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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Tod der Autorin, Moderatorin und Literaturvermittlerin Hanne Kulessa

Ein herber Verlust für Frankfurts literarische Szene

Von Petra Kammann

Am  24. Juli 2022 ist Hanne Kulessa nach schwerer Krankheit im Alter von 71 Jahren verstorben.

Hanne Kulessa, um 1985; Foto: Petra Kammann

Ich hatte das Glück, diese besondere Persönlichkeit in der Frankfurter Autorenbuchhandlung (damals noch Ecke Reuter Weg / Eppsteinerstraße) kennenzulernen, wo sie mir wegen ihrer originellen Vermittlung der Neuerscheinungen auffiel, werbend für das Buch, humorvoll und sprachkritisch, so dass ich sie aufforderte, Buchkritiken für das damals von mir betreute Buchmagazin zu schreiben.

Ja, und dann war es zweifellos das leicht rauchige Timbre ihrer Stimme, die mich sofort in Bann schlug, wenn ich das Radio (hr 2) nur einschaltete. Es blieb an, denn ich wusste, es wird etwas Besonderes folgen, sei es in der früheren morgendlichen HR-Sendung „Die Alternative – Kultur am Vormittag“ oder gegen Mittag im „Doppelkopf“, wo sie sich ausgiebig ihren Gesprächspartner:innen widmen und kritische Fragen stellen konnte. Und da blitzte auch immer wieder ihre so hintersinnig-humorvolle Persönlichkeit durch.

Literatur, das war nun mal ihr Leben, sei es in ihrer Berufsausbildung als Buchhändlerin, als Studentin der Germanistik, als Regieassistentin am Schauspiel oder später als Lektorin im Verlag der Autoren, als Herausgeberin, Autorin, Moderatorin und schließlich als Veranstalterin und Dozentin. Das literarische Leben prägte die 1951 in Loxstedt geborene Hanne Kulessa in ihrer Wahlheimat Frankfurt am Main über viele Jahrzehnte.

Etliche Jahre war sie als freie Mitarbeiterin und Moderatorin beim Hessischen Rundfunk tätig, daneben unterrichtete sie als Dozentin der Goethe-Universität Kulturmanagement im Fortbildungsprogramm Buch- und Medienpraxis. Daneben schrieb die hellwache Beobachterin Erzählungen und mehrere Kinderbücher. Ihr erster Roman „Der Große Schwarze Akt“ erschien 2008.

Für ihre einfallsreichen Veranstaltungen konnte Kulessa von ihren literarischen Erfahrungen profitieren wie von denen ihrer Vermittlungsarbeit, so 2002, als sie das erste Frankfurter Literaturfestival ‚Die Stadt am Fluss‘, aus dem später ,literaTurm‘ hervorging, kuratierte oder zum Beispiel  2019.

v.l.n.r.: Thomas Hupfer, Hanne Kulessa, Burger-Herausgeber Simon Zumsteg, Konsul Hans-Peter Willi, Schweizerisches Generalkonsulat 2019

Da gestaltete sie im Literaturforum im Mousonturm einen Abend mit dem Schweizerischen Generalkonsulat über Hermann Burger anlässlich seines 30. Todestags, wo sie geistreich in das Leben des Menschen, Germanisten, Zauberers, Zigarrenrauchers, Ferrari-Fahrers und Friedhofsliebhabers Hermann Burger eingeführt hatte.

Vorbereitung der Manuskripte für die Veranstaltungsreihe „Salon kontrovers“ in Zeiten der Pandemie, Foto: Petra Kammann

Ihrem Interesse für Handschriftliches und Briefe ging sie bis zuletzt im Holzhausenschlösschen in der so spannenden Veranstaltungsreihe „Salon kontrovers“ der Frankfurter Bürgerstiftung nach wie zum Bespiel den Korrespondenz(en)  zwischen Nelly Sachs und Paul Celan, welche die beiden zwischen Paris und Stockholm austauschten. Es war nicht zuletzt ein entlarvender Blick hinter die Kulissen und auf die (Brief)beziehung zweier Dichter mit ähnlichen Schicksalen im Exil, der durch die hervorragenden Sprecher Thomas Hupfer (Paul Celan) und Birgitta Assheuer (Nelly Sachs) ganz präsent wurde.

Die regieerfahrene Hanne Kulessa bei der Probe einer „Salon kontrovers“-Veranstaltung 2021 im Holzhausenschlösschen, Foto: Petra Kammann

„Für die Literaturszene dieser Stadt ist Hanne Kulessas Tod ein großer Verlust. Sie hat die Liebe zur Literatur nicht nur für sich selbst gelebt, sondern sie vor allem weitergegeben – an die Hörerinnen und Hörer und Leserinnen und Leser, an ihre Studierenden bei der Buch- und Medienpraxis und nicht zuletzt in vielen persönlichen Gesprächen. … Allen, die sie kannten, wird ihr trockener Humor und ihre herzliche Art in Erinnerung bleiben“, sagt die literarisch versierte Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig, über sie.

Schon früh verbunden war Kulessa übrigens der ukrainischen Literatur. Sie nahm daher an einer Tagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Lemberg teil und organisierte 2014, kurz nach den Maidan-Protesten, gemeinsam mit Studierenden eine Lesung mit den Schriftstellern Jurij Andruchowytsch, Tanja Maljartschuk, Jurko Prochasko und Serhij Zhadan im Literaturhaus Frankfurt.

Schade, dass ich diese Veranstaltungen von Düsseldorf aus, wo ich einige Jahre lebte, nicht wahrnehmen konnte. Sie hätten mir möglicherweise schon damals einen anderen Blick auf das Land eröffnet, das uns alle jetzt so intensiv beschäftigt. Das ist nicht das Einzige, das mir nun wieder in Frankfurt fehlt… Für Hanne Kulessa gibt es keinen Ersatz.

 

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