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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Kloster Johannisberg im Rheingau erstrahlt in neuem Glanz

Besuch bei Claus Wisser in der Klosteranlage

Von Petra Kammann

Gebäude kennt der erfolgreiche Selfmade-Unternehmer Claus Wisser im wahrsten Wortsinn in – und auswendig, hat er doch aus einem Gebäudereinigungsunternehmen und Bodendienstleister an Flughäfen quasi aus dem Nichts ein Imperium gegründet und weiterentwickelt. 50.000 Mitarbeiter zählt das Unternehmen heute und wurde zu einem Multidienstleister für Büro-, Gewerbe- und Wohnimmobilien. Wisser, im Aufsichtsrat der WISAG-Gruppe, fördert derzeit vor allem kulturelle und soziale Projekte und renoviert etwa 2 km vom Rhein entfernt in der klimatisch begünstigten Rheingau-Region inmitten von Weinbergen das Kloster Johannisberg.

Claus Wisser, Mitbegründer des Rheingau Musik Festivals und Vorsitzender des Fördervereins, hat aber noch ein ganz spezielles ‚Hobby‘ – die Architektur, Foto: Petra Kammann

Als man Wisser in seiner Funktion als Goethe Alumnus und Unterstützer der Frankfurter Uni befragte, wofür er sich entschieden hätte, wenn er einen anderen Beruf gewählt hätte, antwortete er: „Ich hätte mich für einen Beruf entschieden, der etwas mit Architektur zu tun hat. Häuser bauen, umbauen, kaufen, verkaufen, vermieten – das ist heute meine Passion, nachdem ich mich aus dem operativen Geschäft der WISAG zurückgezogen habe. Quasi mein ,Hobby im Ruhestand‘.“  So kam der Unternehmer, der er durch und durch ist, 2017 dann auch an das etwas heruntergekommene Kloster Johannisberg, dessen letzter Besitzer insolvent war, und kaufte es kurzerhand.

Inmitten der Weinberge: Die Klosteranlage vom Kloster Johannisberg. Die Kirche aus dem Jahre 1926 trägt expressionistische Züge, Foto: Petra Kammann

Zunächst glaubte er, man müsse die Bausubstanz vor allem aufhübschen. Dann musste er allerdings feststellen, dass die Gemäuer doch teils völlig marode waren. Und ein Wisser macht nun mal keine halben Sachen. „Ich möchte es so machen, dass man sich nicht schämen muss“, sagt er im Gespräch. So hat er das Gebäude richtig und nachhaltig von Grund auf saniert und sich dazu zwei Profis geholt: Till Schneider vom Architekturbüro Schneider + schumacher und die Innenarchitektin Beate Weller. Dabei kommt der Umbau fast einem Neubau gleich. Aber Claus Wisser liebt auch die Aura der alten Gemäuer, die, wenn er ihnen ein neues Leben schenkt, immer noch spürbar sein soll. Und das tut er mit viel Fingerspitzengefühl.

Blick in den einstigen Klosterhof, Foto: Petra Kammann

Das ist ihm bislang bestens gelungen. So erlebt man es schon, wenn man auch nur den Kreuzgang des einstigen Benediktinerinnenklosters betritt. Durch die verglasten gotischen Bögen, die den Innenhof einrahmen, schaut man auf einen ganz besonderen Klosterhof. In den Fensternischen kann man sich auf Kissen niederlassen oder aber, je nach Bedarf, sich an einen zusätzlichen Tisch setzen, um etwas zu besprechen oder am Bistrotisch einfach nur genüsslich etwas zu sich nehmen wie zum Beispiel den hausgemachten Apfelsaft oder einen Riesling aus der Domäne des zum Kloster gehörenden Weinbergs trinken, der vom Bischöflichen Weingut in Rüdesheim bewirtschaftet wird und dabei ein bisschen vor sich hin sinnieren.

