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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

“Teuflische Jahre – PARDON“ – große Jubiläumsausstellung im Caricatura Museum Frankfurt

Satire-Zeitschrift mit bissigen Polemiken und leichtfüßigen Parodien

Von Hans-Bernd Heier

Längst ist PARDON, die vor 60 Jahren gegründete „deutsche satirische Monatsschrift“, Legende. Die Ausstellung “Teuflische Jahre – Pardon“ im Caricatura Museum Frankfurt macht höchst unterhaltsam und amüsant nachvollziehbar, warum das Satire-Magazin so erfolgreich war und innerhalb kürzester Zeit mit über 300.000 verkauften Exemplaren zur größten Satirezeitschrift Europas aufstieg. Das Magazin spiegelt prägnant und provokant, dabei respektlos und oft urkomisch, die bewegte Geschichte der Bundesrepublik in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Caricatura-Plakat zur Ausstellung der Satirezeitschrift PARDON, die vor 60 Jahren gegründet wurde; Foto: © CARICATURA/Till Kaposty-Bliss; © B&N

Gegründet wurde die Zeitschrift 1962 in Frankfurt von Hans A. Nikel zusammen mit den Satirikern und Cartoonisten Hans Traxler, Chlodwig Poth und Kurt Halbritter. Schnell entwickelte sie sich zum Zeitgeist-Magazin des Aufbegehrens der Jugend gegen den Muff der Adenauerzeit und seiner Autoritäten. PARDONs Markenzeichen war von Anfang an ein von dem Karikaturisten F.K. Waechter entworfener Teufel, der scheinbar freundlich seine Melone zum Gruß hebt, um dabei jedoch diebisch lachend seine Hörner zu offenbaren. Das Motiv des PARDON-Titels vom Dezember 1969 wurde auch als Plakat tausendfach verbreitet und erfreute sich besonders in Wohngemeinschaften großer Beliebtheit.

Foto: CARICATURA/© B&N

„PARDON war optisch stilprägend, strahlte aus auf die Gebrauchsgrafik und Werbung. Das Konzept, Humor, Komik und Satire mit engagierten Texten und Reportagen zu mischen, kam an“, schreibt Kurator Gerhard Kromschröder, zuletzt stellvertretender Chefredakteur, in dem Vorwort des Begleitbandes. Mit polemischen und für damalige Verhältnisse freizügigen Beiträgen eckte das monatlich erscheinende Magazin immer wieder an, wurde mit Prozessen überzogen, legte sich mit den meist klerikalen Sittenwächtern an, agitierte gegen die weitverbreitete Prüderie und bürgerliche Doppelmoral der frühen Bundesrepublik. Dies führte von Anfang an zu Verbotsanträgen, Zensurversuchen und Verkaufsbeschränkungen.

Viele Verleger wie auch Autoren hatten Bedenken, ob neben dem altgedienten, etablierten “Simplicissimus“ eine neue satirische Zeitschrift erfolgreich bestehen könnte. „Keiner der großen Verleger, sondern ein kleiner und junger Verlag (Bärmeier und Nikel, Frankfurt) hat sich zum Risiko entschlossen und zur Tat aufgerafft“, schrieb Erich Kästner im Geleitwort des Premierenheftes. Den Titel der allerersten PARDON-Ausgabe vom September 1962 zierte ein Blumengebinde, das der für Loriot charakteristische Knollennasen-Mann hochhält, und mittendrin eine Bombe mit brennender Zündschnur – treffender kann man das redaktionelle Konzept des Satire-Neulings kaum verdeutlichen.

Der erste von Loriot gezeichnete Titel; Foto: CARICATURA/© B&N

Gleich das erste Heft im September 1962 provozierte heftigen Widerstand: Der Cartoon „Eine Straßenbahn namens Sehnsucht“ rief den Volkswartbund, eine in Köln ansässige Organisation katholischer Sittenwächter, auf den Plan. Diese erstattete Strafanzeige. Mit der Begründung „offensichtlich schwer jugendgefährdend“ ließ die Staatsanwaltschaft im Raum Köln Hefte des skandalösen Magazins beschlagnahmen. Die Verlagsleitung freute sich nicht nur über die unbestellte Publizitäts-Kampagne der Justiz, die das Magazin schlagartig bundesweit bekannt machte, sondern ließ von der beanstandeten Ausgabe 25.000 Exemplare nachdrucken, die alle verkauft wurden.

PARDON bezog von Anbeginn Stellung und ergriff Partei. Das Konzept, Humor, Komik und Satire mit engagierten Texten und Reportagen zusammenzubringen, kam an. Karikaturen standen neben bissigen Polemiken, Fotomontagen neben Buchbesprechungen, ernsthafte Reportagen neben albernen Parodien. „Alles bunt gemischt, jedoch geeint in der kritischen Betrachtung der bestehenden politischen Verhältnisse. Bald war das Magazin erste Adresse für junge Karikaturisten, entwickelte sich zum Karrieresprungbrett für journalistische Berufsanfänger wie Günter Wallraff, Alice Schwarzer oder Wilhelm Genazino“, so Achim Frenz, Leiter des Caricatura Museums Frankfurt.

