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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Im Tiefenrausch – Film unter Wasser“:  Ausstellung im Deutschen Filminstitut & Filmmuseum Frankfurt

Vom Gefühl, ständig unter Wasser zu sein

von Renate Feyerbacher

Bei diesen heißen Temperaturen lädt das Deutsche Filminstitut & Filmmuseum (DFF) ein, sich sehend abzukühlen und einzutauchen in die Tiefen der Ozeane.

Ausstellungsansicht „Im Tiefenrausch“, Foto: Uwe Dettmar / DFF Frankfurt

Der Ausstellungsraum ist düster, der Boden ausgelegt mit glänzendem, dunklem Vinylboden, der das Wasser der Videos spiegelt. Perfekte Kinoatmosphäre. Die gezeigten Filmbeispiele kommen voll zur Geltung. Etwa drei Stunden bräuchte man, um sich alles in Ruhe anzusehen. Kurator und Projektleiter Michael Kinzer hat viele Unterwasserfilmszenen im Leinwandrund mitten im Raum zusammengestellt. Bei der Wahl des Titels „Im Tiefenrausch“ faszinierte Michael Kinzer die Doppeldeutigkeit der Gegensätze von Schönheit und Idylle contra Dunkelheit und Gefährlichkeit. 

Plakat der Ausstellung „Im Tiefenrausch“– DFF Frankfurt

Schon bei der Freizeitaktivität Schnorcheln wird man in den Bann der Unterwasserwelt gezogen. Das große Rausch-Erlebnis wird allerdings erst beim Tauchen vermittelt. Hier droht die Gefahr: Ab einer Tiefe von 20 bis 30 Metern können alle Tauchenden in den Zustand des Tiefenrauschs geraten. Der wird ausgelöst durch zu viel Stickstoff im Blut. „Infolge dieser Störung des zentralen Nervensystems schwanken die Betroffenen zwischen absolutem Glücksgefühl und Euphorie und akuter Angst und Panik“, sagt Michael Kinzer.

Michael Kinzer und Presseleiterin Frauke Haß bei der Pressekonferenz; Foto: Renate Feyebacher

Licht und Dunkelheit, Oberfläche und Tiefe, Leben und Tod. Dieses Spannungsfeld von Filmemacher:innen ist vor allem im Bewegtbild-Aqarium zu erleben. Da gibt es rauschhafte Einblicke in Korallenwälder, die in herrlichen Farben leuchten und bedingt durch den Klimawandel, immer bleicher werden, man nimmt wirkungsvolle Quallenschwärme, beeindruckende Wale, gewandte Delfine, gigantische Kalamare und Angst machende Haie wahr. 

Der Film hat sich schon früh mit dem Urelement Wasser beschäftigt. Einer der ersten Filme, ein englischer, zeigte 1895 die Gewalt der Wellen. Wie kaum einem anderen Medium gelingt es dem Film, Faszination und Kraft dieses Elements einzufangen. 

Filmplakat „Abenteuer im Roten Meer“, der erste Tonfilm unter Wasser von Hans Hass; Fotografiert von Renate Feyerbacher

In den fünfziger Jahren begeisterte der Naturfilmpionier Hans Hass (1919-2013) die Nachkriegsdeutschen mit seinen Filmen. Mit „Abenteuer im Roten Meer“ war seine Assistentin und spätere Ehefrau Charlotte Baierl dabei. Schlagartig wurde er berühmt. (Der Film wird übrigens am 11.12.2022 gezeigt). Er wurde eine Weltsensation, denn eine Frau unter Haien – so etwas hatte es bis dahin noch nicht gegeben.

Hass versuchte, zwischen Haien schwimmend, die Angst vor den gefährlichen Fischen mit den scharfen Zähnen zu nehmen. Die Fotografien in seinem Buch Unter Korallen und Haien waren sensationell. Der gebürtige Wiener, der hunderte Kilometer vom Meer entfernt aufwuchs, studierte zunächst Jura, dann Zoologie. Er erforschte das Verhalten der Fische, erfand ein Tauchgerät, das es bis dahin nicht gab. Zusammen mit Wissenschaftlern kreuzte das Paar im Auftrag der BBC mit dem Forschungssegler Xarifa („Die Schöne“) durch die Karibik. Aber dann verrannte Hass sich mit seinen pseudowissenschaftlichen Forschungen. Es wurde still um ihn. Erst ab 1970 drehte er wieder Naturfilme.

Filmplakat des Farbfilms „Welt ohne Sonne“ von Jacques-Yves Cousteau, Fotografiert von Renate Feyerbacher 

Längst hatte ihm der Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau (1910-1997), ein ehemaliger französischer Marine-Offizier, den Rang abgelaufen. Cousteau griff allerdings auf Erfindungen von Hass zurück, die er weiter entwickelte. Sein Unterwasserfilm Welt ohne Sonne (1964) erhielt ein Jahr später den Oscar als Bester Dokumentarfilm. Bereits neun Jahre zuvor drehte er mit dem zu der Zeit noch unbekannten Filmemacher Louis Malle den Dokumentarfilm Die schweigende Welt, der in Cannes ausgezeichnet wurde (wird am 13.12. vorgeführt). Er zeigt, wie er mit seiner Mannschaft auf seinem Forschungsschiff Calypso Expeditionen im Mittelmeer, im Roten Meer, im Indischen Ozean und dem Persischen Golf unternahm. Über hundert Filme drehte Cousteau und schrieb mehrere Bücher. Viele Preise wurden ihm zuteil. Ein Film in der Ausstellung lässt Cousteau selbst zu Wort kommen.