Blick in den Kreuzgang mit zeitgenössischen Gemälden von Jagoda Bednarsky aus Wissers Privatsammlung, Foto: Petra Kammann

Im Inneren des Kreuzgangs stehen alte knorrige Apfelbäume, aus denen der köstliche Apfelmost gemacht wird, in kreuzförmig angelegten Beeten. Spaliere mit Rankpflanzen zieren die Säulen. Die Landschaftsarchitektin Petra Bittkau, auch langjährige Lehrbeauftragte an der benachbarten Hochschule Geisenheim University, hat diesen Hof angelegt. „In Planung ist“, verrät Claus Wisser, „auch noch die Bepflanzung des Daches, auf dem ein Biogarten entstehen soll“. Statiker hätten bereits bestätigt, dass das möglich ist, zerstreut er meine zweifelnde Frage, ob das oben auf dem Dach nicht das Gebäude beschädigen könne.

Der Kreuzgang lässt sich flexibel gestalten mit Arbeits-, Ess- oder kleinen Bistrotischen, Foto: Petra Kammann

Im Kreuzgang, an den Wänden und auf dem Boden herrschen die erdig-sanften Grau-Beigetöne – greige nennt man das wohl in der Designersprache -, vor. Sie lassen sich zurückführen auf die verwendeten Materialien Dolomit  für die Bodenplatten und Muschelkalk  für den natürlich wirkenden Anstrich der Wände. Sie kamen aus der näheren Umgebung von Würzburg. In den Bogennischen liegen warme Sitzkissen auf. Die Möblierung entspricht dem puristischen Ambiente der einstigen Klosteranlage. Dem angepasst ist auch das schlichte Mobiliar: moderne Designklassiker, die sich durch die Kombination von traditioneller Handwerkskunst und moderner Technologie auszeichnen, wie sie auch der Designer Sebastian Herkner verwendet. Ein Gegengewicht dazu bilden die großformatigen Gemälde aus Claus Wisser privater Kunstsammlung. Auch das zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Gebäude.

Die Plakette weist auf einen Teil der Geschichte der Anlage hin, Foto: Petra Kammann

Ursprünglich wurde das 1856 als Kurhaus und Wasserheilanstalt erbaut in einer Zeit, als Johannisberg noch ein Badeort war und damals „Heilanstalt Johannisberg – Institut für Kaltwasserbehandlung, warme und Dampfbäder, Kiefernadelbäder, Heilgymnastik und Traubenkur“ hieß  und dafür 1857 die Konzession erhalten hatte. Der letzte Anstaltsarzt verließ dann den Betrieb allerdings 1891 wieder und kehrte in die Kurstadt Wiesbaden zurück. Heute befindet sich in diesem Teil der Anlage ein Konferenzzentrum.

Von 1920 bis 1991 dienten die Gebäude als Benediktinerinnenkloster. 1928 wurde die architektonisch interessante Kirche erbaut und nach der Kirche der Benediktinerinnen des Klosters Bonn-Endenich in Niederlahnstein benannt. 1993 zogen Schwestern der Steyler Mission aus den Niederlanden in das Kloster. Und ab 2006 wurde dann daraus ein Hotel, woran auch Wisser wieder anknüpft.

Schlichte Ästhetik herrscht auch in den Suiten des Hotels, 

Die ersten sieben Suiten in unterschiedlichen Größen und Grundfarben sind inzwischen fertig. Alle sind schlicht, funktional und qualitativ hochwertig mit einem Wohn-, Ess- und Badebereich ausgestattet. Überall wurde viel natürliches Holz verwendet. In den Zimmer liegt Parkettboden, was eine gewisse Wärme und Natürlichkeit ausstrahlt. Hier kann man sich ganz zu Hause fühlen, sich wunderbar selbst versorgen, die besondere Atmosphäre des Hauses und einfach die Landschaft genießen.

Blick in die kleine grüne Suite, Foto: Petra Kammann

Denn zu jeder Suite gehört auch noch ein kleines „Vorgärtchen“, das der Grundfarbe der Suite entspricht. So ist der blauen Suite, deren Grundmobiliar wie Einbauschränke oder antike Kommoden oder Tische blau lackiert sind, ein Gärtchen mit blauen Blumen zugeordnet. Kräuter und Trauben dürfen übrigens gepflückt werden, weil man in den Suiten ja auch selbst kochen kann. Schön, mit dem Nötigsten dabei einfach anzukommen und zu wissen, alles ist da und man kann sich hier, anders als in beengteren Hotelräumen, völlig frei fühlen, weil man unmittelbar vom Zimmer aus in das Gärtchen gehen kann. Da macht eine kleine Auszeit einfach Spaß.

