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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Gertrud Rosemann, Gründerin des Puppenmuseums in Hanau

Hundert Jahre und immer noch aktiv

von Renate Feyerbacher

Vor zehn Jahren hat Gertrud Rosemann auf Wunsch ihrer vier Söhne  unter dem Titel „Erzähltes Leben“  neunzig Jahre ihres Lebens aufgeschrieben. 160 Seiten sind es geworden – erzählte Geschichte.

 Am 27.10.22 in der Wohnung von Gertrud Rosemann, Foto: Renate Feyerbacher

Geboren in Kettwig /Ruhr, besuchte sie die Schulen in Wuppertal, machte ihr Pädagogisches Staatsexamen in Koblenz und wurde dann zum Schuldienst nach Sensburg – heute polnisches Mragowo  / Emsland-Masuren verpflichtet. „Die Schule als wichtiger, ja weitgehend bestimmender Teil des Dorflebens war für mich eine neue Erfahrung.“

Viele Aufgaben, Verteilung von Lebensmittelkarten, Hilfe bei Anträgen, aber auch Totenwachen gehörten dazu sowie Tätigkeiten auf dem Feld, im Wald und am See.

Am 24. Januar 1945 war der letzte Schultag, dem Monate lang Kriegslärm vorausgegangen war. Desertierte zogen durchs Dorf, dann Russische Truppen. Sie erfuhr später, dass ihre Bücher aus dem Fenster geworfen und verbrannt worden waren.

Im Kapitel „Zwischen Krieg und Frieden“ 1945–1948 erzählt sie von der russischen Gefangenschaft. Sie hat überlebt. Schon einmal kämpfte sie ums Überleben, denn sie war ein Frühchen und wog sage und schreibe bei der Geburt nur 1500 Gramm.

Dank hilfsbereiter Menschen gelangt sie nach der dreijährigen russischen Gefangenschaft nach Hause. „In den nächsten Wochen saß ich stumm auf dem Sofa, hatte Wasser in den Beinen und am ganzen Körper ging die Haut in großen Lappen ab.“ (S.71)

Einen Monat später spielt sie mit dem Vater wieder Schach.

Und zwei Jahre später, da war Gertrud Rosemann 28 Jahre alt, übernahm sie eine erste Klasse mit 55 Kindern.  Zehn Jahre blieb sie im Wuppertaler Schuldienst.

1962, nun mit dem Mediziner Gerd Rosemann verheiratet, zieht Familie Rosemann nach Frankfurt. Immer dabei die Puppen- und Spielzeugsammlung. Sie ist Gertrud Rosemanns Ein und Alles. Unermüdlich stellt sie aus. Im Dreieich Museum  erhält sie sogar einen ständigen Raum.

Im Kapitel „Hessisches Puppenmuseum“ schreibt sie:  „Herbst 1983: die HR-Redakteurin, die seit den 70er Jahren die Sammlung begleitet {..]“ Das muss ich gewesen sein. Als ich Gertrud Rosemann zum ersten Mal in ihrer Frankfurter  Wohnung besuchte, das sind um die 50 Jahre her, wurde ich beim Toilettengang von zig Puppen beäugt. Faszinierend.

Im Vorbereitungsgespräch für die Hessenschau oder für das Hessen-Journal,  ging es natürlich um die Gründung eines hessischen Puppenmuseums. Ich blieb journalistisch dran bis zur Einweihung 1983 in Hanau-Wilhelmsbad, deren ehrenamtliche Leitung Gertrud Rosemann bis 1997 inne hatte. Mit der Kamera habe ich Gertrud Rosemann auch zu ihrer Arbeit in die Universitätsklinik und Kinderdialyse, wo sie elf Jahre Schulunterricht gab, begleitet.

Die kleine Wohnung in Frankfurt konnte schließlich aufgegeben werden und eine schöne  Wohnung über dem Puppenmuseum bezogen werden. Viele Stufen führen hinauf. Die kann sie nun wieder – wenn auch beschwerlich – rauf und runter gehen. Ursache war ein schwerer Haushalts-Unfall 2020 mit mehrfachen Brüchen im Oberschenkelbereich.Erstaunlich schnell kam sie wieder auf die Beine.

Nun konnte Gertrud Rosemann am 30. Oktober ihren hundertsten Geburtstag feiern. Sie hat selbst alles vorbereitet. Die Energie dieser Frau ist ungebrochen und sie will auch alles selbst im Griff haben. Ihr Organisationstalent ist einmalig, ihre Ausdauer, ihre Zähigkeit, ihre Willenskraft bewundernswert.

Yuya – die Bittende – Geschenk aus Japan zum Geburtstag, Foto: Renate Feyerbacher

„Völkerfreundschaft  durch Spielzeug“– unter diesem Motto gab es zur 100-Jahr-Feier der japanischen Universitätsstadt Tottori eine Ausstellung bei der das Hessische Puppenmuseum Vitrinen mit historischem Spielzeug aus Europa bestücken durfte. 608 000 Besucher kamen damals in kurzer Zeit. Das war 1988 und der Beginn einer Freundschaft mit Japan, zu einer Städtepartnerschaft Tottori – Hanau.

Aufbau und Pflege der Beziehungen zur Stadt und Provinz Tottori/Japan gipfeln in der Verschwisterung des Hessischen Puppenmuseums mit dem Internationalen Spielzeugmuseum „Warabekan“. Weitere Attraktionen sind Sonderausstellungen, in denen auch Randbereiche thematisiert werden, das Spektrum reicht von der Märchenfigur bis zum Dummie.

Ehrenbürger-Urkunde der Stadt Tottori, Foto: Renate Feyerbacher

Achtzehn mal war Gertrud Rosemann in Japan – zuletzt 2015. Da hat sie bei der WHO-Tagung in Kobe einen Vortrag übers Altern gehalten.

Zu jeder japanischen Ausstellung im Hessischen Puppenmuseum, aber auch zu anderen Sonderausstellungen gab es Schriften.

Es sprengt den Rahmen des Beitrags, die vielen Auszeichnungen und Ehrungen aufzuzählen. Neben all den deutschen Ehrungen, Auszeichnungen, gab es auch eine des japanischen Kaisers.

Blick ins Puppenmuseum, Foto: Renate Feyerbacher

Das hessische Puppenmuseum hat sich zu einem Geschichtsmuseum des Alltags entwickelt. Der Bestand reicht von antiken Terrakotta-Figuren bis zum Playmobil-Männchen und der gestylten Barbie, einen besonderen Schwerpunkt bilden Puppen aus Japan. Auch Jungen kommen voll auf ihre Kosten: Ritterburgen, Eisenbahn, Carrera Bahn und und und.. Schulklassen werden pädagogisch geführt. Im Museums-Cáfe kann bei Kuchen und Getränken entspannt werden.

Öffnungszeiten:

Di, Mi, Do 13 bis 17 Uhr

Fr, Sa, So 10 bis 17 Uhr

hpusm.de

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