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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Philipp und Georg Schupelius im Gästehaus der Frankfurter Goethe-Universität

Konzertmatinee mit zwei Nachwuchscellisten

von Petra Kammann

Eigentlich hätte es am 18. September eine Matinee im Park werden sollen. Dann kam alles anders. Das Sommerwetter hatte sich verzogen. Und die geladenen Gäste versammelten sich im Inneren des Gästehauses der Universität im Hartwig-Kelm-Saal, was der Akustik sicher eher zuträglich war. In seiner Intensität bleibt das Cello-Konzert des knapp 20-jährigen Philipp Schupelius mit seinem 11-jährigen Bruder Georg Schupelius absolut erinnerlich. Hyperbegabt und einnehmend sind sie beide und – durchaus keine Selbstverständlichkeit – sie können auch aufeinander eingehen, menschlich und musikalisch. Mit ihrem Können, ihrer Frische, ihrer Spiel- und Lebensfreude riefen sie nach der zurückliegenden, etwas tonlosen Zeit schlagartig alle Lebensgeister wieder auf den Plan.

Die Brüder Schupelius, beide Cellisten: Philipp Schupelius und Georg Schupelius, Foto: Petra Kammann

Schon in der kenntnisreichen Einführung durch Viviane Goergen, Pianistin und Organisatorin der Konzertreihe im Gästehaus der Universität, war das Interesse am Konzert groß, hat doch der Cellist Philipp Schupelius in seinem kurzen Leben schon etliche Preise nationaler und internationaler Wettbewerbe gewonnen, darunter 2020 den „Discovery Award“ der International Classical Music Awards (ICMA) sowie den „First Great Award“ beim Manhattan International Music Competition, was ihm Anfang des Jahres 2022 sogar einen Auftritt in der Carnegie Hall ermöglichte. Auch ließ er sich in seinem Engagement in der Zeit der Pandemie nicht beirren. Im Juli 2021 spielte er sowohl als Solist wie auch im Trio mit dem Geiger und Musik-Moderator Daniel Hope und der Pianistin Julia Okruashvili beim Schleswig Holstein Musikfestival, auch beim Rheingau Musik Festival, um nur ein paar der wenigen Perlen seiner jetzt schon vielfältigen Konzerttätigkeit herauszugreifen.

Viviane Goergen und Philipp Schupelius beim anschließenden Get Together, Foto: Petra Kammann

Dass er schon weiß, wie es sich anfühlt, wenn man in bedeutenden Konzerthäusern wie in der Berliner Philharmonie, der Zürcher Tonhalle oder der Carnegie Hall spielt, hat zweifelsfrei auch zu seinem freundlich-überzeugendem Selbstbewusstsein beigetragen, so dass er spielend seinen eigenen Auftritt während des Konzerts mit einer unterhaltsamen Moderation übernehmen kann. So hat er wegen des plötzlichen Wetterwechsels geschwind auch das Programm der aktuellen Lage angepasst und leicht verändert.

Während sich die beiden Cellisten gemeinsam mit dem „Largo“ von Vivaldi warmgespielt haben, gönnt Philipp zunächst einmal seinem Bruder Georg den ersten Solo-Auftritt mit dem berühmten Präludium aus der ersten Bach-Suite, die, wie der der Bruder sagt, immerhin zur „Königsklasse der Cello-Musik“ zähle. Während Philipp selbst dann zwei Sätze aus der etwas komplexeren und verspielteren zweiten Bach-Suite spielt, bevor er zu einem ganz außergewöhnlichen Solo ausholt, zur großartigen Cello-Komposition „Landscapes“ des britischen Komponisten Julian Anderson (*1967).

Faszinierend, mit welcher Reife Philipp Schupelius die ganze Skala des Möglichen auf dem Cello so elegisch wie temperamentvoll ausspielt, bisweilen die einzelnen Saiten fast bis zur absoluten Stille ausreizt, die sich auch auf das Publikum überträgt. Der Interpret entpuppt sich in seinem Spiel dabei als jemand, der mit Klängen aller Art zu experimentieren weiß. Für einen jungen Cellisten wie Philipp Schupelius es ist, klingt sein Spiel erstaunlich nach innen gewandt und so, als ob er förmlich in den Klang des Cellos hineinhörte und auf ungewöhnliche Ausdrucksmittel und auf neue Farben sinnen würde, die das Instrument auszudrücken vermag. Dann aber verharrt er wiederum nicht etwa in der elegischen Stimmung und ist durchaus imstande, seine frische Offenheit und Zugewandtheit zu kommunizieren und innere Bilder zu vermitteln. So konnte man sich während seines Spiels förmlich nordisch-britische Landschaften mit dem facettenreichen vorbeiziehenden Himmeln vor Augen führen, sogenannte „Skypieces“ eines skandinavischen Künstlers, die sowohl den Komponisten Anderson als auch den Cellisten inspiriert haben mögen.