Hier das „blaue Gärtchen“ passend zur blauen Suite, Foto: Petra Kammann

Da es sich bei dem gesamten Baukomplex um eine Hanglage handelt, wurde wegen der Barrierefreiheit natürlich auch ein Aufzug eingebaut. Denn ein paar der Räume scheinen auf den ersten Blick „im Keller“ zu liegen. Außerdem gehört zum Gesamtkomplex ein weiterer Bau aus dem 19. Jahrhundert, dessen östlicher Teil inzwischen abgerissen wurde, weil er an die besonders gestaltete Kirche wie angeklebt wirkte.

Die durch den Abriss des Ostflügels neu entstehende Landschaftsterrasse, Foto: Petra Kammann

Der Ostflügel, der eine Art überdachter Übergang zum Hotel, einem Gebäude des 19. Jahrhunderts, darstellte, wurde inzwischen abgerissen. Wissers Ziel wäre es nun, den zweiten kantigen Bau hinter dem Gebäude ebenfalls abzureißen, damit der Grundkorpus des fast klassizistischen Gebäudes mit den beiden Türmchen wieder etwas Eigenständiges und Symmetrisches bekäme. Für den Rheingau wäre das auf jeden Fall ein Gewinn und eine Zierde. Es würde an die Symmetrie von Schloss Hansenberg erinnern, meinte auch die Architektin und Bauleiterin Nicole Cezanne, die gemeinsam mit Joachim Kilb, dem Rechtsanwalt der Claus Wisser Verwaltung- und Beteiligungs GmbH & Co KG, Wissers Renovierungsprojekt Kloster Johannisberg vor Ort unterstützt.

Die Feinarbeit dazu ist jedoch dem Zweiten Bauabschnitt vorbehalten. An dieser Stelle ist eine Terrasse entstanden, von der aus man einen herrlichen Ausblick auf das Rheintal genießt. Nun kann die freie Terrasse natürlich auch für Veranstaltungen aller Art genutzt werden oder auch hier gilt es, den einmaligen Blick auf die hügelige Rhein-Landschaft wie auch auf den neu gestalteten, darunter liegenden parkähnlichen Garten, zu genießen. Darum kümmert sich neben der Landschaftsarchitektin kontinuierlich auch Ehefrau Doris Wisser, die gesteht, dabei sogar eine Menge über die Botanik dazugelernt zu haben.

 

Unterhalb der Terrasse entstand ein neu angelegter Garten, Foto: Petra Kammann

Ein wahres Schmuckstück ist schon jetzt die inzwischen bestens renovierte Kirche von 1926. Was für eine Kärrnerarbeit! Hier mussten Zwischendecken herausgebrochen werden, der Dachstuhl von hochgefährlichem Holzschutzmitteln, wie auch das Innere des Turms von der Taubenplage befreit und das Fundament gesichert werden, damit die Kirche nicht zusammenbricht. Doch die Arbeit hat sich gelohnt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Die expressionistische Kirche mit neugotischen Elementen von 1928 wurde sorgfältigst renoviert, Foto: Petra Kammann 

Die farbintensiven Kirchenfenster wurden sorgfältig von der renommierten Taunusstein Glaswerkstätte Derix herausgenommen, gereinigt und mit Doppelverglasung wieder eingebaut. Nach Süden hin strahlt das Blau jetzt so intensiv wie bei den Rosetten der gotischen Kathedralen in Nordfrankreich, während die Nordseite mit den verschiedenen Grautönen eher für ein neutrales Licht sorgt. Der Innenraum bekommt durch das strahlende Weiß zudem eine neue Weite und Höhe. Auch die historische Orgel wurde fachgerecht renoviert und wurde zu einem weiteren Schmuckstück der Kirche.