Weitere filmische Dokumente zu anderen Meeresforschern beziehungsweise -filmern sind ebenfalls fesselnd. Mehr als dreißig digitale Leinwände, die von der Firma Active Image zur Verfügung gestellt wurden, machen das möglich.

1975 hatte Steven Spielberg den Film Der weiße Hai herausgebracht. Unterschiedlich waren die Kritiken. Steffen Haubner schrieb in Die besten Filme der 70er (Hrsg. Jürgen Müller) Taschen Köln 2003: „,Der weiße Hai‘ ist auch ein Film über menschliche Urängste und charakterliche Schwächen, aus deren Überwindung Helden geboren werden. Dass er außerdem auch noch von der kapitalistischen, sich selbst gefährdenden Gesellschaft, vom patriotischen Amerika, von Massenhysterie, Schuld, Sühne und der Aufopferung des Einzelnen für die Gesellschaft handelt, macht deutlich wie Spielberg eine im Grunde denkbar simple Geschichte auf vielen Ebenen lesbar macht. Dabei sollte man jedoch keinesfalls unterschlagen, dass Der weiße Hai einer der nervenzerreißendsten Thriller aller Zeiten ist.“ (zitiert nach Wikipedia)

Drei Oscars erhielt der Film, der vom American Film Institute auf die Liste der 100 besten Filme aller Zeiten gesetzt wurde. Komponist John Williams (* 1932) war unter den Preisträgern für die Filmmusik. Zuletzt war Williams in aller Munde mit seinem 2. Konzert für Violine, das er für Anne-Sophie Mutter komponierte und 2021 in Tanglewood uraufgeführt wurde.

Filmplakat für  Orca – Der Killer-Wal, Fotografiert von: Renate Feyerbacher

Zwei Jahre später wurde der Film Orca, ein US-amerikanisches Tierhorror-Werk produziert. Es hatte durchweg schlechte Kritiken, weil das Verhalten der Orcas, es sind die größten Vertreter aus der Delfinfamilie, falsch dargestellt war. 

Die Senckenberg Gesellschaft, die erneut mit dem DFF zusammen arbeitet, ist mit einem wissenschaftlichen Team immer wieder zu Kinogesprächen vor Ort. Die schlechte Wahrnehmung einzelner Meerestiere in der Öffentlichkeit wird dabei auch zur Sprache kommen.

Führungen gibt es jeden Samstag um 15 Uhr. Noch zweimal findet ein dreitägiger Fotoworkshop in Frankfurt statt. (29.bis 31. Juli und 23. bis 25. September). Immer wieder werden Vorträge gehalten und Filme gezeigt.

Die Ausstellung Im Tiefenrauch wird auch Kinder begeistern. In die räumlich abgetrennte „schwarze Lagune“, wo die nicht kindgerechten Unterwasserfilmszenen gezeigt werden, haben Kinder allerdings keinen Zutritt. Beim zweitägigen Ferienworkshop für Kinder ab 10 Jahre, erster Tag im DFF, zweiter Tag im Naturmuseum Senckenberg, können die Kinder aber selbst kurze Trickfilme drehen. (26./27.Juli und 30./31.August) 

Im Ferienworkshop am 23. bis 26.August haben Kinder ab 10 dafür aber die Möglichkeit, sich einen Unterwasserfilm ausdenken, zu drehen, der danach vertont wird und später auf der großen Leinwand im DFF angesehen werden kann.

Apropos Musik. Auch sie spielt eine wichtige Rolle. Ein separater Bereich ist der Toninstallation der Sounddesignerin Rana Eid (Libanon), die am 4. August ins DFF kommt, gewidmet.

In Töne aus der Tiefe werden Rana Eid und Frank Kruse, zuletzt Tongestalter in der Fernsehserie BABYLON BERLIN, über die Herausforderungen bei der Erschaffung und Abmischung von Unterwassertönen sprechen. Danach auch wieder Filme u.a. Leviathan, eine preisgekrönte Dokumentation über die Hochseefischerei in den Weltmeeren, die zur Überfischung führt.

Filmstill aus: „Leviathan“, © DFF

Stummfilmkonzert heißt es beim Finissage-Wochenende am 8. Januar 2023. Da vertonen Studierende der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt angeleitet von Professor Ralph Abelein und unterstützt von Akkordeonistin Eva Zöller live die Jules Verne-Adaption 20.000 Leagues under the Sea von 1916, der erste Spielfilm der Filmgeschichte mit echten Unterwasseraufnahmen.

Auch die Filmbühne Caligari in Wiesbaden wird mit einbezogen. In der Landeshauptstadt Wiesbaden präsentiert zudem das Hessische Landesmuseum für Kunst und Natur die Schau Wasser im Jugendstil – Heilsbringer und Todesschlund. (bis 23.10.22) Für beide Ausstellungen gibt es ein Kombiticket. 

Alle Infos und Tickets unter:

tiefenrausch.dff.film/#begleitprogramm 

Telefon 069-961220-220

Die Ausstellung “ Im Tiefenrausch“ geht bis zum 8. Januar 2023 – geöffnet Dienstag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr

 

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