Georg Schupelius spielt mühelos auf dem Cello seines Bruders weiter, Foto: Petra Kammann

Mühelos kündigt Philipp auch das Folgestück an, das mit einem unmittelbaren Ortswechsel und damit auch einem atmosphärischer Wechsel verbunden ist. Vom hohen Norden geht es mit Rossinis „Paganini Moses-Variationen“ wiederum Duo in den tiefen Süden ans Rote Meer und damit tauchen wir ein in die biblische Geschichte. Die bestens eingespielten Cellisten Philipp und Georg Schupelius schaffen wechselweise geradezu spielerisch die Bravour-Variationen über ein Thema aus der Oper „Moses“ von Gioacchino Rossini. Der Clou der Moses-Variationen ist, dass sich alles um eine einzige Saite dreht. Dabei geht es um einerseits um Virtuosität, die hier in hohem Maß gefordert ist; andrerseits um die Klangmöglichkeiten dieser Saite, die uns geradezu in einen „Wirbel der Lebensfreude“ versetzen kann, so dass Georg während des Spiels übermütig mit seinem Bogen in die Saiten seines Bruders eingreift und dort nahtlos das Thema weiterspinnt.

Abermals anmoderiert, folgte eine Art Hommage von Philipp Schupelius an den großen Cellisten Pablo Casals mit dessen „Gesang der Vögel“ („El Cant dels Ocells“), der darin ein traditionell katalanisches Weihnachtslied variiert und alle Vogelstimmen heraufbeschwört und damit die Freude, mit welcher all die kleinen und großen Vögel die Geburt Christi feiern. Durch Casals wurde das traditionelle katalanische Volkslied nicht nur weltbekannt, mit der Zeit wurde es auch zu einer heimlichen katalanischen Nationalhymne des Widerstands im Franco-Regime. Oder, wie Casals selbst es sagte: „Seither ist diese Melodie zum Lied der heimwehkranken spanischen Flüchtlinge geworden.“

Philipp Schupelius übernimmt vor dem jeweils neuen Stück die Moderation, Foto: Petra Kammann

Den folgenden „Kindermarsch“ von Prokofjew, in dem das Cello die Marschrhythmen übernimmt, spielte dann wieder Georg Schupelius solo, und im Anschluss abermals Philipp Schupelius solo mit der wunderschönen Solosonate für Cello des belgischen Komponist, Violinisten und Dirigenten Eugène Ysaÿe /(1858-1931), die angesichts seiner Todesahnung voller Melancholie und Schönheit ist.

In der ersten Reihe sitzen auch als aufmerksame Zuhörer: v.l.n.r. Magdalena Schupelius, Autorin und Mutter der Cellisten, Erika von Borcke-Hoelzer für die Hoelzer von Borcke-Stiftung, Viviane Goergen, Foto: Petra Kammann

Dass Philipp Schupelius auch auf aktuelle Situation eingehen kann, zeigte aus gegebenem Anlass nicht zuletzt die Ankündigung der Zugabe kurz vor der Beisetzung der englischen Monarchin Elisabeth, die beiden spielten Variationen über „God save the Queen“, was nochmal die Begeisterung des Publikums erhöhte.

Dass der hochbegabte Philipp Schupelius ab Mitte Oktober an der Kronberg Academy weiter seine Ausbildung vervollständigen wird, erstaunt kaum. Für den Lebensunterhalt sorgt derweil die Hoelzer-von Borcke-Musik-Stiftung. Auf seine künftige weitere Karriere darf man gespannt sein. Dass er bereits vorher Stipendiat der Internationalen Musikakademie in Liechtenstein und der Jürgen-Ponto-Stiftung war und im Rahmen von Meisterkursen schon u.a. bei Frans Helmerson, Daniel Hope und Steven Isserlis spielte und seine Ausbildung voraussichtlich bei dem Kronberger Dozenten Wolfgang Emanuel Schmidt erhalten wird, scheint auf jeden Fall eine gute Basis für seine künftige Karriere zu sein. Man kann ihm voller Überzeugung dafür nur das Allerbeste wünschen. Und sein kleinerer Bruder, den der Cellokasten noch überragt, scheint es ihm nachzutun.

So wächst der Cellist Georg Schupelius mit einem großen Cellokasten im Rücken heran und tritt wieder die Heimreise nach Berlin an, Foto: Petra Kammann

 

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