Akustisch hervorragend: das Halbrund der einstigen Apsis wurde holzvertäfelt

Da Wisser mit dem Rheingau Musik Festival „verbandelt“ ist, liegt ihm auch viel an Musik. Die soll genauso erstklassig rüberkommen. Auch wenn der „Hühne“ selbst eigentlich lieber Baßgeige gespielt hätte, so hat er als Jugendlicher sogar eine Klavier-Ausbildung am Wiesbadener Konservatorium genossen und weiß, was ein guter Pianist braucht. Also steht ein brandneuer Steinway-Flügel spielbereit auf dem Podest. Bei der Höhe des Kirchenraums wurde außerdem sorgfältig über die Akustik, die sehr schnell hallig werden könnte, nachgedacht und vorgesorgt. So wurden im Halbrund des einstigen Altarraums feinste Holzpaneele angebracht, die für Dämmung des Tons sorgen.

Blick auf die restaurierte Orgel. Hinter der mit Paneelen verkleideten Tür liegt der Servicebereich, Foto: Petra Kammann

Hier wurde einfach alles bedacht. Selbst am Ende des Saals ist die Doppeltür mit den gleichen feinen Holzpaneelen verkleidet, damit die Töne nur im Raum selbst vernehmbar sind. Hinter der Tür ist nämlich allerlei Technik versteckt und von hier aus kann auch unkompliziert ein Catering vorbereitet werden. So kann der Saal bestens mit der flexiblen und leichten Thonet-Bestuhlung für Konzerte, Lesungen oder Kongresse genutzt werden. Und man ist durch die klappernden Geräusche im Hintergrund nicht gestört.

Im Konferenzteil des Hauses, in dem die Räume mit Flachbildschirmen ausgestattet sind, wurde bei meinem Besuch noch gehämmert und gebohrt. Aber auch hier wurden alte Details sensibel eingebaut. Das organisch geschwungene Treppenländer nebst Holztreppe aus dem früheren ansonsten entkernten Gebäude wieder aufgearbeitet eine ziselierte Eisensäule vom Balkon des klassizistischen Baus wieder als Stütze weiterbenutzt.

Diskutieren die künstlerische Gestaltung der Kirche: Claus Wisser und der Künstler Tobias Rehberger, Foto: Petra Kammann 

Wisser entwickelt Dinge immer weiter. Es ist einfach sein Lebenselixier. Inzwischen ist der Frankfurter Künstler und Städelprofessor Tobias Rehberger eingetroffen. Im Handumdrehen wird von Doris Wisser und Nicole Cezanne familiär ein Esstisch aufgemacht, auch wenn die Küche offiziell noch nicht eröffnet ist.

Auch mit 80 noch verliebt ins Gelingen: Bauen und Renovieren macht dem Unternehmer einfach Spaß, Foto: Petra Kammann

Und dann wird beraten, welches Kunstwerk eigens für die Kirche entwickelt werden könnte. Man darf gespannt sein. Besorgt jedoch auf keinen Fall, dass Claus Wisser, der gerade 80 wurde, die kreativen Ideen ausgehen könnten. Sein konstruktives Team plus Familie unterstützt ihn dabei.

Hereinspaziert!  Hier ist etwas Traditionelles und zugleich Zeitgemäßes entstanden, Foto: Petra Kammann 

Wisser hat auch schon die nächste Generation mit einbezogen. Sein Sohn Michael C. Wisser leitet inzwischen das Unternehmen und seine Tochter, die Grafikerin Katharina Manz, Designbüro Blila, hat für das Kloster Johannisberg das wunderbar schlichte Signet aus den rhythmisierten Schlitzen des Kirchturms entworfen. Es findet sich auf allen Visitenkarten und Glastüren und trägt damit nicht nur zur optischen Vereinheitlichung, sondern auch noch zur Orientierung bei. Wie heißt es so schön beim großen Frankfurter Dichter in Urworte. Orphisch: „Geprägte Form, die lebend sich entwickelt“. Das macht den Unternehmer und Mäzen aus.

 

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