„Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart an der Oper Frankfurt
Ein Psychodrama – nichts Märchenhaftes
von Renate Feyerbacher
Fotos: Barbara Aumüller /Oper Frankfurt
Die aktuelle Spielzeit in der Oper Frankfurt wurde am 2. Oktober mit Die Zauberflöte eröffnet. Der Amerikaner Ted Huffman, der 2017 mit einer großartigen Aufführung von Händels Oper „Rinaldo“ begeisterte, sie , musste am Premierenabend etliche Buhrufe verkraften. Nach 24 Jahren gibt es nun diese neue Inszenierung. Die Zauberflöte, die 1998 Regisseur Alfred Kirchner zu verantworten hatte, wurde fünfzehn Mal wieder aufgenommen.
Am 30. September 1791 wurde Die Zauberflöte in Wien uraufgeführt, zwei Jahre nach der Französischen Revolution. Ein Jahr nach der Uraufführung wurde der französische König abgesetzt und in Frankreich wurde die Republik ausgerufen. Wenige Tage zuvor war in Prag Mozarts Oper La clemenza di Tito uraufgeführt worden.
Wolfgang Amadeus Mozart starb am 5. Dezember 1791 – kurze Zeit nach der Uraufführung. Seine letzte Komposition, das „Requiem“, hat er nicht mehr vollenden können.
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) und sein Librettist Emanuel Schikaneder (1751-1812) waren Freimaurer geworden, deren Grundideale Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität sind. Die Suche nach Selbsterkenntnis, die zu einem menschlichen Verhalten führt, bestimmt das Leben von Freimaurern.
Es sind die Lebensprüfungen, die Mozarts letzte Oper bestimmen. In Huffmans Regie reihen sie sich schlicht aneinander. Es geht um die Suche nach Glück, das alle wollen, um Entscheidungen, die getroffen werden müssen, die andere aber erzwingen. Bei ihm steht Prinz Tamino im Mittelpunkt. Doch ist Tamino weder ein strahlender noch ein mutiger Held.
Er wird von Angst beherrscht, kauert auf der Erde, fällt in Ohnmacht, nachdem ihn die Schlange verfolgt hat. Die drei Damen, geschickt von der Königin der Nacht, himmeln den Ohnmächtigen an und päppeln ihn wieder auf. Das Bild von Pamina, das sie ihm im Namen der Königin überreichen, versetzt ihn in Verzückung: Vom Moment der Arie „Das Bildnis ist bezaubernd schön“ an wird er von der Königin der Nacht manipuliert.
Im Gespräch mit dem Dramaturgen Maximilian Enderle, das im Programmheft abgedruckt ist, spricht Ted Huffman davon, dass er Taminos Wagemut für aufgesetzt hält. „Er ist wie eine Hohlform und übernimmt rasch fremde Denk- und Verhaltensmuster.“ Ganz anders Papageno, der auf Sarastros Regeln pfeift und so lebt, wie er es für richtig hält. Sarastro will nur denjenigen belohnen, der sich bescheiden, demütig und schweigsam verhält. Huffman hält Pamina, deren „Reife sich auch darin zeigt, dass sie einen weitaus autonomeren Entwicklungsprozess durchläuft als Tamino“, für den gradlinigsten Charakter in dieser Geschichte. Sie bietet sowohl dem sexuell übergriffigen Monostatos und ihrer erpresserischen Mutter die Stirn. So sieht Huffmans Personenführung aus.
Das Bühnenbild mit mehreren Räumen und Türen, oft sich drehend, ist zwar eine interessante Idee von Andrew Lieberman, erschwert allerdings das Verständnis für die durchaus überzeugende realistische Interpretation. Es ist einmal die Liebe, nach der sowohl Tamino, Papageno, der sexuell übergriffige Monostatos wie auch Pamina suchen. Nachdem Prinzessin Pamina von Papageno erfahren hat, dass der sie liebende Prinz Tamino zu ihrer Befreiung unterwegs sei, singt sie in einem Duett mit Papageno:„Bei Männern, welche Liebe fühlen, fehlt auch ein gutes Herze nicht.“
Als Zauberposse wurde die Oper öfters missverstanden. Dabei beherrscht Todessymbolik die ganze Oper lang: Todesangst, Suizidabsichten haben Tamino und Pamina, die glaubt, dass Tamino sie nicht mehr liebt, weil er schweigt, als sie sich begegnen. Dabei muss er in der von Sarastro auferlegten Prüfung schweigen, da er sie sonst verliert. Und der ständig plappernde Papageno fürchtet, dass er nie eine Papagena finden wird. Bevor er sich den Strick um den Hals legt, hält ihn ein huzzeliges Weib davon ab und macht ihm Hoffnung.
