entwickele er nach Malvani eine Art „Weitwurf“. „Er will nicht wirken“. Er habe es nicht nötig. Seine Antwort auf den Schmerz sei die Fuge, die ihm voller Zuversicht sagt: „Ich bin“ mit einem Wechsel zum leuchtenden A-Dur und damit einem „glatten Abgang“, der den Widerstand brechen vermag.
Malvani ist trotz der Anstrengung seines solistischen Auftritts auch nach dem Konzert noch persönlich ansprechbar. Ein in jeglicher Hinsicht bemerkenswertes Konzerterlebnis, das man nur vielen Menschen wünschen kann. Es wird zudem auch noch dadurch getoppt, dass die Matinee-Veranstaltung bei einem gemeinsamen Aperitif und einem wohlkomponierten, freundlich serviertes Drei-Gänge-Menü in dieser besonderen Atmosphäre im Salon nebenan ausklingt und man ganz in Ruhe das Gehörte auf sich nachwirken lassen kann, während Malvani dort von Tisch zu Tisch geht, um mit dem Publikum noch einmal ins Gespräch zu kommen.
Ein Konzert in einem solchen Umfeld, wie man es in den großen Konzerthäusern in dieser unmittelbaren Form sicher nicht erleben kann. Manchmal ist weniger eben mehr, auch wenn es seinen Preis hat. Der ist es aber alles in allem wert.
Weitere Informationen unter:
https://schlosshotel-kronberg.com/salonkonzerte/