Eine der spektakulären Aktionen: Denkmaleinweihung für Heinrich Lübke vor der Frankfurter Paulskirche im März 1968; Foto: Sammlung Kromschröder

Die gesellschaftspolitisch engagierten Redakteure wollten gegen Prüderie, Aufrüstung und Verdrängung ankämpfen und dazu beitragen, aus der spießigen, stockkonservativen Bundesrepublik eine lebenswertere, demokratischere Gesellschaft zu machen, „mehr Sauerstoff ins Hirn“ bringen, so Kromschröder. Dazu bediente sich das Blatt ganz gezielt freizügiger Titel mit barbusigen hübschen jungen Damen nach dem Motto „Sex sells“ und fragte 1973 mit dem Cover einer drallen Nackten ganz unverhohlen: „Natürlich soll ich die Auflage heben helfen. Was dachten Sie?“

Die PARDON-Redaktion hatte ihre „Lieblingsthemen“, an denen sie sich regelmäßig abarbeitete. Neben Kirche und Nationalsozialismus, Bundeswehr und Atomenergie, Studentenrevolte sowie Lust und Laster standen führende in- und ausländische Politiker sowie Prominente aus Wirtschaft und Gesellschaft im kritischen Satire-Fokus. Lieblingsfeinde Nummer eins waren Franz Joseph Strauß und Axel Springer mit der Bild-Zeitung. Das Thema des Titels von 1973, auf dem der Bundeskanzler Willy Brandt mit Pudelmütze, dicken Ohrenschützern und roter Nase zu Zeiten der Ölkrise abgebildet ist, besitzt eine verblüffende tagesspolitische Aktualität: „Nicht zittern und zagen: Deutsche haltet durch! Wie wir die die Energiekrise meistern können“.

Die Januar-Ausgabe 1969 von PARDON wirbt mit nackten Redakteuren, vorn mit Brille der 2018 verstorbene Verleger Hans A. Nikel Foto: CARICATURA/© B&N

Auch mit spektakulären, provokanten Aktionen machten die Redakteure immer wieder auf das Blatt aufmerksam, das sich als „kritische Instanz der Republik“ verstand. So enthüllten sie beispielsweise eine Statue des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke vor der Frankfurter Paulskirche, sie verteilten angeblichen Atommüll unter Passanten, deponierten eine Büste von Günter Grass in der Walhalla, dem deutschen Heroen-Tempel an der Donau, oder veranstalteten Lichtbildervorträge „zur Früherkennung von Bankräubern“, bei denen sie die NPD ins Visier nahm.

Die großartige Retrospektive “Teuflische Jahre“ dokumentiert auf den vier Ebenen des laut Frenz „schönsten Museums der Welt“ in Originalzeichnungen, Fotos und Gerichtsakten den aufregenden Werdegang des Magazins, das in den letzten Jahren an Schwung verlor und sich verzettelte. Der Versuch des PARDON-Verlegers Hans A. Nikel, in den späten 70er Jahren die Zeitschrift für New-Age-Themen zu öffnen, beschleunigte den personellen Aderlass. Wichtige Mitarbeiter setzten sich ab, ein Teil firmierte fortan als “Neue Frankfurter Schule“ (NFS). Die Gruppe, zu der auch die Texter von Otto Waalkes, Robert Gernhardt, Peter Knorr und Bernd Eilert gehörten, gründete schließlich 1979 das Konkurrenzblatt “Titanic“.

Titelbild der hundertsten PARDON-Ausgabe vom Dezember 1970; Foto: CARICATURA/© B&N

Unter ihrem letzten Chefredakteur Henning Venske wurde PARDON 1982 eingestellt. In seiner 20jährigen Geschichte hatte sich das Magazin als stilprägend für Medienschaffende erwiesen, dessen Einfluss bis heute nachwirkt. Caricatura-Direktor Achim Frenz: „Mit der Ausstellung schließt sich eine Lücke, und PARDON, dieses kreative Sammelbecken, aus dem auch die ‘Neue Frankfurter Schule‘ hervorgegangen ist, erhält endlich den Platz, den es historisch verdient“.

 

Kurator Gerhard Kromschröder und Achim Frenz bei der Ausstellungseröffnung; Foto: Renate Feyerbacher

Die sehenswerte Schau anlässlich des 60. Jahrestags der „Pardon“-Erstausgabe haben Till Kaposty-Bliss und Gerhard Kromschröder kuratiert. Sie haben auch zu einem maßgeblichen Teil Exponate aus ihren privaten Sammlungen beigesteuert. Der Grafiker und Magazinverleger Kaposty-Bliss ist seit 2020 Verwalter des Nachlasses des „Pardon“-Verlegers Hans A. Nikel.

In dem großformatigen Begleitbuch „Teuflische Jahre. PARDON. Die deutsche satirische Monatsschrift 1962 – 1982“, herausgegeben von den beiden Kuratoren sind alle Titelblätter aus 20 Jahren zu sehen, ergänzt durch Cartoons und Fotostrips sowie ausgewählte Heftbeiträge. Einige Autorinnen und Autoren blicken auf ihre PARDON-Zeit zurück. So porträtiert Elsemarie Maletzke das Frankfurter Nordend, in dem das Satire-Magazin ursprünglich beheimatet war, Peter Knorr beschreibt, warum er zu PARDON ging, und Otto Waalkes erzählt, welchen Einfluss die Frankfurter Zeitschrift auf ihn hatte. Alice Schwarzer und Günter Wallraff berichten, wie es in der Redaktion zuging. Der Sammelband, erschienen in der Favoritenpresse, Berlin, kostet, 25 Euro.

Für den Genuss der höchst unterhaltsamen Schau, die vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain unterstützt wird, sollten sich Besucherinnen und Besucher Zeit nehmen, denn es gibt viel zu sehen, einiges zu lesen und ganz viel zum Schmunzeln und Lachen.

“Teuflische Jahre – Pardon“ ist noch bis zum 19. März 2023 im Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst zu sehen.

Weitere Informationen unter: www.caricatura-museum.de

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