Es ist die Frau, welche, wie so oft in Mozarts Opern, die gesellschaftliche Normen durchbricht. Tamino soll Pamina retten, aber sie ist es, die ihn rettet. Pamina fasst Tamino bei der Hand und führt ihn aus dem Szenarium des Schreckens heraus.
Wie werden Tamino und Pamina leben, wenn sie alt geworden sind? Die Frage beantwortet der Regisseur, indem er ein altes Ehepaar während der Zwischenmusik auf die Bühne kommen lässt. Trotz allem Verständnis für die Idee, irritiert dieser Auftritt des dementen Mannes, der liebevoll von seiner Frau betreut wird.
Aber was für eine Musik Mozart da geschaffen hat. Die Ouvertüre wird diesmal durch kein Video, durch kein Vorspiel auf der Bühne gestört und ist in ihrer vollen Schönheit zu hören. Dirigent Steven Sloane, einst Kapellmeister an der Oper Frankfurt, leitet einfühlsam das Frankfurter Opern- und Museumsorchester. Er sprang für die erkrankte Dirigentin Julia Jones ein, die Die Zauberflöte bei über 140 Vorstellungen dirigierte.
Fein gespielt von Elizaveta Ivanova war das Flötenspiel, mit dem Tamino sich in Notsituationen hilft, und ebenso das Glockenspiel des Papageno, ausgeführt von Takeshi Moriuchi. Begeisterung auch für den soeben ausgezeichneten Chor, den Tilman Michael einstudiert hatte.
v.l.n.r.: Danylo Matviienko (Papageno; in gelbem Anzug), Michael McCown (Erster geharnischter Mann; in schwarzem Anzug) und Theo Lebow (Monostatos; in rotem Anzug) sowie im Hintergrund Chor der Oper Frankfurt
Kurze Textpassagen, gesprochen von der Schauspielerin Heidi Ecks, ersetzen die Dialoge und auch Bariton Erik van Heyningen, Neuzugang aus dem Wiener Opernstudio, spricht. Als Tamino wurde Michael Porter begeistert gefeiert. Herrlich sein Mozart-Timbre. Die verzweifelte Suche nach seinem Selbst spielte er eindrücklich.
Hyoyoung Kim, neue Opernstudio-Stipendiatin, gestaltet die schwierige Rolle der Pamina mit ihrem feinem Sopran und schauspielerischem Können. Erfrischend Danylo Matviienkos Papageno. Der Bariton, der nun vom Opernstudio ins Ensemble wechselte, sang in Kiew und Donezk, wo er an der dortigen Universität auch sein Mathematikstudium abschloss. Andreas Bauer Kanabas erreicht als Sarastro eine gute Tiefe, wirkt aber wie ein überheblicher Manager. Die Königin der Nacht sang in der Premiere Anna Nekhames, die mit dieser Rolle in Wien bereits Aufmerksamkeit erregt hatte. Ihre Koloraturen waren teils gut und teils schwach. Nicht disponiert? Auch von Rachewut war wenig zu hören.
Großartig die kapriziösen Damen: Monika Buczkowska, Kelsey Lauritano, Cláudia Ribas und Theo Lebow als Monostatos. Viel Beifall spendete das Publikum den drei Knaben, die von Luise Rahe, Zoe Nettey-Marbell und Emma Ruhe aus dem Kinderchor der Oper Frankfurt flott gesungen und pfiffig gespielt wurden. Last not least Karolina Bengtsson als erfrischende Papagena. Sie wird bei einer anderen Vorstellung die Pamina singen und Hyoyoung Kim die Papagena. Alle Rollen sind in weiteren Aufführungen mit vorzüglichen Interpreten besetzt. Zum Beispiel wird Kihwan Sim den Sarastro interpretieren.
Die Zauberflöte, in neuer, realitätsnaher Regie, hat mir durchaus zugesagt. Irritierend empfand ich allerdings den Schluss, bei dem Tamino und Pamina getrennte Wege gehen. Die Inszenierung sei ihr zu cool gewesen, kritisierte eine junge Besucherin. Kinder waren in der Premiere zu sehen. Wie sie wohl den Abend empfunden haben?
Weitere Aufführungen am 15., 21., 30. Oktober, am 5.,10.,13.,19. November und im März und April 2023
Angebote: am 15.10. Workshop für Erwachsene, am 16.10. Familienworkshop
Telefonischer Vorverkauf : 069-212 49 49 4